Plastikschamanen
Auf dem Markt esoterischer Heilslehren tummeln sich fragwürdige Anbieter. Für unbedarfte Seminarteilnehmer kann das zum Fiasko werden, persönlich und finanziell. Kommt man den Scharlatanen auf die Schliche, reagieren sie ganz und gar nicht «erleuchtet».
Das Wort «Dilettant» war nicht immer ein Schimpfwort. Ursprünglich bezeichnete es im Grunde nur jemanden, der eine Tätigkeit nicht professionell ausübte – sei es Klavierspielen oder Katzenfrisieren. Heute hat es den Beigeschmack des Stümpers: Würde gern wollen und tut auch so als ob, hangelt sich aber doch in seliger Ignoranz an unausgegorenen Halbwahrheiten entlang. Und schon sind wir mittendrin in der Welt der Plastikschamanen und Freizeitbuddhisten, Hobbyheiler und Wochenendberufenen, wo sich eine immer grösser werdende Schar im Tempel des Peinlichen Pseudo tummelt. Die hier aus purem Interesse am Thema dabei sind, sind meist gutgläubige, arglose Menschen auf der Suche nach der ultimativen Erfüllung, die sich dabei unbekümmert aus dem kulturellen und spirituellen Inventar dieser Welt bedienen, als sei jede Religion ein Supermarkt und jede fremde Tradition ein unverbindlicher Serviervorschlag.
Wenn diese kulturelle Aneignung allerdings dazu genutzt wird, ein selbstgestricktes, marketingfreundliches Image mit Glaubwürdigkeit zu untermauern, um Geld damit zu machen, wird die Grenze zur Scharlatanerie überschritten. Aktuell gröbstes Beispiel sind die selbsternannten «indianischen Schamanen», die sich ins Tipi der indigenen Völker Nordamerikas mogeln möchten. Die Romanautorin Kerstin Groeper hat die Nase voll von ihnen. Irgendwann hat sie aufgegeben, Lakotakurse durch einen Lakotalehrer anzubieten, «weil ich es satt hatte, wie die Sprache von Plastikschamanen missbraucht wird, um damit eine nicht vorhandene Authentizität vorzugaukeln».
Plastikschamanen: mit diesem Begriff brandmarken die indigenen Amerikaner die Ausbeuter ihres immateriellen Erbes. Merkmale dieser Spezies: völlig abgedrehte Fantasienamen, die weder grammatikalisch noch inhaltlich Sinn ergeben; eine ebenso fantasievolle Kostümierung, die bekannte Stereotype diverser Hollywoodfilme bemüht; und schliesslich die Berufung auf eine Abstammung von den indigenen Völkern, die keiner Überprüfung standhält. Der Expertin fällt auf, dass sie sich teilweise sämtliches Wissen aus Romanen angelesen und keine echte Ahnung haben – geschweige denn, dass sie in das geheime Stammeswissen eingeweiht wären, wie sie so gern behaupten. Sie bedienen schlicht eine Nachfrage: esoterisches Geschwurbel vermischt mit unserer Vorstellung der «edlen Wilden» ergibt Tausende von begeisterten Facebook-Fans und zahlenden Seminarteilnehmern. Dabei hat diese Vorstellung herzlich wenig mit der Realität zu tun: Die Indianer kennen keine Schamanen, nur Medizinmänner. Und das ist ein harter Job, der nicht mit Ruhm und Reichtum, sondern vor allem mit Verpflichtungen dem eigenen Volk gegenüber verbunden ist. «Ein echter Medizinmann verlangt kein Geld für seine Dienste», stellt Groeper richtig, die seit 27 Jahren mit native americans zusammenarbeitet. «Er würde sie auch nicht auf einer Homepage anbieten oder damit auf Europa-Tournee gehen.»
