Wie die globalisierte Wirtschaft Geld macht
Es raschelt nicht in den Tresoren, wenn die Banken Ihr Geld arbeiten lässt, wie sie es in der Werbung versprechen. Wie das globalisierte Geld tatsächlich «arbeitet», dies zeigt der Film «Let‘s make money» in Bildern, die an Deutschlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Der Film hat das Zeug, die Protestbewegung gegen die Finanzoligarchie zu beschleunigen.
Mit «we feed the world» hat Erwin Wagenhofer die Bilder zum unsinnigen Food-Geschäft geliefert und damit den erfolgreichsten österreichischen Dokumentarfilm produziert. «Let’s make money», der im Januar in die Schweizer Kinos kommt, dürfte diesen Erfolg noch übertreffen. Drei Jahre lang hat er an der Dokumentation der globalen Finanzströme gearbeitet und mit der Premiere im Herbst einen idealen Zeitpunkt getroffen.
Hier ist Selbsthilfe angesagt
«Let’s make money» folgt dem Weg unseres Geldes, dorthin wo spanische Bauarbeiter, afrikanische Bauern oder indische Arbeiter unser Geld vermehren und selbst bettelarm bleiben. Der Film zeigt uns die gefeierten Fondsmanager, die das Geld ihrer Kunden jeden Tag aufs Neue anlegen. Zu sehen sind Unternehmer, die zum Wohle ihrer Aktionäre ein fremdes Land abgrasen, solange Löhne und Steuern niedrig und die Umweltbelange egal sind. Und wir erfahren, wie es auf dem Globus zu einer unglaublichen Geldvermehrung gekommen ist.
«Let’s make money» zeigt uns einige Zwischenstationen dieser Geldvermehrungsreise, wie die Schweiz, London oder die Steueroase Jersey, das reichste Land Europas. Der Film besucht die indische 8-Millionen-Stadt Chennai (früher Madras), wo ein Drittel der Bevölkerung in grösster Armut lebt, auf den Strassen, am Strand und an den Kloaken, die einstmals Flüsse waren und wo der österreichische Investor Mirko Kovats von Billiglöhnen profitiert und sagt: «Hier schreit keiner nach dem Staat, hier ist Selbsthilfe angesagt, hier geht’s nur um die Wirtschaft.»
Und vor der glitzernden Skyline von Singapur erklärt Mark Mobius, «father of the emerging markets» und Herr über den 50 Milliarden Dollar schweren «Templeton Emerging Markets»-Fond: «Ich glaube nicht, dass ein Investor verantwortlich ist für die Ethik, für die Verschmutzung oder das, was eine Firma verursacht, in die er investiert. Das ist nicht seine Aufgabe.»
Der Film führt uns auch nach Burkina Faso, wo die Baumwolle die beste Qualität und die niedrigsten Produktionskosten der Welt hat. Die Menschen verdienen 50 Euro – pro Jahr! –, die Böden sind von der Monokultur zerstört, das Elend ist mit Händen zu greifen. Oder die Ahafo Mine in Ghana: In mühsamer Arbeit wird Gold gewonnen, eingeschmolzen und sofort in die Schweiz geflogen. Der Verteilungsschlüssel ist klar: 3 Prozent bleiben in Afrika, 97 gehen an den Westen. Die Mine entstand mit Unterstützung der Weltbank, die gemäss ihren Statuten die Entwicklung fördern soll.
«privare» heisst berauben
Sobald man die drastische Ausbeutung begriffen hat, kehrt der Film nach Europa zurück, zum Beispiel in die Wiener Strassenbahn, die die Stadt für über eine Milliarde Dollar an einen amerikanischen Investor verkaufte. Das Geld ging aber nicht an die Stadt Wien, sondern direkt an englische Banken, die für die Stadt die Leasing-Gebühren bezahlen, damit die Wiener ihre verkauften Strassenbahnen wieder benützen dürfen. So wie Wien haben hunderte von europäischen Städten ihre Infrastruktur im so genannten «Cross Border leasing» verschachert. Hermann Scheer, deutscher Bundestagsabgeordneter und Träger des alternativen Nobelpreises, spricht im Film Klartext: «Privatisierung kommt von privare, ein lateinisches Wort mit der Bedeutung ‹berauben›. Wenn nun eine Privatisierung stattfindet, dann werden Gemeinschaftsgüter von privaten Interessenten aufgekauft – oder sogar verschenkt ... und das ist nichts anderes, als eine Beraubung der Gemeinschaft.»
