Um einen Beitrag zum Buch «Wasser oder Gold» von Yaku Pérez Guartambel aus Ecuador schreiben, verabredete sich Ueli Keller mit dessen Übersetzer Louis Kuhn zum Spaziergang. Als Essenz ihrer Begegnung rekonstruierten sie gemeinsam dieses Gespräch.

Pratteln
Wanderung von Pratteln zum Talweiher. Foto: Flickr

Im Schweizerischen Pratteln in der Nähe von Basel, dem Wohnort von Louis Kuhn und dem Ort, wo sich Ueli Keller mit dem Neuen Parlament trifft, sind beide zum Talweiher und durch den Rebberg gewandert. Louis Kuhn ist pensionierter Ombudsmann des Kantons Baselland/CH (1989-2004) und arbeitete in der Folge mit seiner Frau, Denise Stöckli, Heilpädagogin, privat in der Entwicklungshilfe in Bergdörfern Ecuadors. Ueli Keller hat als Bildungswissenschaftler bis 2012 beim Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt die Abteilung «Schule als Lern- und Lebensraum» aufgebaut und geleitet; er ist Botschafter für Neue Politik.

Unser Gespräch haben wir nach unserer Wanderung kokreativ wie folgt rekonstruiert:

Ueli Keller (U): Was ging in eurem Kopf vor, bevor ihr 2004 nach Ecuador aufgebrochen seid?

Louis Kuhn (L): Wir wollten im dritten Lebensabschnitt noch etwas Sinnvolles tun.

U: Und ihr habt euch ein Herz gefasst.

L: Ja, und nebst der Finanzierung von Schulhausbau-Projekten haben wir zusammen mit der einheimischen Bevölkerung auch gleich Hand angelegt. Beim Elementarsten: alte Schulzimmer-Fenster verglasen, WC, Küchen, Schulhäuschen erweitern und neu bauen. So sind wir von Dorf zu Dorf gezogen und haben mit den Leuten zusammengelebt. 

U: Deine Frau hat auch ihre heilpädagogische Erfahrung ins Dorf- und Schulleben eingebracht.

L: Das dortige spanisch geprägte Schulsystem ist stark auf repetitiven Frontalunterricht ausgerichtet. Denise arbeitete handwerklich wie ich zwar auch am Bau, animierte aber zudem die Lehrerschaft zum Projektunterricht und nahm sich auch viel Zeit, um mit den Dorffrauen Lebenserfahrungen auszutauschen: siehe Projekte.

Zwischen den Welten von Ecuador ...

U: Ihr habt euch auch mit dem Thema des Minenbergbaus beschäftigt.

L: Wir erlebten, wie die Bergbevölkerung in den Paramo-Gebieten, wo die Wasserquellen entspringen, gegen die Erteilung von staatlichen Konzessionen an internationale Minenkonzerne demonstrierte. Dabei lernten wir den Rechtsanwalt Yaku Pérez Guartambel, den späteren indigenen Präsidentschaftskandidaten, kennen. Ich habe von ihm Bücher übersetzt: «Wasser oder Gold» und «La Resistencia/Der Widerstand». Eine neue von uns unterstützte Publikation über Ökologie ist in Vorbereitung.

Wasser oder Gold

... und der Schweiz

U: Wir sind hier in der Schweiz ja auch mitverantwortlich für das, was dort geschieht.

L: Klar. Ich will hierzulande durch Vorträge bei uns ein Bewusstsein vertiefen, was dort die Ausbeutung und Zerstörung der Mutter Natur (Pachamama) und der damit Vertreibungen der Bergbauern aus ihren angestammten Anbaugebieten Schlimmes anrichtet. Und was wir hier tun können.

U: Die Konzernverantwortungs-Initiative in der Schweiz und das Lieferkettengesetz in Europa verlangen, dass die Ausbeutung von Mineralien umweltschonend und ohne Verletzung der Menschenrechte geschieht. 

L: Leider sind wir davon noch weit entfernt. Die sogenannte «Swiss Better Gold Initiative», ein Verein, dem auch Schweizer Goldraffinerien und Uhrenhersteller angehören, betreibt wohl mehr «Greenwashing», als dass er Probleme löst. 

U: Eine Hoffnung ist, dass man in Ecuador auch mit verfassungsrechtlichen Mitteln gegen die Zerstörung der Natur vorgehen kann. 

L: Dass die Natur als Rechtssubjekt in der Verfassung von «Monte Christo» (2008) verankert ist, ist weltweit erstmalig und einzigartig. Yaku Perez hat auch schon erfolgreich Naturschutzklagen ausgefochten.

U: Die Frage ist nur, ob die Gerichtsurteile gegen internationale Konzerne auch vollzogen werden können. 

L: Nebst der Korruption haben Staaten wie Ecuador ja das Problem, dass die Verarbeitung ihrer Rohstoffe (Erdöl, Mineralien, Kakao, Kaffee…), also die Mehrwertschöpfung, nicht im eigenen Land erfolgt. 

U: Sondern er wird in unseren Ländern generiert, z.B. bei der Produktion von Schokolade, oder in Raffinieren von Gold. So fliessen kaum Steuern in die Kassen des Ursprungsstaates. 

L: Und deshalb muss Ecuador sein Geld schwerpunktmässig durch die Vergabe von Konzessionen für die verheerende Rohstoffausbeutung hereinholen. In Ecuador sind 18‘000 km2 konzessioniert, das ist fast ein Drittel der Fläche der Schweiz.

Für eine weltweite Konförderation

U: Wir müssen also nicht bloss global denken und lokal handeln, sondern auch umgekehrt: lokal denken und global handeln.

L: Das tun internationale Konzerne und Staatswirtschaften wie beispielsweise China schon längst, zum Teil auch auf höchst destruktive Weise. Dabei scheut man auch völkerrechtswidrige Planungen und Unterstützungen von Kriegen oder gar eigene Militäreinsätze nicht, z. B. zur Kontrolle der Kupferminen in Chile (der chilenische «Nine Eleven» vom 1973, als der Präsidentenpalast bombardiert und der erste frei gewählte sozialistische Präsident, Salvador Allende, ermordet wurde) oder des Erdöls in Irak (1991).

U: Aber das ist für uns doch mehr als eine Schuhnummer zu gross.

L: Ja. Aber vielleicht haben wir doch als Liliputaner eine kleine Chance: auch wenn die Seile, mit denen sie den Riesen Gulliver, der die Macht der Grossen verkörpert, einbinden wollen, für ihn nur wie Seidenfäden wirken.

U: Das heisst, wir müssen uns weltweit effizient enger vernetzen. 

L: Ich glaube, das gelingt nur, wenn wir mit Engagement und Zivilcourage bei kleinen Dingen konkret anpacken, aber Umfassendes wie eine weltweite Konföderation gleichberechtigter Staaten ins Auge fassen. Wir müssen uns die lebendige Natur zum Vorbild nehmen, und uns im kulturellen, religiösen und politischen Bereich am Lebensmuster der Biodiversität orientieren, indem wir auch global nach dem ethischen Grundsatz Albert Schweitzers der «Ehrfurcht vor dem Leben» handeln. 

U: Ein weiter Weg.

L: Zu Fuss, Schritt für Schritt und mit Geduld, kommen wir im Grenzen überschreitenden Dialog weiter, als wenn man nur allein vor sich hindenkt und nichts gemeinsam mit andern tut. 


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