Kommunen im Wandel der Zeit

Der Wandel der Zeit macht auch vor Kommunen nicht halt. Die Themen haben sich verändert. Das zeigt das neu erschienene Buch Kommuja

Früher spielte Kindererziehung in den politischen Kommunen eine große Rolle,heute drängt vielerorts eine neue Generation in die Gemeinschaften. Ein Sammelband beleuchtet diesen Aufbruch.


»Will ich die Welt verändern, verbessern, was auch immer das heißen mag,muss ich mich ändern«, schreibt Uwe, der auf dem Olgashof unweit von Wismarlebt. »Das heißt, ich muss die erlebte Sozialisation durch eine andereersetzen. Die Richtung, die ich einschlage, ist erst einmal die harmlose,die Fahrt zu mir selbst.« Dann fragt der Kommunarde, ob er sich in derbestehenden Struktur überhaupt verändern kann oder ob sich erst die Strukturverändern müsste, damit ihm dies gelingt.

Auf diese Frage gibt das »Kommunebuch« keine umfassende Antwort. DieAutorInnen des Sammelbandes, wie Uwe alle lediglich beim Vornamen genannt,leben selbst in solidarischen Gemeinschaften, die sich zu dem Netzwerk»Kommuja« zusammengeschlossen haben, das aus etwa 50 Land- und Stadtkommunen besteht. Das Buch ist eine Sammlung von Essays und Gesprächen; die Beiträge sind Reflexionen, die sich manchmal ergänzen, bisweilen überlagern, mal langatmig, mal kurzweilig. Ab und an widersprechen sich Aussagen, was zeigt, dass das Buchprojekt eher einen Diskussionsprozess darstellt, der noch nicht beendet ist.

Den KummunardInnen ist gemein, dass sie ihre Zusammenschlüsse nicht nur als Wohnprojekt, sondern als politischen Aufbruch verstehen. Sie vereint der Wunsch nach herrschaftsfreien Räumen, die sowohl individuelle Freiräume ermöglichen als auch kollektive Kräfte freisetzen. Wichtig ist ihnen das gemeinsame Wirtschaften. Teilweise haben sie Betriebe gegründet, manchmal besteht zwischen den Gemeinschaften ein freier Tausch von Gütern und Leistungen ohne Bezahlung. Lohnarbeit rückt in den Hintergrund.

Der Kommunegedanke erlebte in der westdeutschen 68er Bewegung eine Renaissance. Viele tausend kleine Kollektivbetriebe, Stadtkommunen und alternative Lebensgemeinschaften gründeten sich damals. In den frühen 1990er Jahren entstand bereits einmal ein Kommunebuch, das die Vielfalt der seit über zwei Jahrzehnten existierenden Lebensform darstellte. Die AutorInnen entschieden sich aber gegen eine Neuauflage - weil Akteure ausgeschieden, neue hinzugekommen sind und weil sich die Schwerpunkte in den Gemeinschaften in den vergangenen zwei Jahrzehnten verschoben haben: Derzeit spielt etwa die Kindererziehung nicht mehr eine solche Rolle wie noch vor 20 Jahren. Dafür bekommt das Altern in den Gemeinschaften eine neue Bedeutung. In einigen Gemeinschaften findet ein Generationenwechsel statt. Damit verändern sich auch die Ansichten: War in den 80er und 90er Jahre der Feminismus noch eine großes Thema und wurde vor allem die Dominanz der Männer angegriffen, so ist heute eine queere Kritikam Zusammenleben der Geschlechter weit verbreitet. Sie fußt in der Annahme, dass es neben einem natürlichen Geschlecht ein gesellschaftlichkonstruiertes gibt, was mancherorts schroff abgelehnt wird.

Auch nach vielen Jahren befinden sich die Gemeinschaften des Kommuja-Netzwerks noch im Aufbruch. Oft sind es kleine Schritte im Alltag,die in den Kommunen anders gemacht werden, die Impulse nach außen geben. Soerscheint ihre Lebensweise wie ein Plädoyer für das Maßhalten inmitten einesmaßlosen Zeitgeistes, der uns alltäglich suggeriert, dass wir uns allesleisten können. Auch wenn dem millionenfach prekäre Beschäftigung und einegigantische Umweltzerstörung entgegenstehen.

Gewissermaßen sind Kommunen eine Avantgarde. Denn dort wird bereits einsozialer, ökonomischer wie ökologischer Wandel gelebt, den überhauptauszusprechen sich die Politik häufig scheut. Mit einer Forderung zumMaßhalten lässt sich schließlich keine Wahl in Zeiten gewinnen, in denen dasWirtschaftswachstum unantastbar zu sein scheint.

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Kommuja: Das Kommunebuch. Utopie gemeinsam leben. Assoziation A, 344 Seiten,18 Euro. www.assoziation-a.de/neu/Kommunebuch.htm
22. November 2014
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