Geradezu absurd ist der Besuch in Südspanien: Drei Millionen leere Häuser stehen da zwischen 800 Golfplätzen, gebaut in der Erwartung auf laufende Preissteigerungen, bezahlt mit Geld von Pensionskassen und Immobilienfonds. Wenn einmal ein Hotelkomplex in einem Naturschutzgebiet gebaut wurde und nicht nachträglich legalisiert werden kann, muss er halt abgerissen und der Investor grosszügig entschädigt werden – auf Kosten der Steuerzahler.
«Wir schreiben die Gesetze» – es ist legal
Fast unheimlich ist das Gespräch mit John Perkins über seine frühere Tätigkeit als Economic Hitman, als Wirtschaftskiller: «Wirtschaftskiller suchen ein Land mit Ressourcen aus, mit denen unsere Firmen arbeiten. Erdöl zum Beispiel. Dann arrangieren wir einen riesigen Kredit für das Land von der Weltbank oder einer ihrer Schwesterorganisationen. Doch dieses Geld kommt nie in diesem Land an. Stattdessen fliesst es an unsere Firmen, die dafür riesige Infrastrukturprojekte in dem Land abwickeln. Dinge, die wenigen Reichen in dem Land nützen sowie unseren Firmen. Doch den meisten Menschen bringen sie nichts, weil sie zu arm dafür sind. Doch die arme Bevölkerung muss nun so riesige Schulden abtragen, dass sie sie niemals zurückzahlen können. So sagen die Wirtschaftskiller zu den Leuten: Ihr könnt eure Schulden nicht bezahlen, also zahlt uns in Naturalien. Verkauft euer Öl billig an unsere Ölfirmen, stimmt bei der nächsten kritischen UNO-Abstimmung mit uns. Unterstützt unsere Truppen, z.B. im Irak. Auf diese Art und Weise gelang es uns, dieses Imperium zu schaffen. Denn Tatsache ist: Wir schreiben die Gesetze. Wir kontrollieren die Weltbank. Wir kontrollieren den Internationalen Währungsfonds. Wir kontrollieren sogar die UNO in hohem Masse. Wir schreiben also die Gesetze. Insofern tun Wirtschaftskiller nichts Ungesetzliches.»
«Let’s make money» endet im deutschen Reichstag vor den Graffiti der sowjetischen Soldaten von 1945 und Hermann Scheer sagt, was niemand hören will, aber gesagt werden muss: «Wenn wir so weitermachen, dann kommen neue Selektionsmechanismen zwischen Staaten, zwischen Rassen, zwischen Religionen, zwischen berechtigten Menschen und unberechtigten, zwischen wertvollen und nicht wertvollen Menschen, dann wird der monetäre Wert des Menschen irgendwann in den Vordergrund geschoben und dann beginnt ein neues Zeitalter der Barberei. Das ist unausweichlich.»
Der Film ist in Österreich verdientermassen gut gestartet, noch besser als «We feed the world». Ob daraus eine Bewegung entsteht, wie vor ein paar Jahren in Kanada mit dem sehr erfolgreichen Dokumentarfilm «The Corporation», bleibt abzuwarten. «Ich bin Filmemacher, nicht Aktivist», sagt Erwin Wagenhofer. Aber sein Film könnte die Menschen ganz gehörig aktivieren. Zu wünschen wäre es.
Christoph Pfluger
Let’s make money läuft ab dem 22. Januar in den Schweizer Kinos.
http://letsmakemoney.de/
Das Buch zum Film: Caspar Dohmen: Let‘s make money – was macht die Bank mit unserem Geld? Orange Press, 2008. 256 S. Fr. 35.90 / Euro 20.-.
http://www.orange-press.com/programm/alle-titel/lets-make-money.html
Der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen begleitete den Film auf seiner Verfolgungsreise um die globalisierte Welt. Wo der Film die verschiedenen Seiten von Wachstum und Wahnsinn zeigt, erläutert er in seinem Buch die Hintergründe und klärt auf über die Zusammenhänge zwischen Staatsverschuldung und Steuerparadiesen, Sweatshops und Subprimekrisen. Wer die starken Bilder des Films nicht wieder abklingen lassen will, braucht dazu die starken Zahlen.
Mit «we feed the world» hat Erwin Wagenhofer die Bilder zum unsinnigen Food-Geschäft geliefert und damit den erfolgreichsten österreichischen Dokumentarfilm produziert. «Let’s make money», der im Januar in die Schweizer Kinos kommt, dürfte diesen Erfolg noch übertreffen. Drei Jahre lang hat er an der Dokumentation der globalen Finanzströme gearbeitet und mit der Premiere im Herbst einen idealen Zeitpunkt getroffen.
Hier ist Selbsthilfe angesagt
«Let’s make money» folgt dem Weg unseres Geldes, dorthin wo spanische Bauarbeiter, afrikanische Bauern oder indische Arbeiter unser Geld vermehren und selbst bettelarm bleiben. Der Film zeigt uns die gefeierten Fondsmanager, die das Geld ihrer Kunden jeden Tag aufs Neue anlegen. Zu sehen sind Unternehmer, die zum Wohle ihrer Aktionäre ein fremdes Land abgrasen, solange Löhne und Steuern niedrig und die Umweltbelange egal sind. Und wir erfahren, wie es auf dem Globus zu einer unglaublichen Geldvermehrung gekommen ist.
«Let’s make money» zeigt uns einige Zwischenstationen dieser Geldvermehrungsreise, wie die Schweiz, London oder die Steueroase Jersey, das reichste Land Europas. Der Film besucht die indische 8-Millionen-Stadt Chennai (früher Madras), wo ein Drittel der Bevölkerung in grösster Armut lebt, auf den Strassen, am Strand und an den Kloaken, die einstmals Flüsse waren und wo der österreichische Investor Mirko Kovats von Billiglöhnen profitiert und sagt: «Hier schreit keiner nach dem Staat, hier ist Selbsthilfe angesagt, hier geht’s nur um die Wirtschaft.»
Und vor der glitzernden Skyline von Singapur erklärt Mark Mobius, «father of the emerging markets» und Herr über den 50 Milliarden Dollar schweren «Templeton Emerging Markets»-Fond: «Ich glaube nicht, dass ein Investor verantwortlich ist für die Ethik, für die Verschmutzung oder das, was eine Firma verursacht, in die er investiert. Das ist nicht seine Aufgabe.»
Der Film führt uns auch nach Burkina Faso, wo die Baumwolle die beste Qualität und die niedrigsten Produktionskosten der Welt hat. Die Menschen verdienen 50 Euro – pro Jahr! –, die Böden sind von der Monokultur zerstört, das Elend ist mit Händen zu greifen. Oder die Ahafo Mine in Ghana: In mühsamer Arbeit wird Gold gewonnen, eingeschmolzen und sofort in die Schweiz geflogen. Der Verteilungsschlüssel ist klar: 3 Prozent bleiben in Afrika, 97 gehen an den Westen. Die Mine entstand mit Unterstützung der Weltbank, die gemäss ihren Statuten die Entwicklung fördern soll.
«privare» heisst berauben
Sobald man die drastische Ausbeutung begriffen hat, kehrt der Film nach Europa zurück, zum Beispiel in die Wiener Strassenbahn, die die Stadt für über eine Milliarde Dollar an einen amerikanischen Investor verkaufte. Das Geld ging aber nicht an die Stadt Wien, sondern direkt an englische Banken, die für die Stadt die Leasing-Gebühren bezahlen, damit die Wiener ihre verkauften Strassenbahnen wieder benützen dürfen. So wie Wien haben hunderte von europäischen Städten ihre Infrastruktur im so genannten «Cross Border leasing» verschachert. Hermann Scheer, deutscher Bundestagsabgeordneter und Träger des alternativen Nobelpreises, spricht im Film Klartext: «Privatisierung kommt von privare, ein lateinisches Wort mit der Bedeutung ‹berauben›. Wenn nun eine Privatisierung stattfindet, dann werden Gemeinschaftsgüter von privaten Interessenten aufgekauft – oder sogar verschenkt ... und das ist nichts anderes, als eine Beraubung der Gemeinschaft.»
