«KMU-Familie»: Einsatz für eine menschliche Wirtschaft

Kunden und Unternehmen sollen sich zu neuen gesellschaftlichen Einheiten verbinden. Und gemeinsam gegen immer neue Vorschriften von Staat und Verbänden antreten. Soweit die Vision des neu gegründeten Vereins KMU-Familie.

Wer eine Offerte schreiben will, muss sich erst mal durch 300 Seiten Vorgaben und Bedingungen durchbeissen. Viele KMU müssen da Forfait geben. (Bild: shutterstocks)

KMU-Familie klingt wie Daniele Gansers Menschheitsfamilie. Es klingt nach Nähe, Zusammenhalt und Gemeinsamkeit. Und das sind auch Seby Elsener und Bärtis Amstutz’ Ziele. Elsener besitzt eine Schreinerei, Amstutz eine Holzenergiefirma und eine Gartenbaufirma in der Innerschweiz. Zusammen sitzen sie «in der Loki (Lokomotive)» der KMU-Familie, wie Elsener sich ausdrückt. 

«Statt zu fragen, wie ich profitieren kann, muss die Frage lauten, was für Stärken ich einbringen kann.»

Die KMU-Familie wurde vor zwei Jahren gegründet. Allerdings versteht sich der Verein nicht als Leistungserbringer für seine Mitglieder. Elsener: «Statt zu fragen, wie ich profitieren kann, muss die Frage lauten, was für Stärken ich einbringen kann.» Ein Verein, der seinen Mitgliedern in erster Linie nicht zu Leistungen verhilft, sondern eine Haltung vermittelt. «Wir haben eine Haltungsidentität». Die zielt darauf, Kooperationen lokal und regional zu stärken. Und  Bürokratie und überhaupt den Regulierungswahn abzubauen. Die KMU-Familie möchte Unternehmer, Mitarbeiter und Kunden zu einer neuen, selber gestalteten gesellschaftlichen Einheit vereinen.

Die KMUs haben eine grosse Kraft. Das sind, je nach Zählart, bis zu einer halben Million Unternehmen mit einer Million Beschäftigte. Bei ihnen rumort es schon längst. Die sogenannte Coronapandemie hat schliesslich die KMU-Familie ins Rollen gebracht. Denn es wurde allzu deutlich, dass die «Kleinen» kaputtgemacht werden. Derweil es den Bäckern, Buchhändlern, Gastwirten, Metzgern, verboten war, aufzusperren, wanderten die Menschen im Lockdown ins Internet ab, bestellten nach Herz und Laune bei den Grossen, die dicker und dicker wurden und werden.

Die bestehenden Gewerbevertretungen haben die Massnahmen aber nicht nur brav vollzogen. Sie machen auch nichts gegen die Auflagen, die den Handwerkern und Unternehmern das Leben schwer, ja schier unmöglich machen. Amstutz erzählt von bis zu 300-seitigen Submissionsdossiers mit ellenlangen, schwer verständlichen Bedingungen, Vorschriften und merkwürdigen Geheimhaltungsvereinbarungen, die die KMUs lesen, verstehen und unterschreiben sollten. 

«Ohne juristische Begleitung geht das kaum mehr», sagt Amstutz. «Wie soll sich das ein mittlerer KMU-Betrieb leisten können?» fragt Seby Elsener lakonisch.

Da muss man schon so viel Glück haben wie Bärti Amstutz: Seine Firma verfügt über spezielles Wissen in der Holzaschenlogistik bietet entsprechende Systeme für die Entsorgung oder.die Wiederverwertung von Asche an. Ein Industriebetrieb wollte ein solches System haben. «Ich habe denen gesagt: Wir liefern das gerne, aber das Papier mit euren Vorschriften, Bedingungen und Auflagen unterschreibe ich nicht.»

Nun mag Amstutz’ Firma ein Alleinstellungsmerkmal haben und deshalb dem Papierwust entgangen sein. Doch Bärti Amstutz ist sich sicher: «Das ist der Weg, den wir als KMU-Famile gehen wollen. Darin möchten wir einander bestärken.» Elsener nickt: «Wir müssen gemeinsam muterfüllt einen Weg der Eigenverantwortung gehen.»

