Bauplatz, Markt und Badstube – Die Stadt um 1500
Um Handel und Ausbeutung, Herrschaft und Unterwerfung, Sittenstrenge und auferstandenes Heidentum ging es im ausgehenden Mittelalter. Eine Zeitreise in die Stadt um 1500 bietet die aktuelle Sonderausstellung im Museum Schwab Biel.
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1. Die Ausstellung
BAUTÄTIGKEIT, HYGIENE und GESELLIGKEIT
Im städtischen Werkhof am Burgplatz auf dem Terrain des Fürstbischofs von Basel baut die Burgergemeinde an Türmen und Wehrgängen. Es ist Markttag, Bauern und Handwerker bieten ihre Waren auf dem Platz an auf Jörg Müllers Bild von Biel um 1500. Am Eingang der Badstube empfängt die Bademagd einen Kunden, im ersten Stock schaut der Bader – Bademeister, Wundarzt und Kräuterexperte - Rudolf Nüssli aus dem Fenster.
Anstand und Ärger
„Öffentliche Badstuben dienen der Hygiene und Geselligkeit“, schreibt die Historikerin Margrit Wick-Werder zu diesem Bilddetail im Bilderbuch zur Ausstellung. „Manchmal geht es in der Badstube richtig hoch zu und her. Doch die Meistersfrau hält auf Sitte und Anstand. Der Bader an der Untergasse bekam neulich grossen Ärger, weil seine Magd die Badegäste allzu grosszügig bedient haben soll.“
Eine Zeitreise
Das grosse Acrylbild der Altstadt von Biel um 1500 lädt ein zur Zeitreise, man sieht mehr und mehr Details, Menschen und Szenen. Ein riesiges Gemälde von Jörg Müller illustrierte auch die Ausstellung „Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch – Die Stadt um 1300“. Diese um das Jahr 2000 in Zürich und Süddeutschland gezeigte Ausstellung stellt eine exemplarische Stadt dieser Zeit im Raum Zürich/Ostschweiz/Baden-Würtemberg dar.
Prozess zwischen Historikerin und Maler
Die Bieler Sonderausstellung gibt ein Bild der typischen Stadt um 1500 im Mittelland. Sie geht von zeitgenössischen Quellen und heutigen archäologischen Untersuchungen aus und dokumentiert auch die Entstehung der Ausstellung als Prozess zwischen der Historikerin und dem Maler. Acrylbild und Bilderbuch fantasieren auf der Grundlage von bildlichen und schriftlichen historischen Quellen und Ergebnissen archäologischer Grabungen.
db.
Bilderbuch:
Jörg Müller, Margrit Wick-Werder: Bilder einer Stadt – Biel um 1500
Ausstellung, Katalog und Medienpaket für den Unterricht:
Bilder einer Stadt –Einblicke in fünf Jahrhunderte Geschichte der Stadt Biel
Ausstellung Museum Schwab Biel, Seevorstadt 50
bis 4. April 2009, http://www.muschwab.ch
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2. Badstube und Moral
SPIRITUALITÄT soll ZUSAMMENHALTEN und AUSGLEICHEN
Behörden und Privilegierte beschwerten sich während Jahrhunderten über den ausschweifenden und unmoralischen Betrieb in den Badstuben. Diese befriedigten wichtige Bedürfnisse der einfachen Bevölkerung, der Bürger und Adligen. Es ging um Hygiene, geselliges Zusammensein und mehr. Der Wein nahm Hemmungen, Kräuterdämpfe stimulierten, auch heute verbotene und diffamierte Pflanzen wurden noch selbstverständlich angewendet - es ging um Naturmedizin, Psychedelik und Reste von Spiritualität, deren Aufgabe es ist, nicht zu unterdrücken, alles zusammenzuhalten und Bedürfnisse und Interessen auszugleichen.
