Generation EasyJet
Unterwegs sein ist alles
Sie schreddert den alten Traum vom Fliegen, als wär er eine Ente in der Turbine eines Airbus. Sie enttarnt die Grösse Europas – zumindest die geographische – als Illusion. Sie stürmt die elitäre Exklusivität von Flugreisen wie einst das Volk die Bastille, manifestiert Gleichheit, wenngleich keine Beinfreiheit, und zahlt Aufpreis fürs Gepäck. Generation EasyJet erobert den internationalen Flugraum mit beleiti Brötli von daheim. Wo fängt die Ferne an, wenn der Flughafen zum Busbahnhof wird? Ich glaube ja, dass die Überwindung von Distanz gar nicht die wahre Generationenfrage der Lüfte darstellt. Sondern dass für den Easy-Jet-Set der Weg das Ziel ist. Präziser: die Option, sich jederzeit auf den Weg machen zu können.
George Mallory hat den Everest deshalb bestiegen, weil der Berg da war. Aus diesen Grund steigen auch die EasyJetter in den Flieger. Der fliegt ja sowieso, denken sie, da kann ich doch schnell mit. Zumal das Ticket kaum mehr kostet als die Fahrt zum Flughafen. Ein ganzer Kontinent lockt mit kulturellen Events: Almauftrieb. Bieranstrich. Schlussverkauf. Zapfenstreich. Nous sommes Europa! Schuld sind im Grunde eh die Bahnbetreiber, denn die bedienen viele Strecken nicht. Oder die Arbeitgeber, denn die gewähren nur zwei Tage Wochenende. Tage, die nur 24 Stunden haben. Doch im orangefarbenen Gehäuse erfährt die Generation EasyJet die grösstmögliche Annäherung an ein Ideal persönlicher Omnipräsenz: «Ich war da.» Dort, wo das Gras grüner ist als daheim.
Dass sie «dort» sein könnten – das finden sie so wünschenswert, dass sie darüber die Frage vergessen, ob sie überhaupt dort sein wollen. «Zwei Stunden lang halte ich alles aus», denken sie sich, wenn sie wie Schlachtvieh auf den Flughäfen zusammengetrieben werden. Doch in Wahrheit geniessen sie es. Es geht dabei immer um die Möglichkeit des Aufbruchs, nie um die Realität der Ankunft. Die EasyJetter überfressen sich am Buffet europäischer Zielflughäfen, weil sie da sind. Jede Flugmeile ist ergriffene Gelegenheit, gelebtes Konjunktiv. Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und Konsequenz verlieren sich wie Kondensstreifen in der Luft, wenn es darum geht, diesen historischen Moment der Mobilität beim Schopf zu packen. Irgendwann, wenn Zugänglichkeit nicht mehr alleiniges Kriterium für die Freizeitgestaltung darstellt, kommt dann der Generationswechsel. Bis dahin sind sie überall: immer unterwegs, selten mal bei sich.
Mehr zum Thema «nah – fern» im Zeitpunkt 144
George Mallory hat den Everest deshalb bestiegen, weil der Berg da war. Aus diesen Grund steigen auch die EasyJetter in den Flieger. Der fliegt ja sowieso, denken sie, da kann ich doch schnell mit. Zumal das Ticket kaum mehr kostet als die Fahrt zum Flughafen. Ein ganzer Kontinent lockt mit kulturellen Events: Almauftrieb. Bieranstrich. Schlussverkauf. Zapfenstreich. Nous sommes Europa! Schuld sind im Grunde eh die Bahnbetreiber, denn die bedienen viele Strecken nicht. Oder die Arbeitgeber, denn die gewähren nur zwei Tage Wochenende. Tage, die nur 24 Stunden haben. Doch im orangefarbenen Gehäuse erfährt die Generation EasyJet die grösstmögliche Annäherung an ein Ideal persönlicher Omnipräsenz: «Ich war da.» Dort, wo das Gras grüner ist als daheim.
Dass sie «dort» sein könnten – das finden sie so wünschenswert, dass sie darüber die Frage vergessen, ob sie überhaupt dort sein wollen. «Zwei Stunden lang halte ich alles aus», denken sie sich, wenn sie wie Schlachtvieh auf den Flughäfen zusammengetrieben werden. Doch in Wahrheit geniessen sie es. Es geht dabei immer um die Möglichkeit des Aufbruchs, nie um die Realität der Ankunft. Die EasyJetter überfressen sich am Buffet europäischer Zielflughäfen, weil sie da sind. Jede Flugmeile ist ergriffene Gelegenheit, gelebtes Konjunktiv. Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und Konsequenz verlieren sich wie Kondensstreifen in der Luft, wenn es darum geht, diesen historischen Moment der Mobilität beim Schopf zu packen. Irgendwann, wenn Zugänglichkeit nicht mehr alleiniges Kriterium für die Freizeitgestaltung darstellt, kommt dann der Generationswechsel. Bis dahin sind sie überall: immer unterwegs, selten mal bei sich.
Mehr zum Thema «nah – fern» im Zeitpunkt 144
08. August 2016
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Martina Pahr
Martina Pahr ist Magister der Literaturwissenschaft, verausgabte Fernsehredakteurin, ehemalige Reiseleiterin und leidenschaftliche Schrebergärtnerin. Nebenher veranstaltet sie diverse Lesebühnen in München (wo sich kaum jemand etwas unter diesem Begriff vorstellen kann - im Grunde «Poetry Slam» ohne Wettbewerb.) Im Sommer schreibt sie gern in Schottland, im Winter in Asien und zwischendrin im Garten - wo sie sich überlegt, warum sie nichts Anständiges gelernt hat.
0797822552
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