Schwere Mängel bei der ärztlichen Betreuung von deutschen Long-Covid-Patienten

Brauchen Ärzte eine Long-Covid-Fortbildung?
Veröffentlicht: 8. Aug 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 8. Aug 2024

Die Techniker Krankenkasse (TK) und die Deutsche Gesellschaft für Patientensicherheit (DGPS) haben erhoben, wie gut Ärzte Long-Covid-Patienten therapieren und betreuen. Die F.A.Z. zeigt exklusiv auf, wie groß die Mängel sind. Die Versorgung von Long-Covid-Patienten weist demnach aus Sicht der Betroffenen schwere Mängel auf. Kompetente Ärzte fehlten, und die Corona-Langzeitfolgen würden oftmals «nicht oder falsch behandelt», heißt es in der Studie. Es gebe sogar «Hinweise auf eine systematische Stigmatisierung und Diskriminierung Betroffener». In der Studie konnten Long-Covid-Patienten sowie Angehörige zwischen Juni und Dezember 2023 über ihre Erfahrungen berichten, online oder am Telefon.

Das Bundesgesundheitsministerium förderte das Projekt mit 285.000 Euro. Mehr als 1200 Meldungen gingen in die Auswertung ein. In knapp zwei Drittel der Fälle lag eine Long-Covid-Diagnose vor. Die von der Hochschule Fresenius im südhessischen Idstein und den Verbundpartnern erstellte Analyse stützt sich schliesslich auf 264 «inhaltlich repräsentative» Berichte. In 87 Prozent der ausgewählten Fälle an gaben die Patienten an, «im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bislang nicht, unzureichend oder falsch behandelt worden zu sein». Jeder Dritte (32 Prozent) habe sich bereits auf eigene Kosten in Privatbehandlung begeben. In 85 Prozent der ausgewerteten Fälle beklagten Patienten, dass ihre Ansprechpersonen im Gesundheitssystem über keine oder fehlerhafte Informationen zu Long Covid verfügten. Vier von fünf Befragten fühlten sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen. 

Allein in Deutschland leiden mehrere hunderttausend Menschen an den vielfältigen Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Zwar sind die genauen Ursachen von Long Covid bisher ungeklärt, doch die Rolle organischer Mechanismen ist medizinisch mittlerweile breit anerkannt. Nichtsdestotrotz würden Ärzte unklare Befunde schnell als psychische Störung klassifizieren, heisst es in der Studie. Nach den Angaben einer darin zitierten Patientin habe ihr ein Arzt gesagt, er würde «auch gern mal monatelang im Bett liegen». An der Universität Leipzig ist die Stigmatisierung von Menschen mit postinfektiösen Symptomen bereits Gegenstand eigener Forschung. «Wir müssen davon ausgehen, dass Long-Covid-Erkrankten Leistungen vorenthalten werden, weil man ihnen ihre Beschwerden nicht glaubt», sagt Georg Schomerus, Direktor der dortigen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

Das Bundesgesundheitsministerium wollte sich zu den Befunden noch nicht äussern. Der Abschlussbericht befinde sich derzeit «in der Auswertung», sagte eine Sprecherin von Minister Karl Lauterbach (SPD) auf Anfrage. Der Impfstatus der Long-Covid-Erkrankten wird im F.A.Z.-Artikel nicht erwähnt. 


Lesen Sie im Zeitpunkt auch:

Anzeige gegen das Schweizer Fernsehen wegen «Schreckung der Bevölkerung»