Palmöl: Raubbau fürs Geschäft

Ab Dezember muss das Pflanzenfett in EU-Lebensmitteln gekennzeichnet sein.

Palmöl wird zu 70 Prozent in Lebensmitteln verarbeitet. Es ist aber auch in
Kosmetika und Waschmitteln enthalten. Bislang musste es in der Zutatenliste
nicht ausgewiesen werden. Das ändert sich: Ab 13. Dezember sind Hersteller in der EU verpflichtet, Palmöl zu kennzeichnen.


Ob wir in einen Keks beißen, Brot mit Margarine bestreichen, oder
eine Fertigsuppe löffeln - überall ist Palmöl drin. Das hat einen einfachen
Grund: Palmöl ist billig zu produzieren. Eine Plantage erbringt pro Hektar
vier bis acht Tonnen Öl im Jahr. Zudem kann dasselbe Feld mehrere Jahre
hintereinander und zu jeder Jahreszeit abgeerntet werden. Da hält der
heimische Raps nicht mit. Er kommt auf ein bis zwei Tonnen Öl pro Hektar.
Die Gesamtfläche aller Palmölplantagen beträgt zwölf Millionen Hektar, eine
Fläche so groß wie die Schweiz und Österreich zusammen.

Lukratives Geschäft für die Konzerne
Den Markt beherrschen berüchtigte Akteure. Wilmar International etwa,
Jahresumsatz: 35 Milliarden US-Dollar. Dem Händler werden massive
Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, Landraub und Vertreibung. Dem
lukrativen Geschäft steht der Regenwald buchstäblich im Weg. Ölpalmen
brauchen viel Regen und Temperaturen zwischen 24 und 28 Grad, so dass sie
nur zwischen den zehnten Breitengraden gedeihen, im tropischen
Regenwaldgürtel. Also wird abgeholzt. Nach einer Studie, die in der
Zeitschrift «Nature Climate Change» veröffentlicht wurde, werden in
Indonesien jedes Jahr 50 000 Hektar mehr zerstört als im Jahr davor.

Die Regenwaldvernichtung nimmt Tieren wie den Orang-Utans ihren Lebensraum.
Und sie beschleunigt die Erderwärmung. 20 Prozent der globalen
Treibhausgasemissionen verursacht allein Entwaldung. Indonesien steht in der
Liste der größten Klimagasemittenten an dritter Stelle, hinter China und den
USA. Zunehmend legt die Palmölindustrie auch immer mehr tropische Torfböden
trocken. Diese bestehen aus totem Pflanzenmaterial, das sich über Tausende
von Jahren unter Sauerstoffabschluss gebildet hat. Die Moore speichern bis
zu 6000 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar - 50 Mal mehr als Wald ohne Torfboden.

Ab 13. Dezember schreibt eine EU-Verordnung eine klare Kennzeichnung vor -
in den Zutatenlisten muss künftig verzeichnet sein, welches Öl verwendet
wurde. Palmöl ist bei Lebensmittelherstellern beliebt, weil es preiswert und
vielseitig verwendbar ist. Zu den ökologischen Folgen der Palmöl-Produktion
in Südoastasien kommen die sozialen Abgründe. Oft sind es Kinder, die die
Palmölfrüchte einsammeln. Plantagenarbeiter werden wie Sklaven gehalten. In
Indonesien wird zudem immer noch Paraquat versprüht, ein in Europa
verbotenes Herbizid, das die jungen Ölpalmsetzlinge schützt. Weil die
Arbeiter keinen Ganzkörperschutz tragen, leiden sie oft unter Erkrankungen
der Atemwege.

In absehbarer Zeit werden der Palmölindustrie die Flächen in Südostasien
ausgehen, deshalb richtet sich der Fokus auf Afrika. Die Erschließung hat
längst begonnen. Sime Darby aus Malaysia und Golden Agri Resources aus
Singapur, zwei führende Palmölproduzenten, sicherten sich bereits mehr als
400 000 Hektar in Liberia. Afrikas Menschenaffen, Schimpansen, Bonobos und
Gorillas könnte es dann genauso schlecht ergehen, wie ihren
südostasiatischen Verwandten, den Orang-Utans. 40 Prozent der ungeschützten
Habitate befinden sich nach einer Studie in Gebieten, die zu Plantagen
werden können. Forscher fordern, dass afrikanische Regierungen nur jenen
Firmen eine Genehmigung erteilen dürfen, die sich den RSPO-Kriterien
verpflichten.

Siegel für nachhaltige Produktion umstritten
RSPO steht für „Roundtable for Sustainable Palm Oil“. Industrie und
Umweltorganisationen haben sich hier auf Mindestkriterien für eine umwelt-
und sozialverträgliche Produktion geeinigt. Zertifizierte Produkte dürfen
ein Nachhaltigkeitssiegel tragen. Viele Nichtregierungsorganisationen halten
die Initiative für einen Greenwashing-Versuch der Industrie, Palmöl solle
durch RSPO nur wieder hoffähig werden. Und die Kriterien sind tatsächlich
nicht sehr streng. Sie verbieten zum Beispiel nur die Abholzung von Wäldern
mit besonderem Schutzwert. Dieses Konzept der „High Conservation Value
Forests“ erhalte kleine Waldflächen, dafür opfere es die großen, die keinen
Schutzstatus genießen, sagen Kritiker.

Wiederholt sich in Afrika, was in Südostasien geschah? Oder verhindert RSPO
ein zweites Fiasko? Zweifel daran sind angebracht, schließlich wird die
Initiative von der Industrie getragen, von Akteuren wie Wilmar
International. Mitglieder können, falls sie sich eingeengt fühlen, jederzeit
austreten. Herakles hat es vorgemacht. Der US-Investor verabschiedete sich
wegen der Probleme in Kamerun vom Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl.