Nachhaltigkeit braucht neues Wirtschaftssystem
«World Resources Forum» vom 15./16. September in Davos und Nagoya
Die Eidg. Materialprüfungsanstalt EMPA ist eine erstaunliche Behörde. Sie sorgt nicht nur dafür, dass die Stoffe und Materialien im Wirtschaftskreislauf den Standards entsprechen, sie forscht auch in den verschiedensten Gebieten und organisiert relevante Veranstaltungen. So forderte das von der EMPA mit anderen Organisationen ausgerichtete «World Resources Forum» vom 15./16. September in Davos eine Ausrichtung der Wirtschaft auf die Naturgesetze – bemerkenswert für eine technische Behörde und ein deutliches Zeichen, dass das Umdenken auch auf Ebenen stattfindet, die man nicht von vornherein erwartet. Schon bald dürften die Banker und Politiker die letzten sein, die in den alten Strukturen verharren.
Nachfolgend die offizielle Medienmitteilung des WFR:
Der Klimawandel ist nur ein Symptom eines viel ernsteren Problems: Unser heutiges Wirtschaftssystem braucht zu viel Ressourcen. Zum Abschluss des «World Resources Forum» (WRF) verabschiedeten die Teilnehmenden am 16. September in Davos eine Deklaration mit Vorschlägen, wie diesem Problem begegnet werden kann. Kernpunkt darin: In internationalen Vereinbarungen muss die Politik einen maximalen materiellen Ressourcenverbrauch pro Kopf und Jahr festlegen.
Zum ersten «World Resources Forum» (WRF) trafen sich am 15. und 16. September führende Fachleute aus aller Welt in Davos und im japanischen Nagoya. In seiner Botschaft an das WRF warnte der deutsche Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: «Wir Europäer verbrauchen zehn Mal mehr natürliche Ressourcen als Afrikaner oder Vietnamesen. Wenn sich alle auf unserem Planeten so verhielten wie wir, so würden wir im Jahr 2050 mindestens zwei Planeten mehr brauchen, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen». Heutzutage entnimmt die Menschheit pro Jahr der Erde rund 60 Milliarden Tonnen Rohstoffe. Das sind 50 Prozent mehr als vor 30 Jahren. Um einen Franken Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften, benötigt die Weltwirtschaft zwar etwa 30 Prozent weniger Ressourcen als noch vor 30 Jahren. Trotzdem wächst der Ressourcenverbrauch weiter.
Neue politische Rahmenbedingungen gefragt
Die Teilnehmenden am WRF sahen die Übernutzung der natürlichen Ressourcen als Hauptursache für die wachsende Störung und Destabilisierung des Ökosystems, was sich unter anderem im Klimawandel spiegelt. Deswegen wurde in der Deklaration zum WRF vorgeschlagen, den Ressourcenverbrauch des westlichen Wirtschaftssystems massiv zu senken, das heisst, die Ressourcenproduktivität drastisch zu erhöhen. Für diese gewaltige Herausforderung braucht es Innovationsschübe.
Solange die natürlichen Ressourcen allerdings billig sind im Vergleich zu Arbeit, wird die Industrie nicht freiwillig diesen Weg beschreiten. Nur die Politik kann durch die Änderung der Rahmenbedingungen hier Anreize schaffen. Die Preise für Ressourcen müssen die ökologische Wahrheit zeigen. Diese und viele weitere politische Massnahmen und die gesteigerte Ressourcenproduktivität lassen den aufstrebenden Ländern Raum für ihre Entwicklung.
Declaration of the World Resources Forum – Call for Action
Wir halten Entscheidungsträger in allen Ländern dazu an, eine Strategie für den Umgang mit Ressourcen zu übernehmen, die mit folgenden Elementen in Einklang steht:
1. Streben nach internationalen Übereinkommen betreffend weltweiten Pro-Kopf-Zielen für die Ausbeutung und den Verbrauch natürlicher Ressourcen, die spätestens bis 2015 in Kraft getreten sein sollen. Das Hauptziel dieser Übereinkommen besteht darin, die ökonomische Entwicklung und der Ressourcenverbrauch vollständig zu entkoppeln, mit der Folge von geringerem Ressourceneinsatz bei gleichzeitig mehr Wert.
2. Einführen von effektiven politischen Massnahmen, um die Ressourcenproduktivität wie auch die Drosselung der Nachfrage über die Zeit stark zu erhöhen. Dies soll in Form von Standards, höheren Steuern für den Ressourcenverbrauch – mit der Möglichkeit von tieferen Steuern in anderen Gebieten –, Obergrenzen, Handelsmechanismen und weiterem geschehen.
