«Lassen Sie Israels Führer wegen Kriegsverbrechen verhaften!»

Gideon Levy in einem aktuellen Artikel in Haaretz: Alle anständigen Israelis müssen sich die folgenden Fragen stellen: Begeht ihr Land Kriegsverbrechen in Gaza? Wenn ja, wie sollten sie gestoppt werden? 
Veröffentlicht: 7. May 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 7. May 2024

Der Mitherausgeber der renommiertne Zeitschrift Haaretz fragt weiter: «Wer kann sie bestrafen? Ist es vernünftig, dass Verbrechen nicht strafrechtlich verfolgt werden und Kriminelle freigesprochen werden?»

Wenn man die erste Frage verneint – «Israel begeht in Gaza keine Kriegsverbrechen» – würden natürlich die restlichen Fragen überflüssig. Doch das sei angesichts der Fakten in Gaza schwer möglich. Er zählt auf:

  • Nach Angaben der israelischen Streitkräfte wurden etwa 35.000 Menschen getötet und weitere 10.000 vermisst, etwa zwei Drittel davon unschuldige Zivilisten.
  • Unter den Toten sind rund 13.000 Kinder, fast 400 medizinisches Personal und mehr als 200 Journalisten; 70 Prozent der Häuser wurden zerstört oder beschädigt;
  • 30 Prozent der Kinder leiden an akuter Mangelernährung;
  • Zwei von 10.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger und Krankheiten. (Alle Zahlen stammen von den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen.)

Levy fragt weiter: Ist es möglich, dass diese schrecklichen Zahlen entstanden sind, ohne dass Kriegsverbrechen begangen wurden?

Er sagt, es gebe Kriege, deren Ursache gerecht und deren Mittel kriminell sind. Aber die Gerechtigkeit des Krieges rechtfertigt seine Verbrechen nicht. «Tötung und Zerstörung, Hungersnot und Vertreibung in diesem Ausmaß wären ohne die Begehung von Kriegsverbrechen nicht möglich gewesen. Jeder Einzelne trägt die Verantwortung dafür und muss vor Gericht gestellt werden.»

Die öffentliche Diplomatie Israels versuche auch gar nicht, die Realität in Gaza zu leugnen. Es werde nur die Behauptung des Antisemitismus aufgestellt: Warum, so fragten sie, wird immer auf uns herumgehackt? Was ist mit den Kriegen in Sudan und Jemen?

Doch diese Logik greife nicht: Kein Fahrer, der wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten wird, komme mit dem Argument davon, dass er nicht der Einzige sei. Levy:

«Das menschliche Gerechtigkeitsempfinden möchte, dass Kriminelle vor Gericht gestellt und daran gehindert werden, in Zukunft Verbrechen zu begehen. Nach dieser Logik können wir nur hoffen, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Aufgabe erfüllen wird. (…) Das Töten und die Zerstörung in Gaza haben Israel überfordert. Es ist die schlimmste Katastrophe, die der Staat je erlebt hat. Jemand hat es dorthin geführt – nein, nicht der Antisemitismus, sondern seine Anführer und Militäroffiziere. Ohne sie hätte sich das Land nach dem 7. Oktober nicht so schnell von einem geschätzten Land, das Mitgefühl hervorrief, in einen Paria-Staat verwandelt. Dafür muss sich jemand vor Gericht verantworten. So wie viele Israelis wollen, dass Benjamin Netanyahu für die ihm vorgeworfene Korruption bestraft wird, so sollten sie sich auch wünschen, dass er und die ihm unterstellten Täter für viel schwerwiegendere Verbrechen bestraft werden, die Verbrechen von Gaza.»

Man könne auch nicht nur die Hamas dafür verantwortlich machen, selbst wenn sie an den Verbrechen beteiligt ist.

Das Bild, wie Netanyahu zusammen mit dem Verteidigungsminister und dem IDF-Stabschef in Den Haag inhaftiert würde, sei für jeden Israeli ein Albtraum. Doch es sei wahrscheinlich gerechtfertigt. Auch wenn es höchst unwahrscheinlich ist, dass es so kommt angesichts des Drucks von Israel und den Vereinigten Staaten auf das Gericht.


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