Schwarzsehen, weissdenken
Geh mir nur weg mit dem positiven Denken, mit dieser elenden Weissmalerei! Mit diesem Resonanzgesetz wollen einem die Räucherstäbchenwedler doch nur die ganze Freude am Leid verderben! «Es sind deine eigenen Gedanken, die dir in deiner Welt gespiegelt werden». Na, ich danke! Wie soll man sich noch wohlig als Opfer im Sumpf widriger Umstände suhlen, wenn man als halbwegs erleuchteter Mensch glaubt, dass es die eigenen mentalen Ausdünstungen sind, die Mietpreiserhöhung, Magenverstimmung und Meteoritenschauer nach sich ziehen? Ob Unfall, Obdachlosigkeit oder die Verlobung mit einem Versicherungsvertreter: Das soll ich im tiefsten Innern nicht anders gewollt haben? Sondern, um mit den Weissdenkern zu sprechen, es sogar «in mein Leben eingeladen» haben? Glaub ich ja nicht!
Nehmen wir das oft strapazierte Standardargument für den Erfolg positiven Denkens: «Ich finde immer einen Parkplatz!», zwitschern die weissen Riesen. Aber ja doch: Das Universum in seiner grenzenlosen Weisheit findet keinen besseren Weg, seine Liebe zu dir auszudrücken, als im Abstand zwischen zwei Blechkarossen – der sich just dann auftut, wenn du zum Zahnarzt gehen willst. Der wiederum bohrt unweigerlich, weil Karies eher nicht auf positives Denken anspricht. Zurück am Auto: ein Strafzettel. Und schon hat es sich ausgezwitschert! Es ist einfach, an diese «Kausalitäten» zu glauben, wenn alles prächtig läuft. Aber wenn nicht – dann ist das wie bei Eltern, deren Erstgeborenes gut geraten ist und die so tun, als läge das an ihren pädagogischen Fähigkeiten. Doch dann kommt der zweite Satansbraten und straft diese Theorie Lügen.
Die Weissdenker können im Detail erklären, weshalb sie krank geworden sind. Was sie nicht verraten: Warum ihnen diese Erkenntnis nicht zu einer Spontanheilung verhilft. Oder das Beispiel Wohnung: Carlos Castaneda sagte seinerzeit, Don Juan habe ihn anfangs in einer Hütte empfangen, weil dieser Ort am besten seinem damaligen Bewusstseinslevel entsprochen hätte. Daran muss ich immer denken, wenn ich einen Positivdenker in seinem Wohnklo besuche. Er erzählt dann von seiner Kündigung und der Überzeugung, dass etwas Besseres nachkommt. Die Erfahrung zeigt: Das tut es in den seltensten Fällen. Und ein Positiver in Geldnöten ist in etwa so glaubwürdig wie ein übergewichtiger Ernährungsberater. Was soll der ganze Schmarrn, wenn sich die ersehnte «Fülle» nur entlang der Leibesmitte manifestiert?
Weissdenker täuschen sich und andere. Wenn sie etwa nicht zugeben wollen, dass die Beziehung kaputt gegangen ist, sondern von «consciously uncoupling» plappern. Geht's noch? Positiv denken ist wie Kapitän Ahab, der den weissen Wal der Sinnhaftigkeit jagt. Wie wär es stattdessen mit ein wenig Schwarzseherei im Sinne von fatalistischer Entspannung? Das Beste erwarten, sich drüber gerne schwarz ärgern, wenn es anders kommt. Und trotzdem wissen: Ein Beinbruch muss kein Beinbruch sein. Sondern sowas passiert, und die Sonne lacht trotzdem. Vielleicht mit dir, vielleicht über dich. Wen kümmert's?
Mehr zum Thema «schwarz | weiss» im Zeitpunkt 147
Nehmen wir das oft strapazierte Standardargument für den Erfolg positiven Denkens: «Ich finde immer einen Parkplatz!», zwitschern die weissen Riesen. Aber ja doch: Das Universum in seiner grenzenlosen Weisheit findet keinen besseren Weg, seine Liebe zu dir auszudrücken, als im Abstand zwischen zwei Blechkarossen – der sich just dann auftut, wenn du zum Zahnarzt gehen willst. Der wiederum bohrt unweigerlich, weil Karies eher nicht auf positives Denken anspricht. Zurück am Auto: ein Strafzettel. Und schon hat es sich ausgezwitschert! Es ist einfach, an diese «Kausalitäten» zu glauben, wenn alles prächtig läuft. Aber wenn nicht – dann ist das wie bei Eltern, deren Erstgeborenes gut geraten ist und die so tun, als läge das an ihren pädagogischen Fähigkeiten. Doch dann kommt der zweite Satansbraten und straft diese Theorie Lügen.
Die Weissdenker können im Detail erklären, weshalb sie krank geworden sind. Was sie nicht verraten: Warum ihnen diese Erkenntnis nicht zu einer Spontanheilung verhilft. Oder das Beispiel Wohnung: Carlos Castaneda sagte seinerzeit, Don Juan habe ihn anfangs in einer Hütte empfangen, weil dieser Ort am besten seinem damaligen Bewusstseinslevel entsprochen hätte. Daran muss ich immer denken, wenn ich einen Positivdenker in seinem Wohnklo besuche. Er erzählt dann von seiner Kündigung und der Überzeugung, dass etwas Besseres nachkommt. Die Erfahrung zeigt: Das tut es in den seltensten Fällen. Und ein Positiver in Geldnöten ist in etwa so glaubwürdig wie ein übergewichtiger Ernährungsberater. Was soll der ganze Schmarrn, wenn sich die ersehnte «Fülle» nur entlang der Leibesmitte manifestiert?
Weissdenker täuschen sich und andere. Wenn sie etwa nicht zugeben wollen, dass die Beziehung kaputt gegangen ist, sondern von «consciously uncoupling» plappern. Geht's noch? Positiv denken ist wie Kapitän Ahab, der den weissen Wal der Sinnhaftigkeit jagt. Wie wär es stattdessen mit ein wenig Schwarzseherei im Sinne von fatalistischer Entspannung? Das Beste erwarten, sich drüber gerne schwarz ärgern, wenn es anders kommt. Und trotzdem wissen: Ein Beinbruch muss kein Beinbruch sein. Sondern sowas passiert, und die Sonne lacht trotzdem. Vielleicht mit dir, vielleicht über dich. Wen kümmert's?
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10. März 2017
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