Bio-Schuh wächst aus Bakterien

Mit neuem Prozessdenken und innovativen Technologien will ein Linzer Forschungsteam aus den Bereichen Fashion and Technology, Creative Robotics und Biomechatronik die Wende zu einer nachhaltigen Modeindustrie anstossen.
Veröffentlicht: 5. Feb 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 5. Feb 2024

Anstatt Textilien und zweidimensionale Schnitte sowie den herkömmlichen Herstellungsprozess zu optimieren, sollten 3D-Prozesse und neue Materialien für die Modeindustrie geschaffen werden. „Wir wollten damit eine neue Herangehensweise zeigen und vom alten Denken ,Ich brauche ein Textil, einen Schnitt und eine Nähmaschine‘ wegkommen“, erklärt Projektleiterin Luible-Bär. In einem ersten Schritt startete das Team mit Robotern, die mittels 3D-Druck ein Kleidungsstück erzeugten. Ebenso entwickelte man Roboterarme, die dreidimensional zuschneiden oder nähen können.

Das künstlerisch-wissenschaftliche Projekt Fashion and Robotics denkt die Prozesse in der Modeindustrie neu: Bio-Stoffe aus Nährlösung, Roboter, die Kleidung reparieren und KI für Fabriken. Das sind die visionären Lösungen für eine nachhaltige Modeindustrie.

 

Löcher stopfen neu gedacht

 

Doch im Lauf des fast vier Jahre dauernden Projekts gewann die Diskussion über nachhaltige Mode an Bedeutung und das interdisziplinäre Team suchte nach revolutionäreren Ansätzen. So entwickelte man Electro-Spinning für Reparaturen als Ersatz für das klassische „Stopfen“; Braumann erklärt das so: „In einem Hochspannungsfeld wird von einem Roboterarm ein Polymer auf die zerrissene Stelle eines Kleidungsstücks gesprüht, dieses bildet Nanofasern und die verbinden sich mit dem Textil.“ Das Projektteam stellte die Anwendung bei der Ars Electronica 2023 in Linz und auf der Automatica in München vor.

 

Mit dieser Automatisierung sollen Reparaturkosten auf etwa zwei Euro sinken, wodurch erreicht werden soll, dass auch Reparieren leistbar und wieder interessant wird. Derzeit ist es oft billiger, sich ein neues Kleid oder eine neue Hose zu kaufen. Auch aus Sicht der Logistik entstehen weitere Vorteile, betont Braumann: „Einerseits ist die Robotik ja in großen Fabriken einsetzbar und Stückzahlen von Hunderttausenden bewirken viel in puncto Nachhaltigkeit. Andererseits funktioniert so ein Roboterarm, der verschiedene Funktionen und Werkzeuge hat, auch in urbanen Räumen als Micro-Factory.“

 

Diese Möglichkeit wiederum führt vom 3D-Repair zum 3D-Redesign: Wenn jemand seine fünf Jahre alte Hose in einer Änderungsschneiderei reparieren lässt, so können Designer:innen in Zusammenarbeit mit dem Roboter Designvorschläge machen, um die Hose einem aktuell modischen Schnitt anzupassen. So würde Bekleidung länger getragen werden. Außerdem würden sich Berufsbilder weiterentwickeln. Etwas, was Christiane Luible-Bär durchaus unterstützt, da sie als Lehrende an der Kunstuniversität Linz ihren Studierenden auch neue Perspektiven mitgeben möchte.

 

Konferenzbeiträge

Tepe J., Gollob E., Escudero J., Bastani A.: Intra-Acting Body and Textile Expressions Becoming with Digital Movement Translation: Exploring relational expressions of the body and textiles using a human-robot-textile installation, in: In Extended Abstracts of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI EA ’23). Association for Computing Machinery, NY, USA 2023

Eichinger M., Gollob E., Escudero J., Weichselbaumer et al.: Growing Whole Bacterial Cellulose Garments with Membranes and Industrial Robotics. GFC Global Fashion Conference 2022

Braumann J., Gollob E., Singline K.: Visual Programming for Interactive Robotic Fabrication Processes. Proceedings of the 40th Conference on Education and Research in Computer Aided Architectural Design 2022

Braumann J., Gollob E., Bastan A.: Towards AR for Large-Scale Robotics. 2022 IEEE Conference on Virtual Reality and 3D User Interfaces Abstracts and Workshops (VRW) 2022