Ukrainer wollen nicht mehr an der Front verheizt werden

... und wie ihr Staatsoberhaupt gegen sie vorgeht, schreibt Roland Bathon
Veröffentlicht: 27. Nov 2023 - Zuletzt Aktualisiert: 27. Nov 2023

Selenskyj will härter gegen Bürger vorgehen, die sich dem Kriegsdienst gegen Russland entziehen. Hohe Verluste im Kampf müssen ausgeglichen werden. Was die Ukraine gegen Unwillige unternimmt.

US-amerikanische Schätzungen gehen davon aus, dass rund 70.000 Ukrainer im Krieg gegen Russland bisher gefallen sind. Der neuste, von Selenskyj selbst bestätigte Bericht spricht von knapp 62.000.

Gingen zu Beginn des Krieges noch viele ukrainische Soldaten voller Begeisterung in den Abwehrkampf gegen die russische Invasion, hat sich dieses Bild inzwischen geändert und selbst äußerst Ukraine-patriotische deutsche Medien sprechen von einer zunehmenden Kriegsmüdigkeit.

Dieser Umstand und die zahlreichen Gefallenen oder schwer Verwundeten im privaten Umfeld vieler Ukrainer führen dazu, dass immer mehr ukrainische Männer nicht kämpfen wollen. Selbst führende Kiewer Militärs geben das zu, wie der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Walerij Saluschnyi in der US-Zeitschrift The Economist.

Er sieht auch die zunehmend begrenzten Möglichkeiten, Fronttruppen mit frischen Einheiten auszuwechseln als Motivationshemmschuh. Daran ändert auch der Kampf mit moderner westlicher Ausrüstung nichts, wenn sie von abgekämpften Einheiten dauerhaft bedient werden müssen.

Druck auf ins Ausland geflohene Ukrainer

Da die Ukraine von der Bevölkerungsgröße nur ein Drittel des Potenzials an rekrutierbaren Frontkämpfern wie der Kriegsgegner besitzt, gibt es immer mehr radikale Maßnahmen, um die Gefallenen im Kampfgebiet zu ersetzen. So wollte Präsident Selenskyj im September männliche Kriegsflüchtlinge, die sich im Ausland aufhalten, durch Auslieferungsverfahren wieder in die Ukraine verbringen lassen. Ein Problem dabei ist, dass nach dem Europäischen Auslieferungsabkommen Militärstrafvergehen ausgenommen sind.

Jedoch können ukrainische Konsulate Druck aufbauen, wenn sich etwa Kriegsflüchtlinge neue Ausweispapiere beschaffen wollen. Ohne diese ist wiederum die Aufrechterhaltung der aktuellen Aufenthaltsberechtigung nicht möglich. Die Vereinigung Connection e.V. ("Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure") hält es zudem für möglich, dass Polen oder andere Länder ukrainische Staatsbürger zur Ausreise nötigen.


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