Kultur-Landwirtschaft: Die Erde, unsere Heimat

Landwirtschaft – unsere wichtigste Existenzgrundlage auf Erden – ist eine die Menschheit verbindende Aufgabe für das 21. Jahrhundert. Kapitel 3: Die Erde, unsere Heimat

Wir haben nur eine Erde. Foto: Mia Leu

Sein und Haben – Kulturland ein Gemeingut

Jeder Mensch hat mit seiner Geburt ein Anrecht auf Kulturland. Anrecht bedeutet jedoch nicht Besitz. Wem also soll der Boden gehören, auf und von dem wir leben?

Denken und Düngen wirken auf das Leben nur dann fruchtbar, wenn sie in ihrer Anwendung lebendig und organisch bleiben. Durch Umschaufeln veredeln wir den Dung zu Kompost, durch Umdenken verändern wir unsere Gewohnheiten: Boden muss ein unveräusserliches «Gemeingut» sein. Boden darf niemals zur Ware oder zu Anlagekapital werden. Jeder, der nachweislich dazu befähigt ist, sollte kostenlos das Anrecht haben, Boden zu pflegen und zu verwalten. Und dies immer unter der Prämisse: Zum Wohle von Menschen, Tieren und Natur.

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Dieser Beitrag stammt aus dem neuen Zeitpunkt-Magazins zum Thema: Das Hohelied der Landwirtschaft - hier können Sie es bestellen.
Den komplette Text von Andreas Beers veröffentlichen wir sukzessive in den kommenden Tagen veröffentlicht.

Eine gemeinschaftlich legitimierte Bodenreform in diesem Sinne wäre die Voraussetzung dafür. Bodenbesitz und deren rechtliche Absicherung weltweit ist das Grundübel schlechthin. Die Folgen davon sind: Kulturland- und Umweltzerstörung, Armut, Hunger und dadurch provozierte Migration. Um Land und Meere wird heute immer noch Krieg geführt – die modernen Waffen sind Hedgefonds, die Munition dazu sind von der Realwirtschaft abgekoppelten Kapitalflüsse. Kolonialisierung nannte man es früher, Land Grabbing nennt man es heute. Landinbesitznahme in welcher Form auch immer ist damals wie heute eines der gängigen strategischen Mittel zur Erhaltung von Kapital– und Machtstrukturen.

Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfarm gibt an, «dass in Entwicklungsländern seit 2001 über 220 Millionen Hektar Land von wenigen Investoren aufgekauft wurden. Die Herrschaft über Grundbücher wird bis heute weltweit nicht nur gerichtlich, sondern vielerorts mit roher privater wie staatlicher Gewalt geregelt».

FIAN International, das Food First Informations- und Aktions-Netzwerk, weist aktuell daraufhin, «dass wir in ganz Europa das gleiche Phänomen haben. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die flächenabhängigen Förderrichtlinien der EU. Dort kontrollieren 3% der Grundbesitzer mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen. Bei dieser Form von Land Grabbing könnte man von einer Landreform von oben sprechen oder der Etablierung neuer, privatwirtschaftlicher Kolonialverhältnisse». In diesem Zusammenhang sind auch die Vorgänge diesbezüglich in der Ukraine, mit den grössten Schwarzerderegionen der Welt, zu sehen. Schwarzerden gehören zu den fruchtbarsten und ertragsstärksten Kulturböden unserer Erde.

Wollen wir also die Probleme an der Wurzel packen, müssen wir auch beim grundlegenden Thema Bodenbesitz umdenken. Ohne dies, ist Kultur-Landwirtschaft, wie sie nachfolgend beschrieben wird, nicht realisierbar. Zur Erinnerung: «Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind».

Mensch und Natur

Auf drei Ebenen haben wir uns getrennt von der Natur, vom Zusammenhang zwischen Menschen und Erde. In dreifacher Weise stehen wir als handelnde Menschen in der Welt.

Mit unserem bewussten Denken, Fühlen und Wollen begreifen und gestalten wir die Welt, unser Leben. Im heutigen Denken und Vorstellen über das Leben ist uns die Erkenntnis über Wesen und Sinn darüber abhandengekommen. Für die Landwirtschaft bedeutet dies das Ende – sie stirbt uns leise unter den Händen weg.

Im Empfinden und Fühlen gegenüber dem Leben zeigen sich oft Unsicherheit und Angst. In unserem Wollen und Handeln manifestiert sich ausufernder Egoismus und Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Leben. Unser Fühlen und Empfinden ist vergleichbar mit den Elementar- oder Astralkräften, sprich den beseelten Lebensebenen unserer Erde. Das Denken in uns verhält sich vergleichbar den Lebens-Bilde-Kräften, sprich der Formschaffungskräfte, die allem Lebendigen zugrunde liegen. Das Wollen ist der Quell unserer Schaffenskraft in der Tat. Darin spiegelt sich die mögliche Weisheit der Welt als Ganzes. Seine förderliche Schöpfungskraft liegt in der geistigen Intension unseres Handelns.

Alles Leben findet irgendwo statt. Die Landschaft, die uns umgibt, ist immer Teil eines grösseren Ganzen. Die Landschaftsräume mit ihren spezifischen Naturgrundlagen ermöglichen die jeweiligen pflanzlichen–, tierischen und menschlichen Lebensformen. Über die Erde hinweg, bedingt durch ihre Lage, spricht die geographischen Zonen und den damit verbundenen atmosphärischen Faktoren, wie Wasser, Luft, Wärme und Licht, finden wir Lebensräume mit sehr unterschiedlichen Lebensgrundlagen. Nur auf einem begrenzten Teil unserer Erde, ist es für uns Menschen möglich dauerhaft autonom zu leben.

Die Welt erleben und begreifen im Kindesalter

Mit Urvertrauen und der Sehnsucht nach der Erde werden wir alle geboren. In der Kindheit strebt unsere Seele nach deren Bestätigung.

Erziehung und Bildung sind der fruchtbare Boden für unser späteres Denken, Fühlen und Handeln. Was wir damit Säen bildeten den Keim für die Früchte unser Erwachsenendaseins. Die Erziehungspraxis und Pädagogik der letzten hundert Jahre, arbeitet nach den Gesetzmässigkeiten einer Fabrik: Das Kind ist dabei der Rohstoff für eine Zukunft, wie wir sie uns vorstellen.

Leistungsdenken ist der Schmierstoff in unserer heutigen Pädagogikindustrie. Wissen wird eingetrichtert und abgefragt als wären unsere Kinder und Jugendliche Automaten. Das fängt schon in Kita und Kindergarten an und setzt sich lückenlos fort über alle Bildungsstufen bis in unsere Universitäten. Die Art des heutigen Lernens erscheint wie eine Krankheit, es ist eigentlich eine Form von Wissensbulimie: «reinstopfen und auskotzen». Ein professionelle Detailanalyse darüber liefert der deutsche Kinderarzt und Psychiater Helmut Bonney in seinem hervorragenden, 2021 veröffentlichten Buch, Rohstoff Kind – Zwischen Freiheit & Kontrolle (1).

Nicht zurück zum Alten, sondern an die Kernaufgabe der Pädagogik sollten wir gehen: Das Kostbarste, was das Kind mit ins Leben bringt, ist seine geistige und seelische Veranlagung. Diese anzuregen und zu fördern, ist die zentrale Aufgabe des Lehrens. Mit dem Begriff Lehren meine ich das Fördern und Raum-geben von Talent und Temperament, die von der Persönlichkeit des Kindes durch das Denken, Fühlen und Wollen bewusst geführt werden wollen. Dieses bewusste Führen bildet die Grundlage für das Entdecken und Entwickeln der individuellen Handlungsimpulse.