Geradezu absurd ist der Besuch in Südspanien: Drei Millionen leere Häuser stehen da zwischen 800 Golfplätzen, gebaut in der Erwartung auf laufende Preissteigerungen, bezahlt mit Geld von Pensionskassen und Immobilienfonds. Wenn einmal ein Hotelkomplex in einem Naturschutzgebiet gebaut wurde und nicht nachträglich legalisiert werden kann, muss er halt abgerissen und der Investor grosszügig entschädigt werden – auf Kosten der Steuerzahler.
«Wir schreiben die Gesetze» – es ist legal
Fast unheimlich ist das Gespräch mit John Perkins über seine frühere Tätigkeit als Economic Hitman, als Wirtschaftskiller: «Wirtschaftskiller suchen ein Land mit Ressourcen aus, mit denen unsere Firmen arbeiten. Erdöl zum Beispiel. Dann arrangieren wir einen riesigen Kredit für das Land von der Weltbank oder einer ihrer Schwesterorganisationen. Doch dieses Geld kommt nie in diesem Land an. Stattdessen fliesst es an unsere Firmen, die dafür riesige Infrastrukturprojekte in dem Land abwickeln. Dinge, die wenigen Reichen in dem Land nützen sowie unseren Firmen. Doch den meisten Menschen bringen sie nichts, weil sie zu arm dafür sind. Doch die arme Bevölkerung muss nun so riesige Schulden abtragen, dass sie sie niemals zurückzahlen können. So sagen die Wirtschaftskiller zu den Leuten: Ihr könnt eure Schulden nicht bezahlen, also zahlt uns in Naturalien. Verkauft euer Öl billig an unsere Ölfirmen, stimmt bei der nächsten kritischen UNO-Abstimmung mit uns. Unterstützt unsere Truppen, z.B. im Irak. Auf diese Art und Weise gelang es uns, dieses Imperium zu schaffen. Denn Tatsache ist: Wir schreiben die Gesetze. Wir kontrollieren die Weltbank. Wir kontrollieren den Internationalen Währungsfonds. Wir kontrollieren sogar die UNO in hohem Masse. Wir schreiben also die Gesetze. Insofern tun Wirtschaftskiller nichts Ungesetzliches.»
«Let’s make money» endet im deutschen Reichstag vor den Graffiti der sowjetischen Soldaten von 1945 und Hermann Scheer sagt, was niemand hören will, aber gesagt werden muss: «Wenn wir so weitermachen, dann kommen neue Selektionsmechanismen zwischen Staaten, zwischen Rassen, zwischen Religionen, zwischen berechtigten Menschen und unberechtigten, zwischen wertvollen und nicht wertvollen Menschen, dann wird der monetäre Wert des Menschen irgendwann in den Vordergrund geschoben und dann beginnt ein neues Zeitalter der Barberei. Das ist unausweichlich.»
Der Film ist in Österreich verdientermassen gut gestartet, noch besser als «We feed the world». Ob daraus eine Bewegung entsteht, wie vor ein paar Jahren in Kanada mit dem sehr erfolgreichen Dokumentarfilm «The Corporation», bleibt abzuwarten. «Ich bin Filmemacher, nicht Aktivist», sagt Erwin Wagenhofer. Aber sein Film könnte die Menschen ganz gehörig aktivieren. Zu wünschen wäre es.
Christoph Pfluger
Let’s make money läuft ab dem 22. Januar in den Schweizer Kinos.
http://letsmakemoney.de/
Das Buch zum Film: Caspar Dohmen: Let‘s make money – was macht die Bank mit unserem Geld? Orange Press, 2008. 256 S. Fr. 35.90 / Euro 20.-.
http://www.orange-press.com/programm/alle-titel/lets-make-money.html
Der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen begleitete den Film auf seiner Verfolgungsreise um die globalisierte Welt. Wo der Film die verschiedenen Seiten von Wachstum und Wahnsinn zeigt, erläutert er in seinem Buch die Hintergründe und klärt auf über die Zusammenhänge zwischen Staatsverschuldung und Steuerparadiesen, Sweatshops und Subprimekrisen. Wer die starken Bilder des Films nicht wieder abklingen lassen will, braucht dazu die starken Zahlen.
30. Dezember 2008
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