Erfrischend kreativ, wie vieles aus der indianischen Kultur kopiert und ungeniert auf die Verhältnisse der modernen westlichen Welt übertragen wird. Bestes Beispiel ist das Medizinrad, auf das sich so viele VHS-Indianer berufen. Es wurde von einem Anishinabe-Indianer namens Sunbear entwickelt, der später auf Drängen der Ältesten zugegeben und ins Vorwort seines Buches eingefügt hat, dass es sich dabei nicht um jahrhundertealtes Wissen, sondern seine eigene Vision handelt. Aber erzähl das mal einem Hobby-Hopi – und er wird dir seinen Traumfänger um die Ohren schlagen. «Was ist denn dabei, wenn uns auf diese Weise eine fremde Kultur nahegebracht wird?», mögen wohlmeinende Neoschamanen fragen. Doch der Import der New-Age-Szene schadet tatsächlich beiden Seiten. Beispiel Schwitzhütte: Was durch die Anrufung von «Spirits», die keine Entsprechung in unserer Kultur haben, unter Umständen ausgelöst werden kann, überfordert uns. Mit dieser einschneidenden Erfahrung wird man meist alleingelassen, weil die Schwitzhüttenbauer, häufig Azubis von Plastikschamanen, ebenfalls damit überfordert sind. Und es schadet den Indianern selbst: Leonard Peltier, inhaftierter Aktivist des American Indian Movement, konnte in den 80er Jahren eine Schwitzhütte für indianische Gefangene durchsetzen. Dieses religiöse Ritual wurde später wieder verweigert – weil es im Grunde ja nur «Wellness» sei. Die indigenen Völker haben nichts von der westlichen Begeisterung für ihre alten Traditionen, die mit einer gleichzeitigen Verzerrung und Kommerzialisierung einhergeht – wie es wiederum bei uns alte Tradition ist. Im Gegenteil: Die Leute tragen ihr Geld zu den Scharlatanen, die auf Themen wie aktuell die Dakota Ölpipeline aufspringen – allerdings nicht zur Unterstützung der Betroffenen, sondern zur persönlichen Bereicherung.
Es geht nicht allein darum, dass Schindluder mit dem authentischen Erbe getrieben wird, um Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen – etwa, wenn Touren mit einem Stammesältesten angeboten werden, der tatsächlich verstorben ist (was den Veranstaltern wohl entgangen war). Gravierender ist, dass einige der Plastikschamanen zu fragwürdigen Methoden greifen, um ihren «guten Ruf» zu verteidigen. Carmen Kwasny, die Vorsitzende der NAAoG, (Native American Association of Germany e.V.) wurde massiv von einem solchen attackiert, nachdem ihr Verein öffentlich darauf hingewiesen hatte, dass er Zeremonien für Geld anbietet. Das Ganze begann, als sie ihn bat, den Namen einer Webseite von ihm, der dem ihrer Organisation zum Verwechseln ähnlich war, zu ändern. Im Verlauf der weiteren Entwicklung gab die NAAoG eine Pressemitteilung aus, in der sie sich von seinen Aktivitäten distanzierte. Letztendlich ging der «marketing man» über die sozialen Medien auf sie los und bombardierte sie und die NAAoG mit aggressiven Nachrichten. Kurze Zeit später wurden verschiedene Fake-Profile angelegt, über die Kwasny verleumdet wurde, sowie falsche Profile in ihrem Namen mit pornografischen Inhalten und dem Angebot neoschamanischer Zeremonien.
Kwasny weiss: «Wenn es um Geld geht, können die Plastikschamanen sehr aggressiv auftreten. Ihre Anhänger sind beratungsresistent – die interessiert einfach nicht, was Sache ist.» Und das Totschlagargument sei dann immer: «Die Spirits haben mir gesagt, dass ich das so machen soll.» Für Kwasny ist das nichts weniger als ein massiver Übergriff. Die Mehrheit der Native Americans sei entsetzt und verärgert über diesen anmassenden Neo-Kolonialismus, auch wenn einige mit einer Mischung aus Resignation und der Überzeugung, dass sich dies auf der spirituellen Ebene regeln würde, reagieren.
