Hühnerschlachtung ohne Stress und Quälerei

Mit einem gemeinsamen Projekt fördern KAGfreiland und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) schonende Schlachtmethoden auf dem eigenen Hof für Geflügel.

Mobile Hühnerschlachtung
Mobile Hühnerschlachtung. Foto zVg von KAGfreiland

Früher war es normal: Hühner wurden auf dem eigenen Hof geschlachtet. Das Auslagern des Tötens sollte die Bauern und Bäuerinnen entlasten, den Tötungsvorgang dafür geschulten Menschen überlassen und hygienisch besser kontrollierbar sein. Doch das ganze hat einen grossen Nachteil: Der Stress für die Tiere bei der letzten Fahrt zum Schlachter ist enorm. Das neue Projekt will die Hofschlachtung für Geflügel in der Schweiz etablieren.

Legehennen, Mastpoulets oder Bruderhähne, die geschlachtet werden sollen, haben einen weiten Weg vor sich: Sie erhalten zehn Stunden lang kein Futter mehr, werden dann eingefangen, aus dem Stall geholt, mit bis zu 17 anderen Tieren in eine Transportkiste verpackt, auf den LKW verladen und zum Schlachtbetrieb transportiert. Da es in der Schweiz nur wenige Schlachtbetriebe für Hühner gibt, bedeutet das oft lange Strecken mit Stressfaktoren wie Lärm, Erschütterung, Durchzug, Hitze oder Kälte. All das erzeugt Todesangst und Stress. Eine Lösung ist die mobile Geflügelschlachtung: Sie bietet Landwirtschaftsbetrieben die Möglichkeit, ihre Tiere auf dem eigenen Hof schlachten zu lassen. Das bedeutet eine kolossale Stressreduktion.

Das Schicksal alter Legehennen 

Ein Huhn würde normalerweise 15, manchmal sogar bis zu 20 Jahre alt. Doch Legehennen beginnen schon nach 2 Jahren, weniger Eier zu legen, so dass sie dann durch junge Hennen ersetzt werden. Sonst lohnt sich die Produktion nicht. Ihr Fleisch wird nicht zu Poulets verarbeitet, sondern höchstens zu Suppenhühnern. Doch die Absatzwege für Suppenfleisch sind anders, und dafür gibt es noch weniger Schlachtbetriebe. Somit haben die Landwirtschaftsbetriebe kaum Möglichkeiten, ihre alten Hennen zu Fleisch zu verarbeiten und zu vermarkten. Statt für in der Lebensmittelproduktion landen sie in der Futterherstellung für Haustiere oder in der Biogasanlage.

Mobile Geflügelschlachtung

Seit dem Jahr 2020 ist es in der Schweiz wieder gesetzlich möglich, Geflügel auf dem eigenen Hof zu schlachten. Dazu kommt meistens eine mobile Schlachtanlage zum Einsatz. Sie besitzt die gleiche Infrastruktur wie ein herkömmlicher Schlachtbetrieb. Der Schlachtmeister fährt mit der Anlage auf den Hof und tötet das Geflügel fachgerecht, vor Ort. Dazu werden die Tiere nur noch vom Stall zum Anhänger gebracht. Somit fallen der Transport quer durch die Schweiz und die Wartezeiten im Schlachtbetrieb weg. 

Diese schonende Schlachtung ist auch für Betriebe interessantdie bisher ihre alten Legehennen aufgrund von fehlenden Schlachtbetrieben nicht schlachten konnten: Sie können die Hennen auf dem Hof schlachten lassen und ihr Fleisch verwerten. Aktuell bieten allerdings erst zwei Unternehmen in der Schweiz die Hofschlachtung mit einer mobilen Schlachtanlage an. Sie können damit nur einen sehr kleinen Teil der Legehennen und Mastpoulets auf dem Hof schlachten.

Das neue Projekt von KAGfreiland und FiBL

Um die Hofschlachtung von Geflügel in der Schweiz zu etablieren, wollen KAGfreiland und das FiBL diese schonende Schlachtmethode untersuchen und fördern. Sie werden in einem gemeinsamen Projekt sowohl mobile als auch nicht-mobile Hofschlachtungsmethoden wissenschaftlich evaluieren. Ihr Fokus liegt auf Stressfaktoren. 

Anhand der Auswertungen könnten die Schlachtprozesse optimiert und damit das Tierwohl verbessert werden. Auch das Tierwohl während des Ausstallens soll beachtet und gefördert werden. Gemeinsam mit Landwirten und Landwirtinnen wollen sie dazu schonende Ausstallmethoden erarbeiten und sie in der Praxis testen. 

Nur wenn der Absatz und eine Nachfrage für das Fleisch vorhanden sind, kann vermehrt Geflügel hofgeschlachtet werden. Daher gehört zu diesem Projekt auch der Aufbau möglicher Absatzkanäle für die Vermarktung von Geflügelfleisch aus Hofschlachtung. Auch der Absatz von Hennen-Fleisch soll unterstützt werden, damit mehr Legehennen hofgeschlachtet und als Nahrungsmittel verwertet werden können. 

Durch Öffentlichkeitsarbeit wollen FIBL und KAGfreiland Konsumenten und Konsumentinnen über diese stressarme Schlachtmethode und deren Vorteile informieren. Die beiden Verbände sind davon überzeugt, dass mit dem Projekt ein bedeutender Mehrwert für das Tierwohl geschaffen wird.

Marcel Lusti

Marcel Lusti, Inhaber der Firma Rundumgrün GmbH, ist in elf Deutschschweizer Kantonen mit dem Geflügelschlachtmobil unterwegs, um direkt auf dem Hof zu schlachten. In einem Interview mit KAGfreiland sagt er: «Mit unserem Geflügelschlachtmobil können wir bis 700 Hühner am Tag schlachten. Auf dem Hof brauchen wir eine gerade Fläche fürs Schlachtmobil, Wasser und zwei Stromanschlüsse. Wir kommen morgens auf dem Hof an und richten uns ein. Die Transportkisten für die Hühner bringen wir mit. Der Bauer und ein bis zwei Helfer sammeln die Hühner ein, aber nicht alle zusammen, sondern nur immer ein paar aufs Mal. So entstehen für die Hühner, anders als bei der normalen Ausstallung, keine langen Wartezeiten in der engen Transportkiste. Danach wird das Huhn betäubt und es folgt der Entblutungsschnitt. Nach dem Ausbluten kommt das tote Huhn in einen Rotationsbrühkessel mit 63 Grad warmen Wasser, damit sich die Federn besser lösen. Die nächste Station ist die Rupfmaschine, dort lösen sich die Federn ganz ab. Das Huhn ist danach sauber und federlos.»

Auf die Frage, welche Geflügelhalter sich für die Hofschlachtung entscheiden, sagt er: «Tendenziell sind es Betriebe, welche jetzt schon Direktvermarktung betreiben. So spart sich der Bauer den Weg zum Schlachtbetrieb. Hauptsächlich geht es aber ums Tierwohl, es sind ethische Gründe: Man will dem Tier den Transport ersparen und ausgediente Legehennen nicht entsorgen, sondern ihr Fleisch verwerten. Zudem kann so der Bauer sicher sein, dass er das Fleisch seiner eigenen Tiere wiedererhält.»


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