Munich Security Report: Der Globale Süden beginnt, sich westlicher Kontrolle zu entziehen

Die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz plädieren für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Globalen Südens
Veröffentlicht: 19. Feb 2023 - Zuletzt Aktualisiert: 19. Feb 2023

Wie es im Munich Security Report heisst, eine Art Kongressbegleitheft der Münchner Sicherheitskonferenz, müsse man sich endlich der Tatsache stellen, dass immer noch kein einziges Land Afrikas und Lateinamerikas – sowie kaum ein Land Asiens – die westliche Sanktionspolitik gegen Russland unterstütze. Wolle man ernste Rückschläge im globalen Machtkampf gegen Russland und China langfristig vermeiden, müsse man wenigstens einige der Länder im Globalen Süden zurückgewinnen.
Die Autoren zitieren zustimmend einen Artikel aus der britischen Zeitschrift New Statesman, in dem es schon im vergangenen Jahr hieß, ein russischer Sieg in der Ukraine wäre «ein mächtiges Symbol einer neuen, nachwestlichen Ära» – ein Symbol «des Zusammenbruchs der alten Ordnung». Daraus leitet sich die Forderung ab, Russland dürfe den Ukraine-Krieg nicht gewinnen, es solle ihn am besten sogar verlieren. In diesem Sinn widmet sich die Münchner Sicherheitskonferenz dem Schwerpunkt Ukraine-Krieg.

Besonderes Gewicht messen die Autoren des Munich Security Report dem Globalen Süden bei. Die Motive dafür sind nicht etwa Armut sowie schwierige Lebensverhältnisse in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, sondern die Tatsache, dass die Staaten des Globalen Südens zwar mehrheitlich den russischen Überfall auf die Ukraine als einen Bruch des internationalen Rechts kritisieren, sich aber nicht am Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland oder gar an der Hochrüstung der Ukraine beteiligen.

Hiess es bisher in öffentlichen Stellungnahmen aus Politik und Denkfabriken wie auch im medialen Echo stets nebulös, eine höchst diffuse «internationale Gemeinschaft» bestrafe Moskau für den Krieg mit Sanktionen, so stellt der Munich Security Report erstmals in dieser Offenheit fest: «Kein einziger Staat Afrikas oder Lateinamerikas ist Teil der lockeren Koalition, die Sanktionen gegen Russland verhängt hat.» Auch in Asien beteiligen sich nur drei Staaten plus die chinesische Insel Taiwan an der Sanktionspolitik – und damit am Bestreben, die alte, vom Westen dominierte Weltordnung zu stabilisieren.

Der Munich Security Report räumt ein, die «vom Westen geführte Ordnung» sei für viele Staaten im Süden durch «postkoloniale Dominanz, doppelte Standards und Vernachlässigung der Anliegen von Entwicklungsländern» charakterisiert. «In weiten Teilen der Welt» gebe es daher Sympathien für eine multipolare, «nachwestliche» Weltordnung.

Die Autoren des Munich Security Report plädieren dafür, diese Tatsache nicht mehr – wie bisher – weitgehend zu tabuisieren, sondern sich ihr zu stellen und um den Globalen Süden zu werben.