3. Einführen – mit Dringlichkeit – von Zielen für den Ressourcenverbrauch in Bereichen mit spezieller Wichtigkeit – wie Süsswasser, Rohstoffe aus den Meeren und tropische Wälder –, um der rapiden Zerstörung der Ökosysteme und der Biodiversität Einhalt zu gebieten.
4. Fokussieren der Forschung und der Entwicklung auf das Ziel hin, die Ressourcenproduktivität zu steigern. Die entstehenden Innovationen erzeugen den Raum für Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung. Als Nebeneffekt werden die einzelnen Volkswirtschaften und Städte weniger abhängig von Ressourceneinfuhren, im Besonderen von fossilen Energieträgern.
5. Streben nach gesellschaftlichem Konsens bis 2012 über ökologische und ökonomische Indikatoren (auf Mikro-, Meso- und Makroniveau) im Einklang mit den Naturgesetzen und jenseits des BIP. Industrie und Politik müssen diese Indikatoren immer anwenden, wenn sie über erreichte Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit berichten. Die Indikatoren müssen auch Gegenstand von Lernprozessen auf allen Ausbildungsstufen werden.
6. Neugestalten der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die die Knappheit der natürlichen Ressourcen berücksichtigen, und Erkennen des Bedürfnisses für Gewinnung und Verkauf, um die umweltfreundliche und nachhaltige Entwicklung in den Ländern zu fördern, in denen Gewinnung und Verkauf geschieht.
7. Streben nach Dialog mit der Wirtschaft, um Geschäftsmodelle neu zu gestalten, in denen Einkünfte vermehrt durch die Dienstleistungsqualität statt durch den Verkauf von Gütern erzielt werden.
8. Einen Prozess initiieren, um Lebensstile zu überdenken und Konsummuster zu entwickeln, die auf hinreichender Menge und Qualität und dem sorgfältigen Einsatz natürlicher Ressourcen basieren. Traditionelles Wissen, Weisheit und Spiritualität sollen inspirieren und helfen bei der Gestaltung von Ausbildung und Politik.
9. Stärken der Ausbildung, um das Bewusstsein für die Grenzen der Ressourcen, speziell unter Ökonomen, zu vergrössern, und Fördern der Fähigkeit von Entscheidungsträgern, langfristige und systemische Trends zu analysieren und durch Nachhaltigkeit angetriebene Innovation umzusetzen.
Die komplette Deklaration (in Englisch) können Sie unter www.worldresourcesforum.org abrufen.
Nachfolgend die offizielle Medienmitteilung des WFR:
Der Klimawandel ist nur ein Symptom eines viel ernsteren Problems: Unser heutiges Wirtschaftssystem braucht zu viel Ressourcen. Zum Abschluss des «World Resources Forum» (WRF) verabschiedeten die Teilnehmenden am 16. September in Davos eine Deklaration mit Vorschlägen, wie diesem Problem begegnet werden kann. Kernpunkt darin: In internationalen Vereinbarungen muss die Politik einen maximalen materiellen Ressourcenverbrauch pro Kopf und Jahr festlegen.
Zum ersten «World Resources Forum» (WRF) trafen sich am 15. und 16. September führende Fachleute aus aller Welt in Davos und im japanischen Nagoya. In seiner Botschaft an das WRF warnte der deutsche Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: «Wir Europäer verbrauchen zehn Mal mehr natürliche Ressourcen als Afrikaner oder Vietnamesen. Wenn sich alle auf unserem Planeten so verhielten wie wir, so würden wir im Jahr 2050 mindestens zwei Planeten mehr brauchen, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen». Heutzutage entnimmt die Menschheit pro Jahr der Erde rund 60 Milliarden Tonnen Rohstoffe. Das sind 50 Prozent mehr als vor 30 Jahren. Um einen Franken Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften, benötigt die Weltwirtschaft zwar etwa 30 Prozent weniger Ressourcen als noch vor 30 Jahren. Trotzdem wächst der Ressourcenverbrauch weiter.
