Sunnehügel: Einfachheit in Gemeinschaft

Den Tipp mit dem Sunnehügel gab ihr ein holländischer Franziskanerpater. Ihn kannte Sylvia Stam schon seit ihrer Kindheit. Auf der Suche nach einer Lebensgemeinschaft, die mehr verband als eine gemeinsame Stromrechnung und gelegentlicher Streit um den Abwasch, wandte sie sich an den alten Freund ihrer Eltern. Spiritualität und ein konkretes Projekt sollten für Sylvia ein tragfähiges Gerüst für den gemeinsamen Alltag bilden, so wie sie es in Holland kennengelernt hatte – nur eben in der Schweiz. Erst besuchte sie das ehemalige Kapuzinerkloster in Schüpfheim im Kanton Luzern als Gast. Ein längeres Gespräch mit der damaligen Leitung brachte Klarheit. In den Frühlingsferien wollte die damalige Mittelschullehrerin wiederkommen, diesmal allerdings zwei Wochen, geblieben ist sie bis heute.

Von hier aus sei es schwierig, frühere Beziehungen aufrechtzuerhalten, sagt sie, am einfachsten sei es per Brief oder Mail. Sylvias Freundinnen und Freunde wohnen in Winterthur, ihrer alten Heimat. Ein unmittelbares Interesse an ihrer neuen Lebensweise erwartet sie nicht. Wer nur sie besuchen möchte, kommt eher am Wochenende. Wer die Gemeinschaft kennen lernen will, erfährt während der Woche mehr davon. Ein Gästezimmer steht immer zur Verfügung; das nutzen auch Sylvias Eltern, die gelegentlich zu Besuch kommen. «Am Anfang wussten sie noch nicht, wie nahe sie sich auf die Gemeinschaft einlassen sollten», erinnert sich Sylvia. Inzwischen ist klar: Am besten wie auf eine Familie.
Um 6.30 Uhr steht Sylvia auf. Wenn sie kein Frühstück machen muss, verbringt sie für sich eine halbe Stunde in Stille, um 7.30 Uhr kommt die übrige Kerngemeinschaft zum Gebet hinzu. Anschliessend frühstücken sie gemeinsam mit den Gästen. Die Gäste, manchmal bis zu acht Personen, befinden sich oft in Krisensituationen und suchen auf dem Sunnehügel nach einer Neuorientierung.

«Wir wollen begleiten, nicht betreuen oder gar heilen», sagt Sylvia Stam, die Gespräche bewegten sich im Rahmen der Seelsorge. Sie selbst gibt extern Kurse in der spirituellen Erwachsenenbildung. Als Germanistin und Philosophin hat sie – wie könnte es anders sein – ein Faible für Bücher. «Von meinen sechs Büchergestellen habe ich jetzt noch zwei in meiner Wohnung», sagt Sylvia. Der Rest lagert auf einem Estrich in der Ostschweiz. Früher hörte sie in der Küche gerne Radio. «Echo der Zeit» und andere Wortsendungen. Das ist nun nur noch beschränkt möglich, Gebetszeiten und gemeinsames Nachtessen gehen vor. Dem Verzicht steht aber ein wertvolles «Mehr» gegenüber: Mehr Gemeinschaft, mehr Spiritualität, mehr Konzentration auf das Wesentliche. «Alleine hätte ich das nie und nimmer gekonnt», zieht sie Bilanz, «ich hätte mich verzettelt mit meinem Bedürfnis nach Wissen, Unterhaltung und Ablenkung.» Stattdessen hat Sylvia nun Menschen um sich, die ihre Spiritualität leben – genau so, wie sie sich das gewünscht hat. In der oekumenischen Gemeinschaft leben sie nach franziskanischen Idealen. Dazu gehört nebst einem einfachen Lebensstil auch der achtsame Umgang mit der Natur. Ein Auto gibt es nicht. Jeden Tag geht jemand mit dem Handwagen zum Einkaufen, in die Metzgerei, die Bäckerei und in den Dorfladen – gelebte Regionalität. Der Rest kommt aus dem Garten. Ihren Lohn verdient die Kerngemeinschaft – nach Kapuziner-Tradition – ausserhalb, für die Arbeit im Kloster gibt es Kost und Logis. «Wenn man in einer Gemeinschaft lebt, muss man bereit sein, sich aufeinander einzulassen und an sich zu arbeiten», sagt Sylvia.

Wie lange es so weitergeht, ist für Sylvia offen. Sie empfindet ihr Leben im Sunnehügel im Moment als stimmig. Ein Leben in der Stadt kann sie sich durchaus wieder vorstellen. Dort sein, wo Kultur und Vielfalt sind. Aber eben auch ein Überangebot. Sylvia wirkt reflektiert, nie versucht sie während des Gesprächs ihre Persönlichkeit glatt zu bügeln; schmunzelt über ihre kleinen Schwächen. Sie sagt nicht «man», wenn sie «ich» meint und redet über sich selbst wie über eine gute Freundin, der sie alles sagen kann und deren Kritik sie im Gegenzug nicht persönlich nimmt. Wenn es der Sunnehügel ist, der ihr diese Gelassenheit geschenkt hat, hat sich Sylvias Suche jetzt schon gelohnt. Jene, bei denen sie dereinst ihre Kochtöpfe auf den Herd stellt, können sich glücklich schätzen, dass für sie «Gemeinschaft ein Thema bleiben wird.»
 

Sunnehügel - Haus der Gastfreundschaft, Kapuzinerweg 1, 6170 Schüpfheim, Tel. 041 485 71 20.  www.sunnehuegel.org

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11. März 2011
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