Was das Herz einer Regierung schmelzen lässt
Es ist eine unangenehme, aber nötige Erfahrung: Man sitzt im bequemen Sessel und schaut sich das Elend der indischen Ureinwohner an. Die 90 Millionen Adivasi («die ersten Menschen») wurden zuerst grösstenteils aus den Urwäldern vertrieben, in denen sie Jahrtausende lebten. Jetzt werden die Land- und Kastenlosen von der Globalisierung, von Minen, Staudämmen und der gefrässigen Industrie buchstäblich auf Müllkippen verbannt. Es ist kaum auszuhalten, auch nicht im Kinosaal. Dabei handelt der Dokumentarfilm «Millions can walk» von Christoph Schaub und Kamal Musale von einem grossen Aufbruch, von einem wochenlangen Marsch von 50’000 Landlosen auf die Bundeshauptstadt Delhi, um dort ihren verbrieften Rechten Geltung endlich zu verschaffen. Der «Jansatyagraha» vom Oktober 2012 wurde von der Bewegung Ekta Parishad unter Rajagopal P.V. fünf Jahr lang vorbereitet, zwei Jahre lang wurde in tausenden indischer Dörfer gesammelt, um den grossen Marsch möglich zu machen. Auch Zeitpunkt-Leser spendeten zehntausend Franken. Der eindrückliche Film handelt von diesem Marsch, und er endet mit einem Erfolg.
«Warum bringen wir dieses Opfer?» fragte Rajagopal zum Beginn des Marsches und gab die Antwort gleich selber: «Damit die Herzen der Regierung schmelzen.» Und sie schmolzen. Um die friedlichen Massen vom Regierungszentrum fern zu halten, unterschrieb der Minister für ländliche Entwicklung. Jairam Ramesh, ein Aktionsprogramm für eine Landreform, und der riesige Marsch durch die brütende Hitze wurde nach gut einer Woche abgebrochen. Die Regierung wusste: Die Adivasi würden wieder kommen. Es war ja auch nicht der erste, aber der grösste Marsch für dieses Anliegen. Die Einigung war auch für Ekta Parishad eine Erlösung – immer mehr Teilnehmer wurden krank und mussten nach Hause reisen.
Ein Jahr nach Abschluss der Vereinbarung sind 70 Prozent erfüllt, schreibt Ekta Parishad. Zwar warten die meisten Familien noch immer auf das versprochene Land. Aber die grosse Kraft des Sansatyagraha ist diesmal nicht in den indischen Amtsmühlen zerbröselt.
Der Film zeigt nicht nur die gewaltlosen Massen, sondern auch, woher sie kommen: aus dem Niemandsland grosser Industrieanlagen, aus staubigen Minen und Abfallhalden. Die Kamera ist nie voyeuristisch. Trotzdem: Neben dem Leben der Adivasi kommen einem auch unsere grössten Schwierigkeiten wie Luxusprobleme vor, die mit einem Wechsel der Perspektive ganz einfach verschwinden.
Carmen Zanella, Autorin eines Buches über Rajagopal hat vor kurzem verschiedene Siedlungen von Adivasi besucht. Nach ihrer Einschätzung geht es jetzt darum, den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive zu entwickeln. Ekta Parishad steht vor einem Wandel von der politischen Bewegung zur ökonomischen Selbsthilfe. CP
Der Film «Millions can walk» feiert am 24. Januar an den Solothurner Filmtagen Premiere. Dann wird er in Bern (25.), Luzern (26.), Einsiedeln (27.), St. Gallen (29.), Zürich (30.) und in Basel (31. Januar) gezeigt, jeweils in Anwesenheit von Rajagopal P.V..
Am Sonntag, 26. Januar bringt das Fernsehen SRF eine «Sternstunde Religion» mit Rajagopal und am 28. Januar findet im Theater Rigiblick ein Podiumsgespräch mit Rajagopal, Roger de Weck, Patrick Hohmann und François Meienberg statt.
Millions can Walk. Dokumentarfilm von Christoph Schaub und Kamal Musale. Produktion: Reck Filmproduktion, 2013. 88 Min. Verleih: Filmcoopi.
Buchtipp: Carmen Zanella: Das Erbe von Gandhi – Rajagopal P.V., ein Leben für den gewaltlosen Widerstand. Stämpfli, 2012. Fr. 24.–.
«Warum bringen wir dieses Opfer?» fragte Rajagopal zum Beginn des Marsches und gab die Antwort gleich selber: «Damit die Herzen der Regierung schmelzen.» Und sie schmolzen. Um die friedlichen Massen vom Regierungszentrum fern zu halten, unterschrieb der Minister für ländliche Entwicklung. Jairam Ramesh, ein Aktionsprogramm für eine Landreform, und der riesige Marsch durch die brütende Hitze wurde nach gut einer Woche abgebrochen. Die Regierung wusste: Die Adivasi würden wieder kommen. Es war ja auch nicht der erste, aber der grösste Marsch für dieses Anliegen. Die Einigung war auch für Ekta Parishad eine Erlösung – immer mehr Teilnehmer wurden krank und mussten nach Hause reisen.
Ein Jahr nach Abschluss der Vereinbarung sind 70 Prozent erfüllt, schreibt Ekta Parishad. Zwar warten die meisten Familien noch immer auf das versprochene Land. Aber die grosse Kraft des Sansatyagraha ist diesmal nicht in den indischen Amtsmühlen zerbröselt.
Der Film zeigt nicht nur die gewaltlosen Massen, sondern auch, woher sie kommen: aus dem Niemandsland grosser Industrieanlagen, aus staubigen Minen und Abfallhalden. Die Kamera ist nie voyeuristisch. Trotzdem: Neben dem Leben der Adivasi kommen einem auch unsere grössten Schwierigkeiten wie Luxusprobleme vor, die mit einem Wechsel der Perspektive ganz einfach verschwinden.
Carmen Zanella, Autorin eines Buches über Rajagopal hat vor kurzem verschiedene Siedlungen von Adivasi besucht. Nach ihrer Einschätzung geht es jetzt darum, den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive zu entwickeln. Ekta Parishad steht vor einem Wandel von der politischen Bewegung zur ökonomischen Selbsthilfe. CP
Der Film «Millions can walk» feiert am 24. Januar an den Solothurner Filmtagen Premiere. Dann wird er in Bern (25.), Luzern (26.), Einsiedeln (27.), St. Gallen (29.), Zürich (30.) und in Basel (31. Januar) gezeigt, jeweils in Anwesenheit von Rajagopal P.V..
Am Sonntag, 26. Januar bringt das Fernsehen SRF eine «Sternstunde Religion» mit Rajagopal und am 28. Januar findet im Theater Rigiblick ein Podiumsgespräch mit Rajagopal, Roger de Weck, Patrick Hohmann und François Meienberg statt.
Millions can Walk. Dokumentarfilm von Christoph Schaub und Kamal Musale. Produktion: Reck Filmproduktion, 2013. 88 Min. Verleih: Filmcoopi.
Buchtipp: Carmen Zanella: Das Erbe von Gandhi – Rajagopal P.V., ein Leben für den gewaltlosen Widerstand. Stämpfli, 2012. Fr. 24.–.
19. Januar 2014
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