Neue politische Rahmenbedingungen gefragt
Die Teilnehmenden am WRF sahen die Übernutzung der natürlichen Ressourcen als Hauptursache für die wachsende Störung und Destabilisierung des Ökosystems, was sich unter anderem im Klimawandel spiegelt. Deswegen wurde in der Deklaration zum WRF vorgeschlagen, den Ressourcenverbrauch des westlichen Wirtschaftssystems massiv zu senken, das heisst, die Ressourcenproduktivität drastisch zu erhöhen. Für diese gewaltige Herausforderung braucht es Innovationsschübe.
Solange die natürlichen Ressourcen allerdings billig sind im Vergleich zu Arbeit, wird die Industrie nicht freiwillig diesen Weg beschreiten. Nur die Politik kann durch die Änderung der Rahmenbedingungen hier Anreize schaffen. Die Preise für Ressourcen müssen die ökologische Wahrheit zeigen. Diese und viele weitere politische Massnahmen und die gesteigerte Ressourcenproduktivität lassen den aufstrebenden Ländern Raum für ihre Entwicklung.
Declaration of the World Resources Forum – Call for Action
Wir halten Entscheidungsträger in allen Ländern dazu an, eine Strategie für den Umgang mit Ressourcen zu übernehmen, die mit folgenden Elementen in Einklang steht:
1. Streben nach internationalen Übereinkommen betreffend weltweiten Pro-Kopf-Zielen für die Ausbeutung und den Verbrauch natürlicher Ressourcen, die spätestens bis 2015 in Kraft getreten sein sollen. Das Hauptziel dieser Übereinkommen besteht darin, die ökonomische Entwicklung und der Ressourcenverbrauch vollständig zu entkoppeln, mit der Folge von geringerem Ressourceneinsatz bei gleichzeitig mehr Wert.
2. Einführen von effektiven politischen Massnahmen, um die Ressourcenproduktivität wie auch die Drosselung der Nachfrage über die Zeit stark zu erhöhen. Dies soll in Form von Standards, höheren Steuern für den Ressourcenverbrauch – mit der Möglichkeit von tieferen Steuern in anderen Gebieten –, Obergrenzen, Handelsmechanismen und weiterem geschehen.
3. Einführen – mit Dringlichkeit – von Zielen für den Ressourcenverbrauch in Bereichen mit spezieller Wichtigkeit – wie Süsswasser, Rohstoffe aus den Meeren und tropische Wälder –, um der rapiden Zerstörung der Ökosysteme und der Biodiversität Einhalt zu gebieten.
4. Fokussieren der Forschung und der Entwicklung auf das Ziel hin, die Ressourcenproduktivität zu steigern. Die entstehenden Innovationen erzeugen den Raum für Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung. Als Nebeneffekt werden die einzelnen Volkswirtschaften und Städte weniger abhängig von Ressourceneinfuhren, im Besonderen von fossilen Energieträgern.
5. Streben nach gesellschaftlichem Konsens bis 2012 über ökologische und ökonomische Indikatoren (auf Mikro-, Meso- und Makroniveau) im Einklang mit den Naturgesetzen und jenseits des BIP. Industrie und Politik müssen diese Indikatoren immer anwenden, wenn sie über erreichte Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit berichten. Die Indikatoren müssen auch Gegenstand von Lernprozessen auf allen Ausbildungsstufen werden.
6. Neugestalten der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die die Knappheit der natürlichen Ressourcen berücksichtigen, und Erkennen des Bedürfnisses für Gewinnung und Verkauf, um die umweltfreundliche und nachhaltige Entwicklung in den Ländern zu fördern, in denen Gewinnung und Verkauf geschieht.
7. Streben nach Dialog mit der Wirtschaft, um Geschäftsmodelle neu zu gestalten, in denen Einkünfte vermehrt durch die Dienstleistungsqualität statt durch den Verkauf von Gütern erzielt werden.
8. Einen Prozess initiieren, um Lebensstile zu überdenken und Konsummuster zu entwickeln, die auf hinreichender Menge und Qualität und dem sorgfältigen Einsatz natürlicher Ressourcen basieren. Traditionelles Wissen, Weisheit und Spiritualität sollen inspirieren und helfen bei der Gestaltung von Ausbildung und Politik.
9. Stärken der Ausbildung, um das Bewusstsein für die Grenzen der Ressourcen, speziell unter Ökonomen, zu vergrössern, und Fördern der Fähigkeit von Entscheidungsträgern, langfristige und systemische Trends zu analysieren und durch Nachhaltigkeit angetriebene Innovation umzusetzen.
Die komplette Deklaration (in Englisch) können Sie unter www.worldresourcesforum.org abrufen.
22. September 2009
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