Das Beste war der Schwatz nach dem Kirchgang
Ich machte meine Bauernlehre in den 60er Jahren auf einem Betrieb im Luzernischen. Da musste ich auch am Sonntag um fünf Uhr aufstehen und den Stall machen. Dann hiess es umziehen, frühstücken und mit der ganzen Familie zur Kirche gehen. Was der Pfarrer predigte, hat mich schon damals nicht sehr interessiert. Umso mehr, was nach der Kirche erzählt wurde. Während die Frauen zum Kochen nach Hause gingen, rauchten die Männer auf dem Kirchplatz einen Stumpen und erzählten sich das Neuste aus dem Dorfleben: Wer Glück im Stall hatte oder eben nicht, wer sich eine neue Maschine kaufte, wo ein Stück Land die Hand wechselte, wie die Preise sich bewegten – die grosse Welt in einem kleinen Dorf. Das Mittagessen am Sonntag war das beste der Woche; nachher gab’s sogar noch ein Schnäpsli, ein Nickerchen und den obligaten Flurgang. Man spazierte über die Feldwege, inspizierte das Wachstum auf den eigenen Feldern und denen der Nachbarn und werweisste über die Ursachen der Unterschiede – mehr Dünger, frühere Aussaat, leichtere Maschinen, besserer Boden.
Seither hat sich viel geändert. Ich bin kein Frühaufsteher. Seit wir wegen der Mutterkuhhaltung keine Milch mehr abliefern, gehe ich erst um sieben in den Stall. Wer dagegen die Milch in die Käserei bringt, muss bis um sieben Uhr alles erledigt haben und entsprechend früher aufstehen. Zudem wechsle ich mich mit meinem Sohn ab, der den Betrieb führt. Nach der Stallarbeit setze ich mich an den Frühstückstisch und weiss: Es ist Sonntag! Unser Sonntagsfrühstück ist so reichhaltig, dass es kein Mittagessen braucht. Dafür lege ich mich nochmals für anderthalb Stunden Tiefschlaf hin. Nachher mache ich etwas, das ich darf und nichts, was ich muss: lesen, schreiben, Musik hören oder auch einfach nichts. In der letzten Zeit verbrachte ich allerdings viel Zeit in meinem kleinen Büro mit der IG Hornkuh, die ich vor zwei Jahren mitbegründete. Kühe brauchen Hörner, sie sind gesünder, ihre Milch ist besser und ihr soziales Leben natürlicher. Trotzdem werden über 90 Prozent der Kühe enthornt. Wir setzen uns dafür ein, dass Bauern für jede Kuh und jede Ziege mit Hörnern mit einem Franken bzw. 20 Rappen pro Tag entschädigt werden. Dazu haben wir anfangs Dezember eine Petition mit über 18’000 Unterschriften eingereicht – ein grosser Erfolg, für den ich aber auch viel Sonntag geopfert habe. Jetzt will ich den schönen Dokumentarfilm «Das liebe Rindvieh» unter die Bauern und in die Schulen bringen. Er zeigt Bauern, die der Hochleistungsmilchwirtschaft den Rücken kehren, ihre Kühe nur noch mit Gras und Heu füttern und ihnen Hörner wachsen lassen. Ein Spruch aus dem Prättigau ist mir zu einer Art Lebensmotto geworden: «Wer keine Hörner hat, bekommt mit der Zeit Löcher im Kopf.»
Weil wir heute den Hof zu zweit führen, liegt auch einmal ein Sonntagsausflug drin. Früher musste ich mich immer speziell organisieren. Im Sommer besuche ich mit meiner Frau Claudia gerne eine Alp – ich komme ja aus dem Bündnerland – oder begleite sie an einen Anlass, wo sie Märchen erzählt.
Arbeit im eigentlichen Sinn mache ich an Sonntagen neben dem Stall und dem Heuet nicht. Hier im Jura hat es viele freikirchliche Gruppen, die den Sonntag wirklich heiligen und es auch ins Heu regnen lassen. Das würde ich nicht tun. Früher war man noch der Ansicht, Heuen am Sonntag bringe Unglück. Aber damit es eintrifft, muss man vermutlich selber daran glauben. In dieser Hinsicht habe ich viel von den Indianern in Kanada gelernt: Man muss die Antworten vor allem in sich selber suchen. Dazu ist der Sonntag der beste Tag.
Aufgezeichnet von Christoph Pfluger
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Armin Capaul (*1951) ist Bergbauer in Perrefitte im Berner Jura und Alpfeuer- und Kuhhorn-Aktivist. Er wohnt seit einem Jahr mit seiner Frau Claudia in einem Strohballen-Stöckli und teilt sich die Hofarbeit mit einem seiner Söhne. Er vertreibt den Dokumentarfilm «Das liebe Rindvieh» von Betram Verhaag (DVD, 45 Min, Denkmal-Film, 2013, Fr. 25.–, Reingewinn zugunsten der IG Hornkuh).
Kontakt: 032 493 30 25, www.valengiron.ch
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Mehr über das Verschwinden des Sonntags im Schwerpunktheft «Am siebten Tag»
Seither hat sich viel geändert. Ich bin kein Frühaufsteher. Seit wir wegen der Mutterkuhhaltung keine Milch mehr abliefern, gehe ich erst um sieben in den Stall. Wer dagegen die Milch in die Käserei bringt, muss bis um sieben Uhr alles erledigt haben und entsprechend früher aufstehen. Zudem wechsle ich mich mit meinem Sohn ab, der den Betrieb führt. Nach der Stallarbeit setze ich mich an den Frühstückstisch und weiss: Es ist Sonntag! Unser Sonntagsfrühstück ist so reichhaltig, dass es kein Mittagessen braucht. Dafür lege ich mich nochmals für anderthalb Stunden Tiefschlaf hin. Nachher mache ich etwas, das ich darf und nichts, was ich muss: lesen, schreiben, Musik hören oder auch einfach nichts. In der letzten Zeit verbrachte ich allerdings viel Zeit in meinem kleinen Büro mit der IG Hornkuh, die ich vor zwei Jahren mitbegründete. Kühe brauchen Hörner, sie sind gesünder, ihre Milch ist besser und ihr soziales Leben natürlicher. Trotzdem werden über 90 Prozent der Kühe enthornt. Wir setzen uns dafür ein, dass Bauern für jede Kuh und jede Ziege mit Hörnern mit einem Franken bzw. 20 Rappen pro Tag entschädigt werden. Dazu haben wir anfangs Dezember eine Petition mit über 18’000 Unterschriften eingereicht – ein grosser Erfolg, für den ich aber auch viel Sonntag geopfert habe. Jetzt will ich den schönen Dokumentarfilm «Das liebe Rindvieh» unter die Bauern und in die Schulen bringen. Er zeigt Bauern, die der Hochleistungsmilchwirtschaft den Rücken kehren, ihre Kühe nur noch mit Gras und Heu füttern und ihnen Hörner wachsen lassen. Ein Spruch aus dem Prättigau ist mir zu einer Art Lebensmotto geworden: «Wer keine Hörner hat, bekommt mit der Zeit Löcher im Kopf.»
Weil wir heute den Hof zu zweit führen, liegt auch einmal ein Sonntagsausflug drin. Früher musste ich mich immer speziell organisieren. Im Sommer besuche ich mit meiner Frau Claudia gerne eine Alp – ich komme ja aus dem Bündnerland – oder begleite sie an einen Anlass, wo sie Märchen erzählt.
Arbeit im eigentlichen Sinn mache ich an Sonntagen neben dem Stall und dem Heuet nicht. Hier im Jura hat es viele freikirchliche Gruppen, die den Sonntag wirklich heiligen und es auch ins Heu regnen lassen. Das würde ich nicht tun. Früher war man noch der Ansicht, Heuen am Sonntag bringe Unglück. Aber damit es eintrifft, muss man vermutlich selber daran glauben. In dieser Hinsicht habe ich viel von den Indianern in Kanada gelernt: Man muss die Antworten vor allem in sich selber suchen. Dazu ist der Sonntag der beste Tag.
Aufgezeichnet von Christoph Pfluger
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Armin Capaul (*1951) ist Bergbauer in Perrefitte im Berner Jura und Alpfeuer- und Kuhhorn-Aktivist. Er wohnt seit einem Jahr mit seiner Frau Claudia in einem Strohballen-Stöckli und teilt sich die Hofarbeit mit einem seiner Söhne. Er vertreibt den Dokumentarfilm «Das liebe Rindvieh» von Betram Verhaag (DVD, 45 Min, Denkmal-Film, 2013, Fr. 25.–, Reingewinn zugunsten der IG Hornkuh).
Kontakt: 032 493 30 25, www.valengiron.ch
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Mehr über das Verschwinden des Sonntags im Schwerpunktheft «Am siebten Tag»
02. Februar 2014
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