Die heutige Pädagogik hat sich, wie andere Wissenschaften auch, vollständig vom Leben verabschiedet. Was dabei herauskommt, führt zur Spaltung der Persönlichkeit und zu illusionärem Denken und Fühlen über das Leben. Der wesentliche Aspekt des menschlichen Lernens besteht in der konkreten Auseinandersetzung mit der Natur.

Lange bevor es die Institution Schule gab, lernten die Jüngeren durch aufmerksames Beobachten und durch Nachahmung von den Älteren. Die Kinder lernten von allem, was sie umgab: Von der Natur, den Tieren und Pflanzen. Der ausschliesslich existenzbildende Charakter dieses Lernens mit der Natur, erfüllte zugleich eine hohe sozialbildende Integrationsaufgabe.

Unsere heutige Welt sieht selbstverständlich anders aus, doch die Natur ist immer noch mit Ihrer Schönheit und Weisheit für uns da. In dem das Kind sich lernend mit den Naturprozessen auseinandersetzt, erfährt es an sich selbst, im physischen, seelischen und geistigen, Förderung und Lebensfreude, das nenne ich Lebensschule. Dieses elementare Lernen führt zur menschlichen Freiheit, welche nur im Denken möglich ist.

«Nicht gefragt soll werden, was braucht der Mensch zu wissen und zu können für die soziale Ordnung, die besteht, sondern: Was ist im Menschen veranlagt und kann in ihm entwickelt werden? Dann wird es möglich sein, der sozialen Ordnung immer neue Kräfte aus der heranwachsenden Generation zuzuführen. Dann wird in dieser Ordnung immer das leben, was die in sie eintretenden Menschen aus ihr machen. Nicht aber wird aus der heranwachsenden Generation das gemacht werden, was die bestehende soziale Organisation aus ihr machen will». (Rudolf Steiner)

Die Erde – unser Leben

Wir haben nur eine Erde. Sie bildet die physische Grundlage für das Leben aller Naturreiche und der Menschheit. Auch wenn man heute vieles in Frage stellen kann, dieses Faktum wohl nicht.

Der überwiegende Teil der Weltbevölkerung lebt in den bevorzugten Gebieten unserer Erde. Nur wenige Menschengemeinschaften leben in den kargen Randgebieten, zum Beispiel in den kälteren, den angrenzenden Regionen der Nord– und Südpolaren Regionen unserer Erde, oder in den weitausgedehnten, an die Wüstengebiete angrenzenden Steppen– und Savannenregionen.

Ein weiterer, von den Menschen sehr wenig besiedelter Raum bilden die tropischen und subtropischen Regionen der Erde. Gerade diese Lebensräume zeichnen sich jedoch durch ihr ausserordentliche starke Wachstumskräfte und eine beispiellose Artenvielfalten von Pflanzen und Tieren aus. Diese Regionen kann man als die grüne Lunge unserer Erde bezeichnen. Das Festland, also die terrestrischen Regionen, bilden rund 29 Prozent der Erdoberfläche.

Die Wasserfläche der Ozeane bedecken mit rund 71 Prozent den Rest unserer Erde. Diese Wasserflächen, mit Ausnahme der darin liegenden Inseln, bietet bis heute noch keinen dauerhaften Lebensraum für uns Menschen. Gleichzeitig haben diese riesigen Wasserflächen den grössten Einfluss auf das Weltklima, das wiederum für unsere Lebensgrundlage und Nahrungsmittelversorgung auf dem Festland massgebend ist. Die Ozeane dienen darüber hinaus rund einer Milliarde Menschen als Hauptnahrungsgrundlage.

Der von den Menschen nicht bewohnbare Teil unserer Erde, rund fünfundachtzig Prozent, bildet mit seinen global wirksamen Faktoren die Lebensgrundlage für den Rest des bewohnbaren Teils unserer Erde, rund fünfzehn Prozent. Angesichts dieser Tatsache sollten wir bestrebt sein, die lebensspendenden Qualitäten dieser Regionen nicht nur zu schützen, sondern sie zwingend zu erhalten.

