Christoph Mörgeli und andere Gespenster
Offener Brief an Res Strehle, Chefredaktor des Tages-Anzeigers und seine Antwort
4. Oktober 2012
Lieber Res Strehle
Christoph Mörgeli, der Meister der versteckten Feindseligkeiten, ist weg – nicht zuletzt dank dem Tagesanzeiger. Man könnte zufrieden sein, die Giftspritze ist entsorgt. Aber man will es einfach nicht werden. Sie beruhigen: «Wer die Entlassung von Christoph Mörgeli als Konservator an der Universität Zürich als Ergebnis von Mobbing und einer politischen Schlammschlacht bezeichnet, sieht Gespenster.»
Einspruch: Wenn eine Zeitung innerhalb von knapp zwei Wochen Dutzende von Artikeln mit Vorwürfen gegen einen einzigen Mann publiziert, dann sind Mobbing und Schlammschlacht die einzig zutreffenden Begriffe. Und wenn diese Artikel dann noch auf Berichten basieren, die Ihnen angeblich anonym zugespielt wurden, muss man schon sehr naiv sein, kein systematisches Vorgehen zu vermuten. Sie haben es in der Hand, Transparenz zu schaffen, Ihre Quellen zu nennen und den Gespenstern einen Namen zu geben. Andernfalls bewegen Sie sich auf demselben Niveau der fiesen Attacken, mit denen sich Christoph Mörgeli ausserhalb seiner Kreise so unbeliebt, ja unmöglich gemacht hat.
Ich schreibe Ihnen nicht aus Sorge um Christoph Mörgeli, sondern um die journalistische Kultur. Wenn der Tagesanzeiger mit anonymen Informanten gemeinsame Sache macht, um missliebige Personen aus dem Verkehr zu ziehen, beschädigt er das Prädikat «Qualitätsjournalismus» – und wir können nach zuverlässigeren Informationsquellen Ausschau halten.
Bei Gelegenheit möchte ich Ihnen auch noch nahe legen, den Konflikt mit der SVP etwas weniger zu befeuern. Diese Partei und vor allem Christoph Blocher nähren sich zu einem guten Teil aus dem Konflikt, den sie mit dem Rest der Schweiz laufend herstellt. Ohne Tagesanzeiger müssten wir uns viel weniger über die SVP ärgern und uns als Folge viel weniger Sorgen um den inneren Zusammenhalt dieses Landes machen.
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort und würde sie gerne zusammen mit diesem Brief in unserer nächsten Ausgabe und in unserem Infoportal veröffentlichen. Darf ich bis in einer Woche mit Ihrer Antwort rechnen?
Mit kollegialen Grüssen
Christoph Pfluger
__________________________________________________
Antwort von Res Strehle vom 11. Oktober 2012
Sehr geehrter Herr Pfluger
Besten Dank für Ihre Zuschrift. Ich kann Ihnen allerdings nicht beipflichten: Das war keine Kampagne gegen Christoph Mörgeli. Wir haben einfach einen Konkflikt um eine Leistungs- beurteilung an der Universität Zürich dargestellt. Das hat uns und die Leser interessiert und deshalb blieben wir am Ball. Natürlich war das Interesse grösser, weil es sich um einen prominenten Politiker handelt, die Parteizugehörigkeit spielte aus meiner Sicht allerdings nur insoweit eine Rolle, als der Betroffene selber den Konflikt zu einem politischen Fall hochstilisierte und Sozialgeschichte per se als linken Wissenschaftsansatz versteht. Das sehen wir anders. Wir haben auch immer zwischen dem Politiker und dem Medizinhistoriker Mörgeli unterschieden.
Ebenfalls nicht zustimmen kann ich Ihrer These, wonach wir mit anonymen Informanten gemeinsame Sache gemacht hätten, um den Kurator Mörgeli «aus dem Verkehr zu ziehen». Erstens ist es falsch, dass mein Kollege Iwan Städler sein Wissen von anonymen Informanten hatte. Er hat im gesamten wissenschaftlichen Umfeld von Prof. Mörgeli recherchiert und mit möglichst allen Beteiligten geredet. Dass er in der Berichterstattung danach seine Quellen schützte, gehört zum journalistischen Handwerk. Andernfalls wäre eine journalistische Recherche um vieles schwieriger. Mörgeli als Kurator zu entlassen, war ein Entscheid der Uni. Entscheidend dafür scheinen die fachliche Leistung und die Klagedrohung gegen den Vorgesetzten gewesen zu sein. An beiden Gründen waren wir unbeteiligt.