Dabei sollen die individuellen Fähigkeiten der Plastikschamanen und ihr Charisma gar nicht in Frage gestellt werden. Doch es wäre an der Zeit, die Grenzen ihrer Kompetenzen wahrzunehmen. Ein Schamane ist nicht identisch mit jemandem, der lediglich mit schamanischen Elementen arbeitet. Wer ein echtes Problem hat und einem Scharlatan aufsitzt, hat verloren. Merke: Wenn der «Schamane» deines Vertrauens seinen dekorativen Schmuck vor einem Ritual nicht ablegt, obwohl Metall die Beziehung zum Universum stört, ist etwas faul in der Prärie.
Wenn diese kulturelle Aneignung allerdings dazu genutzt wird, ein selbstgestricktes, marketingfreundliches Image mit Glaubwürdigkeit zu untermauern, um Geld damit zu machen, wird die Grenze zur Scharlatanerie überschritten. Aktuell gröbstes Beispiel sind die selbsternannten «indianischen Schamanen», die sich ins Tipi der indigenen Völker Nordamerikas mogeln möchten. Die Romanautorin Kerstin Groeper hat die Nase voll von ihnen. Irgendwann hat sie aufgegeben, Lakotakurse durch einen Lakotalehrer anzubieten, «weil ich es satt hatte, wie die Sprache von Plastikschamanen missbraucht wird, um damit eine nicht vorhandene Authentizität vorzugaukeln».
Plastikschamanen: mit diesem Begriff brandmarken die indigenen Amerikaner die Ausbeuter ihres immateriellen Erbes. Merkmale dieser Spezies: völlig abgedrehte Fantasienamen, die weder grammatikalisch noch inhaltlich Sinn ergeben; eine ebenso fantasievolle Kostümierung, die bekannte Stereotype diverser Hollywoodfilme bemüht; und schliesslich die Berufung auf eine Abstammung von den indigenen Völkern, die keiner Überprüfung standhält. Der Expertin fällt auf, dass sie sich teilweise sämtliches Wissen aus Romanen angelesen und keine echte Ahnung haben – geschweige denn, dass sie in das geheime Stammeswissen eingeweiht wären, wie sie so gern behaupten. Sie bedienen schlicht eine Nachfrage: esoterisches Geschwurbel vermischt mit unserer Vorstellung der «edlen Wilden» ergibt Tausende von begeisterten Facebook-Fans und zahlenden Seminarteilnehmern. Dabei hat diese Vorstellung herzlich wenig mit der Realität zu tun: Die Indianer kennen keine Schamanen, nur Medizinmänner. Und das ist ein harter Job, der nicht mit Ruhm und Reichtum, sondern vor allem mit Verpflichtungen dem eigenen Volk gegenüber verbunden ist. «Ein echter Medizinmann verlangt kein Geld für seine Dienste», stellt Groeper richtig, die seit 27 Jahren mit native americans zusammenarbeitet. «Er würde sie auch nicht auf einer Homepage anbieten oder damit auf Europa-Tournee gehen.»