«So dürfen langjährige Forst- oder Gartenarbeiter keine Motorsäge mehr anfassen, wenn sie nicht in einem Kurs ein Zertifikat erwarben.»

Allerdings machen die absurden Auflagen nicht bei den Submissionen halt. Auch der Alltag wird den Gewerbetreibenden durch ein übertriebenes Sicherheitsstreben von staatlichen Stellen, Versicherungen und Verbänden schon fast verunmöglicht. Amstutz: «So dürfen langjährige Forst- oder Gartenarbeiter keine Motorsäge mehr anfassen, wenn sie nicht in einem Kurs ein Zertifikat erwarben.» Und dies, obwohl sie schon Jahrzehnten mit diesen Geräten hantieren. Dazu gibt es noch etliche weitere Beispiele. Amstutz: «Ich frage mich, wo und wann das endet.» Dass die Kurse teuer und vom Arbeitgeber zu bezahlen sind, versteht sich fast von selbst. 

So bekommt der vielbeschworene Fachkräftemangel ein ganz neues Gesicht: Wer stellt schon gerne Menschen ein, die sich, vor sie mit der Arbeit beginnen können, erst in Kursen für Tätigkeiten zertifizieren lassen müssen, die sie schon beherrschen? Nicht nur der Fachkräftemangel bekommt ein Gesicht. Auch die Bürokratie. Die KMU’s müssen zum Beispiel ständig Zahlen und Daten für irgendwelche Statistiken abliefern.

Obenauf kommen die Klimamassnahmen: Die ökologischen Auflagen würden, so Elsener, das Bauen nicht wirklich ökologischer machen: «Das sogenannte FSC-Holz ist ein riesiges Zertifikatsgeschäft, mit Im- und Exporten, sodass man am Schluss nicht mehr weiss, wo das Holz her ist. Wenn ich hingegen einen Hochstämmer nehmen möchte, der hier bei uns gewachsen ist, dann wird es schwierig, weil ich ja kein FSC-Zertifikat habe.»

Und Kunden, die nichts vom smarten Haus halten? Pech gehabt. Elsener: «Ich bekomme heute bald kaum mehr Küchengeräte, die nicht mit WLAN ausgerüstet ist und ständig den CO2-Ausstoss messen.» 

Jungen Berufseinsteigern wird das Leben besonders schwer gemacht. «Früher», erzählt Bärti Amstutz, «konnten Jugendliche im Gartenbau, die keine so guten Noten haben, eine dreijährige Anlehre Plus absolvieren. Heute müssen solche jungen Menschen die zweijährige EBA-Lehre machen und wenn sie den «Knopf aufmachen» zusätzlich die dreijährige Lehre EFZ anhängen» Fünf anstatt drei Jahre! Das ist doch nicht attraktiv!»

Und: Was ist die Antwort der KMU-Familie darauf? «Wir müssen andere, menschfreundlichere Weg gehen, und uns für gemeinsame Projekte zusammenschliessen, respektive viel mehr zusammenarbeiten », erklärt Elsener. Und sich für Lösungen einsetzen, die nicht das Bequemste und Naheliegendste bevorzugen. Also seine Firma nicht einem Grossunternehmen verkaufen, mit «Leidenschaft, Bescheidenheit und Freude» selbst für eine Nachfolge sorgen.

Die KMU-Familie plant, in Vorträgen und individuell unterstützend ihre Visionen KMUs, Kunden und KMU-Organisationen näher zu bringen.

 

Gesicht zeigen

Die KMU-Familie hat Tischsteller und Kleber mit der Aufschrift «Wir orientieren uns an den Werten der KMU-Familie» erstellt. Interessierte können diese bestellen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, sein Porträt auf der Website zu veröffentlichen und so Gesicht zu zeigen. 

Bärti Amstutz und Seby Elsener (v.o.)

Bärti Amstutz

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19. März 2024
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