Osnabrücker Gericht: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht verletzte mehrere Grundrechte

Entscheidungen damals seien nicht streng wissenschaftlich erklärbar  
Veröffentlicht: 5. Sep 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 5. Sep 2024

Multipolar meldet auf seiner Seite: «Das Verwaltungsgericht Osnabrück beurteilt Paragraph 20 a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), so wie er Ende 2022 galt, als nicht verfassungskonform. Die Norm verletzte das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit, teilte die Gerichtspressestelle am Dienstag (3. September) im Anschluss an eine Verhandlung zum Fall einer Pflegehelferin mit. Die Frau hatte eine Normenkontrollklage eingereicht, nachdem der Landkreis Osnabrück im Jahr 2022 ein «Betretungs- und Tätigkeitsverbot» gegen sie verhängt hatte, weil sie keinen «Impf- oder Genesenennachweis» vorlegte. Besondere Aufmerksamkeit hatte der Prozess bereits zuvor erzeugt, da der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lars Schaade als Zeuge geladen war.» 

Der Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal sei ein tragendes Motiv für die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht gewesen, erklärte das Gericht. Diese «auf den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts beruhende Einschätzung» werde aber «durch die nun veröffentlichten Protokolle des Instituts erschüttert.» Nach Einsichtnahme in die Protokolle und Zeugenvernehmung von RKI-Präsident Schaade durch das Gericht sei «die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung in Frage zu stellen», heisst es weiter. Lars Schaade hatte vor Gericht erklärt: Man sei «hier wohl an einer Schnittstelle»  zwischen «Management und Wissenschaft». Mehrfach führte Schaade aus, bestimmte Entscheidungen seien als Teil eines politischen «Managements»  der Krise zu begreifen und nicht streng wissenschaftlich erklärbar. «Selbstverständlich»  nehme das RKI vom Ministerium «Weisungen entgegen». Die Frage der Risikobewertung habe «normativen Charakter», sei also regelsetzend, und falle deshalb in den Bereich politischen Managements. Der Richter entgegnete, dass das Bundesverfassungsgericht sich aber gerade auf eine Unabhängigkeit des RKI berufen hatte und Grundrechtseingriffe nur dann zulässig seien, wenn sie auf wissenschaftlicher Evidenz basierten.

Der Vorsitzende Richter Gert-Arnim Neuhäuser, zugleich Präsident des Osnabrücker Verwaltungsgerichts,erklärte zum Ende der Verhandlung, das RKI habe möglicherweise eine Vorstellung von Wissenschaftlichkeit und von politischer Einflussnahme, die sich nicht mit der eines Verwaltungsjuristen decke. Und weiter: «Die Kammer hat nicht bloß Zweifel, sie ist überzeugt, dass bestimmte Grundrechtseingriffe in der Pandemie verfassungswidrig waren.» Das Bundesverfassungsgericht müsse jetzt entscheiden, ob der Paragraf 20a des Infektionsschutzgesetzes in seiner damaligen Fassung verfassungswidrig war. 


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