Der unaufhaltsame Aufstieg der Bewegung Sahra Wagenknecht
Keine andere Parteigründung hat bundespolitisch mehr Aufsehen erregt, als jene der Bewegung Sahra Wagenknecht (BWS) im Januar 2024. Selbst die Anfänge der AfD verliefen eher schleichend. Die Bewegung Sahra Wagenknecht jedoch kam mit einem Paukenschlag daher, und könnte zum politischen Machtfaktor avancieren.
Der 8. Januar 2024 wird in die Parteiengeschichte der Bundesrepublik eingehen. Um genau 13.35 Uhr erhielt ein zuvor sorgsam ausgewählter Kreis von rund 400 Personen eine vorab angekündigte E-Mail, deren Text Medien wie Telepolis und der Berliner Zeitung vorab vorlag.
In dieser Mail finde sich «unten dein Aufnahmeantrag in unsere neue Partei», hiess es in den Schreiben. Wer dem Angebot nachkommen wolle, solle im Antwortfenster seine persönlichen Daten und die Höhe des Mitgliedsbeitrags eintragen.
Man beantrage damit die Aufnahme in die Partei «Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit» und erkläre, «dass ich keiner anderen Partei oder anderen politischen, mit der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BWS) – Vernunft und Gerechtigkeit konkurrierenden Gruppierung oder deren parlamentarischen Vertretung in Bundes- oder Landtag angehöre».
Die Email offenbarte freilich zwei wichtige Details. Einerseits überliess die ehemalige Gallionsfigur der Linken nichts dem Zufall, sondern setzte auf totale Kontrolle. Andererseits machte Wagenknecht auch deutlich, dass die BWS eine klare Linie verfolgt – ihre. Und die lässt sich in einem Satz zusammenfassen:
Strikte Begrenzung der Migration – was der AfD den nimmt aus den Segeln nehmen soll – und Festhalten am Sozialstaat. Letzteres dürfte Wähler der Linken ansprechen.
Doch was Wagenknecht öffentlich sagt, lässt sich nicht auf den ersten Blick auf der Webseite der Partei finden. Wer beispielsweise die Suchmaske der offiziellen BSW-Seite mit dem Begriff «Migration» konfrontiert, findet nichts. All das, was Wagenknecht in Talkshows und Videos postuliert und fordert, jene Positionen also, die man der AfD zugesteht, sind bei der Wagenknecht-Partei BSW auch im Parteiprogramm präsent. Der Web-Auftritt vermittelt jedoch einen anderen, sanfteren Eindruck.
Auf diese Weise wissen Wähler des rechten Spektrums, dass Wagenknecht die Migration begrenzen will. Sie zu wählen, fällt demnach gerade AfD-Protestwählerinnen und -wählern leicht. Ihre Parteiseite wirkt jedoch auch für Anhänger der Linken attraktiv. Denn die vier prominent platzierten Hauptthemen sind: «Wirtschaftliche Vernunft, Soziale Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit». Slogans, die als solche einzeln auch bei der SPD, FDP, CDU und den Grünen zu finden sind. Und bei den Linken, ohnehin. Wagenknecht angelt sich demnach alle Wähler. Indem sie öffentlich Dinge sagt, die Ihre Partei jedoch öffentlich zu vermeiden weiss.
Diese brillante Vernebelungstaktik jedenfalls geht auf.
Neue Sonntagstrends des Forschungsinstitutes Insa im Auftrag von BILD deuten laut Focus an, «dass in Thüringen und Brandenburg keine Regierung ohne Beteiligung der AfD oder des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) möglich sein könnte».
So stellte Focus am Mittwoch dieser Woche fest:
«Laut der Umfrage in Thüringen, bei der 1000 Menschen befragt wurden, würden 17 Prozent das BSW wählen, wenn am Sonntag Landtagswahl wäre. Das wären die meisten Stimmen nach der AfD (31 Prozent) und der CDU (20 Prozent). Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow käme auf 15 Prozent, SPD (6 Prozent) und Grüne (5 Prozent) würden es gerade so in den Landtag schaffen. Die FDP würde mit drei Prozent den Wiedereinzug verpassen».
Ähnlich desolat sieht es für die Altparteien in Brandenburg aus. Hier belegt die BSW mit 13 Prozent Platz vier hinter der AfD (28 Prozent), der CDU (18 Prozent) und der SPD (17 Prozent). Zudem würden noch Grüne (8 Prozent) und Linke (6 Prozent) den Einzug in den Landtag schaffen. Freie Wähler (4 Prozent) und FDP (3 Prozent) wären nicht vertreten.
Bundesweit, so jedenfalls der Stand von heute, käme Wagenknechts BSW auf satte 14 Prozent.
Der Zustrom von Wählern von anderen Parteien zur BSW jedenfalls ist beachtlich, wie die abgebildete Grafik von Statista eindrucksvoll belegt.
Demnach würden 52 Prozent der Linken bei den kommenden Bundestagswahlen ihre Stimme für Wagenknecht abgeben. Das verwundert nicht. Geradezu spektakulär ist jedoch das abgefragte Wahlverhalten der heutigen AfD-Wähler: 36 Prozent könnten 2025 zum BSW wechseln. Die ohnehin arg gebeutelte SPD verlöre 15 Prozent an die ostdeutsche Powerfrau. Und Wagenknecht würde sogar die CDU im wahrsten Sinne des Wortes dezimieren – 10 Prozent gaben an, zur bei den kommenden Bundestagswahlen zur BSW abzuwandern.
Damit unterscheidet sich die BSW auch von anderen Neulingen der Parteienlandschaft, die einst medial kurz in Rampenlicht standen, über die heute aber niemand mehr spricht: Piratenpartei und Die Basis sind zur Bedeutungslosigkeit degradiert worden. Mitunter auch, weil sie eben keine politische, programmatische Gallionsfigur zu bieten hatten.
Für Wagenknechts Partei gilt das nicht, wie Statista resümiert: Im Rahmen einer Umfrage aus dem Januar 2024 konnten sich 21 Prozent der befragten Wahlberechtigten vorstellen, die Partei bei der nächsten Bundestagswahl zu wählen.
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