Der deutsche Atomausstieg ist konzernfreundlich

EUROSOLAR verurteilt den Versuch der Bundesregierung, entgegen den Empfehlungen der Ethikkommission den Atomausstieg zugunsten der deutschen Energiekonzerne zu instrumentalisieren.

"Wer sich weiter am vermeintlichen Erfolg des Atomausstiegs berauscht, wird ein böses Erwachen erleben“, erklärt Eurosolar-Vizepräsident Dr. Fabio Longo. Ein ernst gemeinter Atomausstieg könne nur durch eine Beschleunigung der laufenden Energiewende erreicht werden – mit den erprobten und mittlerweile hocheffektiven Technologien, die Deutschland in den letzten Jahren zum Vorbild gemacht haben. Denn die Vermeidung von Atomgefahren und die Verringerung unserer Abhängigkeit von schrumpfenden fossilen Ressourcen lassen sich neben Wasserkraft und Geothermie nur durch die bewährten Zugpferde des Ausbaus erneuerbarer Energien lösen: Windkraft an Land, Solarstrom und Biogas. Deutschland besitzt als weltweiter Vorreiter die besten Voraussetzungen, sich als Industriestaat mit enormen wirtschaftlichen Vorteilen schon 2020 zu 50 % und  2030 zu 100 % mit regenerativ erzeugtem Strom zu versorgen.

"Sollte das Gesetzespaket der Bundesregierung aber tatsächlich am 6. Juni vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht und vom Bundestag im Hauruck-Verfahren beschlossen werden, wird Umweltminister Dr. Röttgen als Totengräber der erneuerbaren Energien in die Geschichte eingehen. Durch den geplanten Ausbaustopp der erneuerbaren Energien werden Zehntausende der inzwischen über 350.000 Arbeitsplätze einer hoffnungsvollen Zukunftsbranche zerstört. Gleichzeitig wird die Chance zum Aufbrechen des Oligopols der großen Energiekonzerne im Energiemarkt leichtfertig verspielt", so Vizepräsident Longo. "Wir fragen uns: Lässt Herr Röttgen seinen zahlreichen Worten für den Ausbau der dezentralen erneuerbaren Energien Taten folgen, ist er guten Willens und korrigiert seinen Kurs oder wird er zum Handlanger der großen Energiekonzerne und zerschlägt das deutsche Erfolgsmodell für die Energiewende?"

Anstatt jetzt den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, wird das Tempo der Energiewende durch die geplante EEG-Novelle massiv gedrosselt und kann schon in wenigen Jahren vollständig zum Erliegen kommen. Die Wachstumsraten für Onshore-Wind, Photovoltaik und bäuerliche Biogasanlagen sollen einbrechen. Und das, obwohl Onshore-Wind die günstigste regenerative Energiequelle in Deutschland ist und bereits in Kürze der Strom aus Solar-Freiflächenanlagen günstiger hergestellt werden kann als aus Offshore-Windenergieanlagen – ganz ohne Notwendigkeit für Stromtrassen über mehrere tausend Kilometer.

Eurosolar-Präsident Prof. Peter Droege erklärt, dass gerade die neuen Träger, die die Energiewende mit Investitionen von 100 Mrd. Euro seit 2000 in Gang gebracht haben und ohne die eine Steigerung des Anteils regenerativ erzeugten Stroms von nur 4 % auf 17 % gar nicht möglich gewesen wäre, "jetzt abrupt vom Umbau der deutschen Stromversorgung ausgeschlossen werden". Im Energiekonzept der Bundesregierung kommen mittelständische Unternehmen, Stadtwerke und Bürger nicht mehr vor. "Nach 10 Jahren aktiver Teilnahme am Wandel im Stromsektor sollen sie wieder zu Zaungästen werden, das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird zum Konzern-EEG. Es ist perfide, die Marktintegration der Erneuerbaren Energien zu fordern, und gleichzeitig den Energiekonzernen eilfertig dabei zur Hand zu gehen, ihre Oligopolstellung zu bewahren", so der Eurosolar-Präsident.

So wird den Konzernen durch die üppige Förderung der Offshore-Windenergie eine Schlüsselstelle bei der Energiewende zugeordnet. Weiterhin plant die Bundesregierung die Errichtung von 10.000 MW unflexibler klimaschädlicher Grundlastkraftwerke und will gleichzeitig mit einem "Planungsbeschleunigungsgesetz" Bürgerproteste gegen neue Großkraftwerke und Stromtrassen der Großkonzerne im Keim ersticken. Dabei erfordert ein wachsender Anteil erneuerbarer Energien im Strommix eine Flexibilisierung der Erzeugung, erklärt Eurosolar. Es zeichnet sich ab, dass das Offshore-Engagement der Konzerne – wie schon in den vergangenen Jahren der zahlreichen tatenlosen Ankündigungen – bescheiden bleiben wird, denn mehr Offshore-Strom bedeutet weniger Volllaststunden für den fossilen Kraftwerkspark der Großkonzerne.

Ein realistisches Szenario sieht wie folgt aus: Die Konzerne werden den Ausbau der Offshore-Energie wie gehabt über Jahre hinauszögern, über Probleme klagen und immer mehr Geld einfordern. Schließlich werden mehr Kohlekraftwerke als Offshore-Windparks in die neuen Nord-Süd-Stromtrassen einspeisen. Die Bürger werden jetzt mit Windstrom gelockt, um die Akzeptanz für den Trassenbau zu steigern, später fließt dann schmutziger Kohlestrom der Oligopolisten. "Wer den Bock zum Gärtner macht, der muss sich nicht wundern, wenn so letztlich nicht einmal das Minimalziel von 35% regenerativem Strom erreicht wird."

Die weitere Einschränkung des sogenannten Ökostromprivilegs und die parallele Einführung einer Marktprämie verschlechtern zudem die wirtschaftliche Lage kleinerer und mittlerer Unternehmen, die Ökostrom vertreiben, dramatisch. Die seit Jahren kostengünstig und erfolgreich praktizierte Marktintegration regenerativ erzeugten Stroms soll eingetauscht werden gegen eine ineffiziente Marktprämie, die nur zu teuren Mitnahmeeffekten führt und wiederum die großen Energiekonzerne bevorzugt. Während durch das Ökostromprivileg bei den Bürgern besonders begehrte Vertriebe gefördert werden, die aufgrund ihres hohen regenerativen Stromanteils von besonderer Bedeutung für die künftige Energieversorgung sind, gehen von der Marktprämie keine Anreize für eine verbesserte Netzintegration regenerativ erzeugten Stroms aus. Wer eine sichere erneuerbare Energieversorgung wirklich will, muss Anreize für den Ausbau von Stromspeichern geben und einen Speicherbonus im neuen EEG verankern anstatt eine wettbewerbsfeindliche Marktprämie einzuführen (siehe Eurosolar-Pressemitteilung vom 26.5.2011 und Punkt 7 im 10-Punkte-Sofortprogramm von Eurosolar).

Unter diesen Voraussetzungen ist der Atomausstieg für die Energiewende nur ein Pyrrhussieg. Schuld daran trägt die konzernhörige Politik der Bundesregierung. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, ein überkommenes Energiesystem zu konservieren. So wird sie die Zukunftsfähigkeit Deutschlands schwer schädigen und die Chance auf hunderttausende neue Arbeitsplätze zunichte machen. Eurosolar fordert daher die Bürger, Kommunen, Stadtwerke und die mittelständische Wirtschaft auf, sich gegen diese Pläne zur Wehr zu setzen.




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