Verteufelung und Unterdrückung
Die Kirche hierarchisierte und patriarchalisierte im Mittelalter die Gesellschaft extrem. Riss Sinnlichkeit und Sexualität aus dem ganzheitlich-spirituellen Zusammenhang und aus dem gut ausbalancierten öffentlichen Leben. Verteufelte und unterdrückte natürliche Bedürfnisse, die im Versteckten zum Beispiel in Badstuben weiterlebten.
Lieblosigkeit und Lustigkeit
„Hier war die Kehrseite!“, hielt der verstorbene Berner Historiker und Ethnologe Sergius Golowin fest. „Hier wurde manche geheime Not sichtbar, ein Leben in Lieblosigkeit und in erzwungenen Ehen.“ Für Golowin waren die Badstuben auch Orte, an denen nicht „irgendwo aufgelesene höfliche und gelehrte Sätze“ ausgetauscht wurden: „Wahrscheinlich waren die Bäder der Aare-Venus (im Mattequartier) genau jener Ort, wo es in Bern nicht nur mit Abstand am lustigsten, sondern auch am klügsten zuging.“ Er sprach auch von auferstandenem Heidentum und antiken kommunistischen Utopien.
Reform und Doppelmoral
Im späten Mittelalter hatte sich das christliche Korsett gelockert, die machtbewussten kirchlichen und weltlichen Eliten sahen grossen Reformbedarf. Zucht und Ordnung wurden dann ab dem 16. Jahrhundert in Reformation und katholischer Kirchenreform mit Tod und Teufel, Feuer und Schwert durchgesetzt.
Erst im 19. Jahrhundert hat man laut Sergius Golowin die Bäder „nach und nach unter allerlei hochmoralischen Vorwänden“ verboten und verschwinden lassen. Und weiter: „Als bedeutend moralischer galt es schon, den Raum, den früher ein ziemlich enges Badkämmerlein einnahm, wenn möglich an zwei kinderreiche Familien teuer zu vermieten.“
db.
Zitate aus Sergius Golowins Buchveröffentlichungen
- Heimliches / Unheimliches – Lieben im alten Bern, 1971
- Lustige Eidgenossen – Die phantastische Geschichte der freien Schweiz, 1972, Neuausgabe 1998
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1. Die Ausstellung
BAUTÄTIGKEIT, HYGIENE und GESELLIGKEIT
Im städtischen Werkhof am Burgplatz auf dem Terrain des Fürstbischofs von Basel baut die Burgergemeinde an Türmen und Wehrgängen. Es ist Markttag, Bauern und Handwerker bieten ihre Waren auf dem Platz an auf Jörg Müllers Bild von Biel um 1500. Am Eingang der Badstube empfängt die Bademagd einen Kunden, im ersten Stock schaut der Bader – Bademeister, Wundarzt und Kräuterexperte - Rudolf Nüssli aus dem Fenster.
Anstand und Ärger
„Öffentliche Badstuben dienen der Hygiene und Geselligkeit“, schreibt die Historikerin Margrit Wick-Werder zu diesem Bilddetail im Bilderbuch zur Ausstellung. „Manchmal geht es in der Badstube richtig hoch zu und her. Doch die Meistersfrau hält auf Sitte und Anstand. Der Bader an der Untergasse bekam neulich grossen Ärger, weil seine Magd die Badegäste allzu grosszügig bedient haben soll.“
Eine Zeitreise
Das grosse Acrylbild der Altstadt von Biel um 1500 lädt ein zur Zeitreise, man sieht mehr und mehr Details, Menschen und Szenen. Ein riesiges Gemälde von Jörg Müller illustrierte auch die Ausstellung „Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch – Die Stadt um 1300“. Diese um das Jahr 2000 in Zürich und Süddeutschland gezeigte Ausstellung stellt eine exemplarische Stadt dieser Zeit im Raum Zürich/Ostschweiz/Baden-Würtemberg dar.