Diese Regionen bilden die Grundlage für die global wichtigsten terrestrischen Wachstums– und Fruchtbarkeitsfaktoren: Sauerstoffbildung und Kohlenstoffbindung, Photosynthese, Pflanzenbildung und die daraus resultierende Ernährungsgrundlage für Mensch und Tier. Auf den verbleibenden, bewohnbaren, rund fünfzehn Prozent unserer Erde, finden wir noch eine Vielzahl von sich gegenseitig beeinflussenden Landschaftsformen die den Menschen seit tausenden von Jahren als Lebensraum dienen.

Die Ozeane mit ihrer maritimen Flora, so wie Seen, Flusssysteme und die gesamte Flora, sprich Pflanzendecke unserer Festlanderde, im Besonderen alle vom Menschen nicht direkt beanspruchten Lebensräume wie Urwälder, Feuchtgebiete, Moore, Steppen und Grasland bilden die Lunge unserer Erde. Gleichzeitig wird mit dem stetigen Wachstum der maritimen und terrestrischen Flora unserer Erde, mit Hilfe des Sonnenlichts und der atmosphärischen Wärme, der grösste Anteil aller Kohlenstoffvorräte auf unserem Planeten gebunden und in dauerhafte Fruchtbarkeit verschiedenster Art umgewandelt.

Diese Fruchtbarkeit ist Grundlage für Gesundheit, Vielfalt und Schönheit unserer Naturräume, unserer Landschaften, unserer Lebensräume, kurz gesagt unserer Erde. Diese Fruchtbarkeit kann uns als Mensch, wenn wir uns wieder dafür öffnen, auf unterschiedlichen Ebenen berühren: Wir können sie sehen und gedanklich erfassen, wir können sie empfinden und seelisch erleben, wir können sie als übergeordnete Weisheit in uns und um uns wahrnehmen.

Fruchtbare Böden – unsere Existenz

Wir nutzen die fruchtbaren Böden unserer Welt, als wären sie unerschöpfliche Quellen. Doch sie sind in menschlichen Zeiträumen gemessen nicht erneuerbar.

Damit zehn Zentimeter fruchtbarer Boden entstehen, braucht es unter günstigen Bedingungen rund zweitausend Jahre. Über einen Zeitraum von ungefähr zehntausend Jahren haben die Menschen über viele Generationen hinweg unsere fruchtbaren Böden und Landschaften, sprich Kulturlandschaften geschaffen.

In nur hundert Jahren schafften es drei Generationen, diese Kultur–Landschaft zunehmend veröden und teilweise gänzlichst verschwinden zu lassen. Die grünen Lungen unserer Erde wurden und werden immer noch in einem unsinnigen Masse zerstört. Ozeane werden totgefischt, verschmutzt und mit Plastikmüll verseucht. Unsere Trinkwasservorräte, sprich Seen, Flüsse, Bäche, Quellen und Grundwasser werden mit Chemikalien verschmutzt, verseucht und teilweise bis zum Lebensstillstand vergiftet (2).

In dieser Hinsicht tritt der Mensch grosso modo, mit seinem zutiefst materialistischen Denken, seinem empathielosen Fühlen und seinem egoistischen Handeln, als das wohl übelste Virus in den vergangenen hundert Jahren auf. Das muss nicht sein!

Quellen:

(1) Helmut Bonney: Rohstoff Kind–Zwischen Freiheit und Kontrolle. Carl–Auer Verlag, 2021.

(2) Eine aufschlussreiche Dokumentation dazu bietet der Bodenatlas 2015, Daten und Fakten über Acker, Land und Erde. Heinrich Böll Stiftung / Le Monde Diplomatique (2015)

24. Mai 2024
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