Reclaim the Fields - Fragend schreiten wir voran

Die Geschichte. Nun ist es zwei ein halb Jahre her, dass das Reclaim the Fields Auftakt-Camp im Oktober 2009, in Südfrankreich zu Ende ging. Seit dem ist vieles geschehen im europäischen Netzwerk von Landlosen, BäuerInnen und ihren Sympathisanten. Wir streiten für Ernährungsautonomie durch eine Landwirtschaft jenseits des Kapitalismus. Europaweite Treffen in Katalonien, Brandenburg, Steiermark und London Heathrow haben uns einige Schritte weiter gebracht auf diesem Weg. Darüber, welche Fragen wir uns während dieser Reise stellten möchte ich hier berichten.

Ernährungsautonomie.

Wie verhalten wir uns zum Konzept der "Ernährungssouveränität"? Diese Frage hat uns immer wieder beschäftigt. Auch und gerade weil sie für unser Verhältnis zu Via Campesina wichtig ist. Wer ist eigentlich dieser "Souverän"? Wer gehört dazu und wer nicht? Wir wollen das dieser Souverän weder ein Staat noch eine Nation ist. Denn diese sind per Definiton ausschließend und diskriminierend. Wir wollen diese rückschrittigen Strukturen vielmehr überwinden. Und sie ersetzen durch offene und einschließende Kollektive und Netzwerke die eine wirklich ökologische, nicht-kapitalistische Landwirtschaft gemeinsam organisieren. Diese Vision nennen wir "Ernährungsautonomie".

Sexismus und Geschlechterrollen.

Ländliche und bäuerliche Strukturen sind oft von einem latenten Konservatismus durchzogen. Dieser gibt klare geschlechtsspezifische Rollen vor und diskriminiert "Frauen". Ihnen werden die Fähigkeiten abgesprochen um schwere, technische, "klassisch-männliche" Arbeiten zu verrichten und damit in Hausfrau- und Mutter-Rolle gedrängt. Diese Tätigkeiten sind oft unsichtbar. Gesehen wird nur die "produktive" Arbeit draußen. Sie ist effizient und wichtig. Der Rest ist selbstverständlich. Dies sind tief verankerte patriarchale Zuschreibungen die es abzuschütteln gilt. Gerade in der "bäuerlichen" Gesellschaft. Wir wollen das "Männer" ihre Privilegien aufgeben und die von ihnen erzeuge Atomsphäre von Konkurrenz, Wettbewerb, Egoismus und Gefühlskälte überwunden wird. Und das es dadurch mehr Räume gibt für die Selbst-Ermächtigung von Frauen und anderen diskriminierten Menschen. Wir wollen das patriarchales und sexistisches Verhalten und unseren Köpfen, auf Treffen, Höfen und in Kollektiven kritisiert, diskutiert und transformiert wird. Und das "Geschlecht" als solches keine zentrale Schublade mehr ist in die wir Menschen stecken und damit Annahmen über sie treffen die vielleicht gar nicht zutreffen.

Zugang zu Land.

Reclaim the Fields heißt das wir unsere Äcker zurück wollen. Das das Land also in den Besitz derer übergeht, die es ökologisch für die Bedürfnisse der Menschen um sich herum bebauen und als Gemeingut an die zukünftige NutzerInnen weiter geben. Wir tauschen uns über die Eigentumsverhältnisse aus, die in unseren Ländern vorherrschen und überlegen mit welchen Strategien wir uns unser Land wieder aneignen können: Wie kann diese Gemeingut "verwaltet" werden? Welche Rechtsformen gibt es um Land aus dem Eigentum zu entfernen? Wie könnte eine Landreform und eine Demokratisierung des Landbesitzes aussehen? Welche Initiativen gibt es in unseren Ländern um diese zu erreichen? Oder sollten wir aufhören Forderungen zu stellen und wie es die Landlosen im globalen Süden tun, beginnen Land auch hier im Norden zu besetzen, es uns einfach zu nehmen? In Dijon war eine entsprechende Aktion von Reclaim the Fields bereits erfolgreich.

Kapitalismus, Geld und Wir.