Erfrischend kreativ, wie vieles aus der indianischen Kultur kopiert und ungeniert auf die Verhältnisse der modernen westlichen Welt übertragen wird. Bestes Beispiel ist das Medizinrad, auf das sich so viele VHS-Indianer berufen. Es wurde von einem Anishinabe-Indianer namens Sunbear entwickelt, der später auf Drängen der Ältesten zugegeben und ins Vorwort seines Buches eingefügt hat, dass es sich dabei nicht um jahrhundertealtes Wissen, sondern seine eigene Vision handelt. Aber erzähl das mal einem Hobby-Hopi – und er wird dir seinen Traumfänger um die Ohren schlagen. «Was ist denn dabei, wenn uns auf diese Weise eine fremde Kultur nahegebracht wird?», mögen wohlmeinende Neoschamanen fragen. Doch der Import der New-Age-Szene schadet tatsächlich beiden Seiten. Beispiel Schwitzhütte: Was durch die Anrufung von «Spirits», die keine Entsprechung in unserer Kultur haben, unter Umständen ausgelöst werden kann, überfordert uns. Mit dieser einschneidenden Erfahrung wird man meist alleingelassen, weil die Schwitzhüttenbauer, häufig Azubis von Plastikschamanen, ebenfalls damit überfordert sind. Und es schadet den Indianern selbst: Leonard Peltier, inhaftierter Aktivist des American Indian Movement, konnte in den 80er Jahren eine Schwitzhütte für indianische Gefangene durchsetzen. Dieses religiöse Ritual wurde später wieder verweigert – weil es im Grunde ja nur «Wellness» sei. Die indigenen Völker haben nichts von der westlichen Begeisterung für ihre alten Traditionen, die mit einer gleichzeitigen Verzerrung und Kommerzialisierung einhergeht – wie es wiederum bei uns alte Tradition ist. Im Gegenteil: Die Leute tragen ihr Geld zu den Scharlatanen, die auf Themen wie aktuell die Dakota Ölpipeline aufspringen – allerdings nicht zur Unterstützung der Betroffenen, sondern zur persönlichen Bereicherung.
Es geht nicht allein darum, dass Schindluder mit dem authentischen Erbe getrieben wird, um Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen – etwa, wenn Touren mit einem Stammesältesten angeboten werden, der tatsächlich verstorben ist (was den Veranstaltern wohl entgangen war). Gravierender ist, dass einige der Plastikschamanen zu fragwürdigen Methoden greifen, um ihren «guten Ruf» zu verteidigen. Carmen Kwasny, die Vorsitzende der NAAoG, (Native American Association of Germany e.V.) wurde massiv von einem solchen attackiert, nachdem ihr Verein öffentlich darauf hingewiesen hatte, dass er Zeremonien für Geld anbietet. Das Ganze begann, als sie ihn bat, den Namen einer Webseite von ihm, der dem ihrer Organisation zum Verwechseln ähnlich war, zu ändern. Im Verlauf der weiteren Entwicklung gab die NAAoG eine Pressemitteilung aus, in der sie sich von seinen Aktivitäten distanzierte. Letztendlich ging der «marketing man» über die sozialen Medien auf sie los und bombardierte sie und die NAAoG mit aggressiven Nachrichten. Kurze Zeit später wurden verschiedene Fake-Profile angelegt, über die Kwasny verleumdet wurde, sowie falsche Profile in ihrem Namen mit pornografischen Inhalten und dem Angebot neoschamanischer Zeremonien.
Kwasny weiss: «Wenn es um Geld geht, können die Plastikschamanen sehr aggressiv auftreten. Ihre Anhänger sind beratungsresistent – die interessiert einfach nicht, was Sache ist.» Und das Totschlagargument sei dann immer: «Die Spirits haben mir gesagt, dass ich das so machen soll.» Für Kwasny ist das nichts weniger als ein massiver Übergriff. Die Mehrheit der Native Americans sei entsetzt und verärgert über diesen anmassenden Neo-Kolonialismus, auch wenn einige mit einer Mischung aus Resignation und der Überzeugung, dass sich dies auf der spirituellen Ebene regeln würde, reagieren.
Dabei sollen die individuellen Fähigkeiten der Plastikschamanen und ihr Charisma gar nicht in Frage gestellt werden. Doch es wäre an der Zeit, die Grenzen ihrer Kompetenzen wahrzunehmen. Ein Schamane ist nicht identisch mit jemandem, der lediglich mit schamanischen Elementen arbeitet. Wer ein echtes Problem hat und einem Scharlatan aufsitzt, hat verloren. Merke: Wenn der «Schamane» deines Vertrauens seinen dekorativen Schmuck vor einem Ritual nicht ablegt, obwohl Metall die Beziehung zum Universum stört, ist etwas faul in der Prärie.
28. April 2017
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