nach(der)bar

Sogenannte «Wildpinkler» suchen nachts gerne Hinterhöfe auf, um etwas ungestört zu verrichten, was sie auf offener Strasse beschämen würde. Aber sind sie dort wirklich ganz allein? Meistens nicht, wie Delegierte der Stadt Zürich erkannten. Gegenstand des Anstosses ist das Zürcher Vergnügungsviertel «Langstrasse»: Im Rahmen von zwei runden Tischen werden derzeit «Massnahmen erarbeitet», «um die angespannte Lage zu verbessern.» Auf Deutsch: Anwohner sollen künftig wieder mit offenem Fenster und guter Luft schlafen können. Auch weniger Lärm und Verschmutzung wären lässig. Doch das geht nur mittels «Bewusstseinserweiterung» auf beiden Seiten: Zum Beispiel wenn der nächtliche Verkauf lärmlastiger Glasflaschen eingedämmt werden soll, aber die Einsicht fehlt: «Die BetreiberInnen der 24-Stunden-Shops haben sich nicht als Teil eines zusammenhängenden Problems verstanden», philosophiert die Delegierte Alexandra Heeb über ein uraltes soziologisches Problem. Es ist uns aus der globalen Weltpolitik ebenso bekannt wie aus den Innenhöfen Zürichs. Damit nichts eskaliert, sollen Trinksprüche wie «Nach der Bar wirst du zum Nachbar» für den Hegelschen «Anderen» sensibilisieren. «Wirttelefone» sollen Nachbarn und Bars direkt miteinander verbinden. Ein blinkendes Lämpchen am Telefon kündet neuerdings vom schlaflosen Nachbarn – der zwar nicht auf der Party, aber mit von der Partie ist – und wahrgenommen werden will.

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25. Oktober 2016
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