Bei unserem Treffen auf Hof Basta in Brandenburg diskutierten wir rege über unser Verhältnis zu Geld und Kapitalismus. Wollen wir von der Landwirtschaft die wir machen, finanziell leben und sollte sie "wirtschaftlich" sein? Oder ist dieser Versuch der sichere Weg in eine nicht enden wollende Arbeitstretmühle und eine letztendlich doch perkäre finanzielle Lage?

Einig waren wir uns wohl darin unseren Ausgaben durch weniger Konsum zu drosseln so lange diese freiwillige Einfachheit unsere empfundene Lebensqualität nicht mindert. Und darin, dass sich die Rahmenbedingungen radikal ändern müssen und wir dafür kämpfen wollen. Was aber, wenn wir unsere Produktion nicht nach kapitalistischen Prinzipien ausrichten wollen?

Wir brauchen Geld um Landwirtschaft zu betreiben und unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Wir sollten Wege suchen dieses Geld zu beschaffen aus Quellen die uns möglichst wenig in unserer Freiheit einschränken. Und das ist nicht zwangsläufig der Verkauf über den konventionellen Markt: Subventionen, ALG II, Kommunen mit einer gemeisamen Kasse zur Querfinanzierung, gut bezahlte Nebenjobs und neue Wirtschaftsformen wie CSA sind hier Möglichkeiten. Solidarische Netzwerk des Geben und Nehmens um unsere Höfe - und Investitionen in Produktionsmittel die unsere laufenden Kosten senken (z.B. Ölmühle für die eigene Sprit-Herstellung) sind weitere Optionen unsere Abhängigkeit vom Geld-System abzufedern.

Unsere Vergangenheit.

In verschiedenen Workshops während unserer Treffen haben wir uns mit der Historie emanzipatorischer BäuernInnen-Bewegungen beschäftigt. Das beinhaltete eine kritische Analyse der Diskriminierung innerhalb von "bäuerlichen Lebensformen" in "dörflichen Zusammenhängen" der Vergangenheit. Es heißt aber auch eine Beschäftigung mit revolutionären Momenten wie dem Spanischen Bürgerkrieg mit der spontanen Formierung von Agrar-Kollektiven. Oder der dezentralen und kollektiven Organisierung der Landwirtschaft durch die Makhnovistas während ihres Widerstandes gegen den autoritären Sozialismus der Sowjetunion.

Unsere Kollektive und Projekte.

Im Hier und Jetzt ist Reclaim the Fields eine Konstellation aus verschiedensten Projekten: Bestehende Hofkollektive die mitten in der Produktion stehen. Urbane Gärten die zusammen mit Flüchtlingen vor Ort die Brücke zwischen Antirassismus und Landwirtschaft schlagen wollen. Food Coops die ihre Nahrungsbeschaffung anders organisieren. Besetzungen von ehemaligen Gärtnereien um den Ausbau eines Flughafens auf jenem Land zu verhindern. Und Netzwerke die Bildungsarbeit und Aufklärung für eine andere Landwirtschaft betreiben.

Vergangene Aktionen.

In diesem Jahr standen und stehen einige große Aktionen aus unserem Umfeld an:

Am 17. April haben wir uns in Brüssel für Saatgutautonomie stark gemacht und gegen die neusten EU-Gesetze agitieren.

Am 7. Mai wurde von unserem Netzwerk eine Besetzung verschiedener Höfe und Land in der Region Nantes in Frankreich organisiert. Auch um dort den Ausbau des regionalen Flughafens zu verhindern.

Und last but not least steht das nächste große europäische Camp vor der Tür:

Vom 21. bis 30. September. Der Ort wird diese mal Rosia Montana in Rümanien sein. Auf Grund der Initiative von lokalen Bäuer_Innen werden wir dort zusammen gegen die Enteignung der selbigen einsetzen. Denn dort steht die Erweiterung der größten Goldmine Europas an. Außerdem wollen wir dort alle oben genannten Themen weiter vertiefen und das Schiff auf neuen Kurs bringen. Zusammen backen und kochen. Musik machen. Lachen und tanzen.

In diesem Sinne. Let us, Reclaim the Fields!

Weitere Informationen im Internet: www.reclaimthefields.org