«Paypal gibt sich das Recht, Kunden die Konten zu plündern und zu zensieren»

Norbert Häring hat sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des US-Konzerns genauer angeschaut
Veröffentlicht: 2. Nov 2022 - Zuletzt Aktualisiert: 2. Nov 2022

Norbert Häring zählt zu den profiliertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands. Jetzt hat er die Zensurmechanismen bei Paypal analysiert, das Ergebnis ist beängstigend: Die in Europa geltenden Rechtsvorschriften bleiben vollkommen aussen vor, wer für Paypal unliebsame Inhalte verbreitet, verliert mindestens 2500 US Dollar — oder alles. Das Gebaren erfolgt offenbar auf politischen Druck. Wir bringen exklusive Ausüge der Analyse.

«Man darf davon ausgehen, dass Paypal nicht von sich aus den dringenden Wunsch entwickelt hat, die öffentlichen Äußerungen seiner Kunden zu zensieren. Paypals aktuelle Aktionen zur 'Bekämpfung von Desinformation' reichen von Kontensperrungen für Publizisten, Publikationen und Organisationen wie Boris Reitschuster, Daily Secptic und Free Speech Union bis hin zu der wieder zurückgenommenen Androhung der 2.500-Dollar-Strafe für unbotmäßiges Publizieren. Sie dürften ziemlich sicher auf den Druck der EU und von Regierungen wie der amerikanischen zurückgehen, die daran arbeiten, das privatisierte Zensurregime auszuweiten und wasserdicht zu machen, indem allen unerwünschten Publikationen und Publizisten der Geldhahn zugedreht wird.

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Da Paypal und Co. aufgrund ihrer vielfältigen Verstöße gegen europäisches Recht, zum Beispiel das Datenschutzrecht oder das Eigentumsrecht (Kontenplünderungen), auf das wohlwollende Wegschauen der Behörden angewiesen sind, wehren sie sich nicht entschlossen gegen das geschäftsschädigende Ansinnen, Teil der Zensurmaschine zu werden. Nur wenn die Kundenreaktionen zu heftig werden, wie jüngst, macht man einen Rückzieher. Mit Sicherheit laufen schon die Gespräche zwischen Kommission und Paypal im Hintergrund, wie man das angestrebte Ergebnis weniger aufsehenerregend trotzdem erzielen kann.

Spannend wird, wie die Kunden damit umgehen. Zwar ist die Marktmacht von Paypal sehr groß, es gibt aber doch Alternativen. Ich habe meinen Vertrag mit Paypal schon 2015 gekündigt, als das Unternehmen auf rechtlich sehr fragwürdige Weise neue Geschäftsbedingungen für gültig erklärte, die ihm ein umfassendes Recht einräumten, detaillierte Identitäts- und Finanzdaten der Kunden an eine Vielzahl von Unternehmen in der ganzen Welt weiterzugeben und zu verkaufen.

Der Chef von Paypal, Dan Schulman, ist übrigens Mitglied des Lenkungsausschusses des Rats für Inklusiven Kapitalismus beim Vatikan, der angeblich dafür sorgen will, dass ein geläutertes Wirtschaftssystem allen zugute kommt. In seinem Profil dort heißt es, dass er daran arbeitet 'Finanzdienstleistungen und Onlinehandel zu demokratisieren, um die finanzielle Gesundheit von Milliarden Menschen, Familien und Unternehmen auf der ganzen Welt zu verbessern'.»

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