Die Bundesregierung bekennt sich zwar vordergründig zum Bargeld, betreibt aber hinten herum seine Abschaffung, schreibt Hakon von Holst auf Geld und mehr. Bei einkommensschwachen Menschen ist Bargeld überdurchschnittlich beliebt, verleiht Kontrolle über die eigenen Ausgaben und ist das einzige staatliche Zahlungsmittel für jedermann – kostenlos. Und nicht zuletzt bleiben Menschen dank Banknoten und Münzen handlungsfähig bei Pfändungen und manchmal auch bei politischer Verfolgung. Doch damit könnte es schnell vorbei sein. Die Wirtschaft geht dazu über, Bargeld abzulehnen.
In Leipzig werden neue Automaten in Bus und Bahn installiert: Barzahlung unmöglich. »Wir gehen von einer vollständigen Umsetzung im Jahr 2025 aus«, schreiben die Leipziger Verkehrsbetriebe auf Anfrage. Ähnliches tönt aus Rostock, erhalten bleiben die stationären Automaten. Die gibt es an grob 50 von 569 Haltestellen. Wer bar bezahlen will, muss das in Zukunft dort tun und sich provisorisch mit Fahrscheinen eindecken. In Hamburgs Bussen ist die Barzahlung seit dem 1. Januar 2024 ausgeschlossen. Letzter Ausweg für Menschen ohne Bankkonto: eine anonyme Guthabenkarte. Die kann am Automaten mit Bargeld aufgetankt werden. »Die Bundesregierung misst der generellen Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Bargeld grosse Bedeutung bei und bekennt sich zum Fortbestand des Bargeldes als gesetzlichem Zahlungsmittel.« Das Bundesverkehrsministerium hat die Einführung all dieser Umstellungen bei Kauf von Fahrscheinen in Hamburg und im Osten gefördert.
Die Verkehrsbetriebe Hamburg wollen den »Absatz von papierlosen Tickets« fördern, schreibt der HVV auf Anfrage. Die Guthabenkarte vom HVV in Hamburg ist zugleich ein elektronischer Fahrschein im Chipkartenformat. Gibt es also auch für deren Nutzer sieben Prozent? Nein, stellt der HVV klar und präzisiert: Man verfolge »das Ziel, Online-Bezahlverfahren zu fördern«. Bei der Guthabenkarte sei nun mal kein Bankkonto oder Paypal-Konto hinterlegt. In Chemnitz wurde ein Zwölfjähriger wurde aus dem Bus geworfen, weil sein Bargeld nicht mehr erwünscht war. Der MDR berichtete über einen Brief an den Vater. Das kommunale Verkehrsunternehmen CVAG empfahl ihm die »Mastercard für Kinder zwischen 7 und 18 Jahren«. Es falle aber ein Jahrespreis von 36 Euro an, das habe man nicht erwähnt. Eine Nachfrage des Autors zu dieser Empfehlung blieb von der CVAG unbeantwortet.
Die Presseabteilung der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) spekuliert schon über eine bundesweite Diskussion über die Abschaffung der Ticketautomaten. Je weniger Banknoten und Münzen genutzt werden (können), desto unökonomischer wird der Unterhalt der Bargeld-Infrastruktur durch die Banken. Immer mehr Filialen und Geldautomaten verschwinden.
Lesen Sie im Zeitpunkt auch: