Handtaschenhündli

Wer hätte gedacht, was die medienwirksame Inszenierung einiger IT-Girls mit ihren gestylten kleinen Chihuahua-Hunden auslösen werden? Was für fatale Auswirkungen das »Paris-Hilton-Syndrom» auf eine ganze Hunderasse rund um den Globus hat? Das blonde Partygirl hat den Hund zur reinen Dekoration und zum Spielzeug verkommen lassen.

Hunde, die ständig auf dem Arm sitzen müssen oder in ein pinkfarbenes Handtäschchen gesetzt werden, verlieren die Bodenhaftung und werden frustriert, da sie keine Ahnung haben, was in der Hundewelt vor sich geht. Angeblich ist der Chihuahua in Kalifornien als Rasse nun nicht mehr gefragt, seit Millionenerbin Paris Hilton ihn nicht länger als Modeaccessoire benutzt. Was der stupide Trend aber weltweit für die kleinen kecken Hunde ausgelöst hat, ist fatal.
Währendem in Kalifornien der Boom wieder abnimmt und viele der «Pocket Dogs» bereits im Tierheim gelandet sind, ist diese Hunderasse an anderen Orten noch sehr begehrt. In der Schweiz hat er seinen Siegeszug in den vergangenen Jahren weiter fortgesetzt: Der kleine Vierbeiner mit mexikanischen Wurzeln war 2013 das dritte Jahr in Folge die am häufigsten neu registrierte Hunderasse.
Auch in der Dominikanischen Republik boomt der Modehund Chihuahua ungebremst. Wer einen Fernseher besitzt und das glitzernde Leben der Stars und Sternchen verfolgen kann, möchte auch einen solchen «Toy Dog» haben. Das Land ist in den meisten Regionen sehr arm und bleibt trotzt des Tourismus ein Entwicklungsland. Hunde und Katzen leben vor den Hütten und Behausungen der Menschen in relativer Freiheit. Das heisst, viele Tiere schlagen sich selber durch und ernähren sich vom Abfall. Nicht selten landen kranke Tiere sowie die trächtigen Weibchen einfach auf der Strasse und die Welpen auf dem Müll.
An einer Kastrationsaktion im dominikanischen Fischerdorf Sanchez auf der Halbinsel Samana wurde die Bevölkerung bei einer gezielten Aufklärungskampagne dazu aufgefordert, ihre Chihuahuas kostenlos kastrieren zu lassen. Der Grund war nicht nur die unkontrollierte Vermehrung, sondern dass die Chihuahua-Hündinnen Gefahr laufen, von zu grossen Rüden gedeckt zu werden und bei der Geburt elendiglich zu krepieren, da die Welpen im Geburtskanal stecken bleiben.


Big Business – grauenvolle Massenzuchten
Aber nicht nur in Übersee hat der Handtäschlihund-Trend traurige Nebenschauplätze und zum Teil sogar kriminelle Machenschaften hervorgerufen. Bei uns blüht der Welpenhandel via Internet von dubiosen Massenzuchten aus dem Osten, in denen die Mütter in unhaltbaren Zuständen in Legebatterien zu regelrechten Gebärmaschinen verkommen. Als Schnäppchen werden die oft kranken und viel zu früh von der Mutter weggenommen Welpen nach einer langen Anfahrt auf Autobahnraststätten dem neuen Besitzer übergeben. Tierschützer warnen seit Jahren davor.
Vor wenigen Tagen begegnete mir eine nette junge Frau, die mir frischfröhlich von ihrem kleinen Chihuahua erzählte. Er sei wie ein Kind für sie. Sie hätte ihn im Frühling aus Tschechien erhalten, imInternet gefunden – bei der Kollegin sei es ja auch ganz problemlos gegangen. Der kleine Süsse sei wohl viel zu früh von der Mutter genommen worden, und von Anbeginn an sei er nur krank, meinte sie ernüchtert. Das durch den tieferen Kaufpreis eingesparte wenige Geld haben die Tierarztkosten schon lange aufgefressen. Einige Tausend Franken werden wohl noch nötig sein, um den Hund einigermassen durchs Leben zu kriegen. Dafür hat man unseriöse Gauner, effektive Tierquäler unterstützt. Geiz ist in diesem Zusammenhang alles andere als geil. Er geht auf Kosten der Tiere und schont das Portemonnaie nur kurzfristig.


Hund ist Hund
Ein anderes Problem – auch hierzulande – ist der Umgang mit den Tieren. Auch der kleinste Hund bleibt ein Hund und braucht artgerechte Beschäftigung und eine entsprechende Grunderziehung. Viel zu oft wird der Winzling einfach an der Leine weggezerrt oder hochgehoben, obwohl er Befehle wunderbar erlernen und ausführen könnte.

Ich geb‘s zu, ich war immer Fan von stattlichen Hunden. Bei meinem ersten kleinen Hund, kämpfte ich zuerst gegen das gängige Image (in meinem Kopf) von der «Dame mit dem kleinen Schosshündchen». Dann merkte ich, wie clever und stark mein kleiner Terrier-Mischling war und dass er alles besass, was ein grosser Hund auch hat. Irgendwann mal war mir seine Grösse egal, denn ich weiss, was in kleinen Hunden steckt bzw. stecken kann. Inzwischen macht es mir grossen Spass, wenn Zwerge durch ihren Gehorsam und ihre Cleverness das gängige Klischee durchbrechen und die Umwelt überraschen. So begeisterte mich persönlich im letzten Sommer der kleine Chihuahua in der Hundeschule, der viele seiner grossen Hundekumpels regelrecht an die Wand spielte. Sein Besitzer, ein junger Mann, behandelte den Winzling wie einen richtigen Hund und führte ihn konsequent und artgerecht. Welche Wohltat, die beiden waren eine echt coole Nummer und haben bewiesen, dass Hund – egal wie klein er ist – Hund bleibt und Grosses leisten kann.

Brigitte Post ist Stifterin und Präsidentin der «Stiftung Tierbotschafter.ch», die in verschiedenen Ländern nachhaltige Tierschutzprogramme von Einzelkämpfern und Micro-Organisationen unterstützt. Bei der Kastrationsaktion von Sanchez in der Dominikanischen Republik sind ihr die vielen Chihuahuas aufgefallen. Die Stiftung Tierbotschafter.ch ist eine neutrale, eidgenössisch anerkannte Stiftung, die – wie es der Name schon sagt – Botschaften zum Wohl der Tiere verbreitet. www.tierbotschafter.ch
21. April 2015
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