Elon Musk: Kampf um die Meinungsfreiheit in Brasilien 

Der Richter am Obersten Bundesgericht hat entschieden, die Plattform X in Brasilien zu sperren
Veröffentlicht: 3. Sep 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 3. Sep 2024

Am Freitag hat Alexandre de Moraes, geboren 1968 in São Paulo, seit 2017 Richter am Obersten Bundesgericht in Brasilia, entschieden, dass die Mikroblogging-Plattform X in Brasilien zu sperren sei. Der nationalen Agentur für Telekommunikation (Anatel) liess er 24 Stunden, um die Sperre durchzuführen, von der 20 Millionen Nutzer betroffen wären. Brasilien ist der viertgrösste Markt für X (ehemals Twitter) weltweit. Zugleich wurden die brasilianischen Bankkonten von Musks Satelliten-Internetdienst Starlink auf Beschluss von Moraes hin eingefroren. Musk teilte mit, dass Space X (zu dem Starlink gehört) und X «zwei völlig unterschiedliche Unternehmen mit unterschiedlichen Aktionären» seien und verwahrte sich auch gegen diese Massnahme.

Das zweite Mal innerhalb einer Woche geht damit ein Justizsystem in massiver Weise gegen ein digitales Medium vor. Erst vor einer Woche war Pawel Durow, der Mitgründer von Telegram, in Frankreich festgenommen worden. US-Journalist Glenn Greenwald berichtet, dass Moraes von Musk verlangt habe, die X-Profile brasilianischer Senatoren und Abgeordneter zu sperren. Es soll dabei um hunderte Profile gehen. Als Musk sich weigerte, habe Moraes mit der Verhaftung von Mitarbeitern gedroht. Die von Moraes verhängte Geldstrafe zahlte Musk nicht. Mitte August zog Elon Musk alle Mitarbeiter aus Brasilien ab und schloss die X-Büros in dem Land. Musk wirft dem Richter vor, konservative Stimmen auf X zensieren zu wollen.

Moraes selbst ist nicht unumstritten: Politiker und Privatleute werfen ihm Vetternwirtschaft, politische Einmischung, Machtmissbrauch, sogar die Errichtung einer «konstitutionellen Diktatur» vor. Eigentlich wollte Moraes auch die Nutzung von VPN (Virtual Private Network) unter Strafe stellen, durch die eine solche Sperre umgangen werden kann. Selbst die New York Times fand das Vorgehen «vollkommen unüblich». 50.000 Reais (etwa 8000 Euro) pro Tag sollte die Strafe sein. Doch diese Anordnung musste Moraes zurückziehen, genauso die Anweisung an Google und Apple, die X-App binnen fünf Tagen aus ihren App-Stores zu entfernen, wurde zurückgenommen, um «anderen Unternehmen … Unannehmlichkeiten“ zu ersparen. Laut seiner Urteilsbegründung befürchtet Moraes eine Instrumentalisierung der Plattform X durch «extremistische Gruppen und digitale Milizen», die „«massiv» zur «Verbreitung von nazistischen, rassistischen, faschistischen, hasserfüllten und antidemokratischen Inhalten» beitragen könnten, auch im Vorfeld der Kommunalwahlen von 2024. 

Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva, der 2017 wegen Geldwäsche und Korruption zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, forderte Musk auf, die Entscheidungen des Gerichts zu akzeptieren. Musk hatte X einst mit dem Ziel übernommen, die Plattform zu einem Hort der unumschränkten Meinungsfreiheit zu machen, mit Ausnahme gesetzeswidriger Inhalte, die man auch nicht auf X zulasse. Zudem sei X derzeit die beliebteste Nachrichtenquelle in Brasilien, noch vor den großen Zeitungen. Das «unterdrückerische Regime in Brasilien» habe Angst davor, dass die Wahrheit bekannt werde. Musk kündigte an, die «lange Liste der Verbrechen» von Richter Alexandre de Moraes zu veröffentlichen. Moraes sei «ein Diktator und ein Betrüger, kein Richter». 


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