Prozess zwischen Historikerin und Maler
Die Bieler Sonderausstellung gibt ein Bild der typischen Stadt um 1500 im Mittelland. Sie geht von zeitgenössischen Quellen und heutigen archäologischen Untersuchungen aus und dokumentiert auch die Entstehung der Ausstellung als Prozess zwischen der Historikerin und dem Maler. Acrylbild und Bilderbuch fantasieren auf der Grundlage von bildlichen und schriftlichen historischen Quellen und Ergebnissen archäologischer Grabungen.
db.
Bilderbuch:
Jörg Müller, Margrit Wick-Werder: Bilder einer Stadt – Biel um 1500
Ausstellung, Katalog und Medienpaket für den Unterricht:
Bilder einer Stadt –Einblicke in fünf Jahrhunderte Geschichte der Stadt Biel
Ausstellung Museum Schwab Biel, Seevorstadt 50
bis 4. April 2009, http://www.muschwab.ch
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2. Badstube und Moral
SPIRITUALITÄT soll ZUSAMMENHALTEN und AUSGLEICHEN
Behörden und Privilegierte beschwerten sich während Jahrhunderten über den ausschweifenden und unmoralischen Betrieb in den Badstuben. Diese befriedigten wichtige Bedürfnisse der einfachen Bevölkerung, der Bürger und Adligen. Es ging um Hygiene, geselliges Zusammensein und mehr. Der Wein nahm Hemmungen, Kräuterdämpfe stimulierten, auch heute verbotene und diffamierte Pflanzen wurden noch selbstverständlich angewendet - es ging um Naturmedizin, Psychedelik und Reste von Spiritualität, deren Aufgabe es ist, nicht zu unterdrücken, alles zusammenzuhalten und Bedürfnisse und Interessen auszugleichen.
Verteufelung und Unterdrückung
Die Kirche hierarchisierte und patriarchalisierte im Mittelalter die Gesellschaft extrem. Riss Sinnlichkeit und Sexualität aus dem ganzheitlich-spirituellen Zusammenhang und aus dem gut ausbalancierten öffentlichen Leben. Verteufelte und unterdrückte natürliche Bedürfnisse, die im Versteckten zum Beispiel in Badstuben weiterlebten.
Lieblosigkeit und Lustigkeit
„Hier war die Kehrseite!“, hielt der verstorbene Berner Historiker und Ethnologe Sergius Golowin fest. „Hier wurde manche geheime Not sichtbar, ein Leben in Lieblosigkeit und in erzwungenen Ehen.“ Für Golowin waren die Badstuben auch Orte, an denen nicht „irgendwo aufgelesene höfliche und gelehrte Sätze“ ausgetauscht wurden: „Wahrscheinlich waren die Bäder der Aare-Venus (im Mattequartier) genau jener Ort, wo es in Bern nicht nur mit Abstand am lustigsten, sondern auch am klügsten zuging.“ Er sprach auch von auferstandenem Heidentum und antiken kommunistischen Utopien.
Reform und Doppelmoral
Im späten Mittelalter hatte sich das christliche Korsett gelockert, die machtbewussten kirchlichen und weltlichen Eliten sahen grossen Reformbedarf. Zucht und Ordnung wurden dann ab dem 16. Jahrhundert in Reformation und katholischer Kirchenreform mit Tod und Teufel, Feuer und Schwert durchgesetzt.
Erst im 19. Jahrhundert hat man laut Sergius Golowin die Bäder „nach und nach unter allerlei hochmoralischen Vorwänden“ verboten und verschwinden lassen. Und weiter: „Als bedeutend moralischer galt es schon, den Raum, den früher ein ziemlich enges Badkämmerlein einnahm, wenn möglich an zwei kinderreiche Familien teuer zu vermieten.“
db.
Zitate aus Sergius Golowins Buchveröffentlichungen
- Heimliches / Unheimliches – Lieben im alten Bern, 1971
- Lustige Eidgenossen – Die phantastische Geschichte der freien Schweiz, 1972, Neuausgabe 1998
23. Dezember 2008
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