Zu Ihrem zweiten Punkt, dass wir den Konflikt mit der SVP zu stark befeuern. Das mag sein, aber in nahezu allen europäischen Ländern beschäftigt die Bruchstelle zwischen nationalistischem, traditionellem Gedankengut versus Öffnung Richtung Ausland/Welt die Medien stark. Und die SVP ist nun mal die wichtigste Exponentin auf der nationalistischen Seite, spätestens seit der erfolgreichen Bekämpfung des EWR 1992, den Kampagnen gegen die Zuwanderung (inklusive Freizügigkeit) und dem steten Liebäugeln mit dem Bruch mit der Konkordanz. Themen, Stil und Exponenten dieser Partei scheinen mehrheitlich unsere Leser auch stark zu interessieren, wie die Nutzung der entsprechenden Beiträge zeigt. Wir versuchen dabei eine kritische Haltung einzunehmen, ohne allerdings voreingenommen zu sein.
Ich hoffe Ihnen, mit diesen Angaben gedient zu haben – eine Veröffentlichung auf Ihrem Infoportal steht Ihnen frei.
Bester Gruss
Andreas Strehle
Chefredaktor
Res Strehles Brief im Original (pdf)
Lieber Res Strehle
Christoph Mörgeli, der Meister der versteckten Feindseligkeiten, ist weg – nicht zuletzt dank dem Tagesanzeiger. Man könnte zufrieden sein, die Giftspritze ist entsorgt. Aber man will es einfach nicht werden. Sie beruhigen: «Wer die Entlassung von Christoph Mörgeli als Konservator an der Universität Zürich als Ergebnis von Mobbing und einer politischen Schlammschlacht bezeichnet, sieht Gespenster.»
Einspruch: Wenn eine Zeitung innerhalb von knapp zwei Wochen Dutzende von Artikeln mit Vorwürfen gegen einen einzigen Mann publiziert, dann sind Mobbing und Schlammschlacht die einzig zutreffenden Begriffe. Und wenn diese Artikel dann noch auf Berichten basieren, die Ihnen angeblich anonym zugespielt wurden, muss man schon sehr naiv sein, kein systematisches Vorgehen zu vermuten. Sie haben es in der Hand, Transparenz zu schaffen, Ihre Quellen zu nennen und den Gespenstern einen Namen zu geben. Andernfalls bewegen Sie sich auf demselben Niveau der fiesen Attacken, mit denen sich Christoph Mörgeli ausserhalb seiner Kreise so unbeliebt, ja unmöglich gemacht hat.
Ich schreibe Ihnen nicht aus Sorge um Christoph Mörgeli, sondern um die journalistische Kultur. Wenn der Tagesanzeiger mit anonymen Informanten gemeinsame Sache macht, um missliebige Personen aus dem Verkehr zu ziehen, beschädigt er das Prädikat «Qualitätsjournalismus» – und wir können nach zuverlässigeren Informationsquellen Ausschau halten.
Bei Gelegenheit möchte ich Ihnen auch noch nahe legen, den Konflikt mit der SVP etwas weniger zu befeuern. Diese Partei und vor allem Christoph Blocher nähren sich zu einem guten Teil aus dem Konflikt, den sie mit dem Rest der Schweiz laufend herstellt. Ohne Tagesanzeiger müssten wir uns viel weniger über die SVP ärgern und uns als Folge viel weniger Sorgen um den inneren Zusammenhalt dieses Landes machen.
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort und würde sie gerne zusammen mit diesem Brief in unserer nächsten Ausgabe und in unserem Infoportal veröffentlichen. Darf ich bis in einer Woche mit Ihrer Antwort rechnen?
Mit kollegialen Grüssen
Christoph Pfluger
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Antwort von Res Strehle vom 11. Oktober 2012
Sehr geehrter Herr Pfluger
Besten Dank für Ihre Zuschrift. Ich kann Ihnen allerdings nicht beipflichten: Das war keine Kampagne gegen Christoph Mörgeli. Wir haben einfach einen Konkflikt um eine Leistungs- beurteilung an der Universität Zürich dargestellt. Das hat uns und die Leser interessiert und deshalb blieben wir am Ball. Natürlich war das Interesse grösser, weil es sich um einen prominenten Politiker handelt, die Parteizugehörigkeit spielte aus meiner Sicht allerdings nur insoweit eine Rolle, als der Betroffene selber den Konflikt zu einem politischen Fall hochstilisierte und Sozialgeschichte per se als linken Wissenschaftsansatz versteht. Das sehen wir anders. Wir haben auch immer zwischen dem Politiker und dem Medizinhistoriker Mörgeli unterschieden.
Ebenfalls nicht zustimmen kann ich Ihrer These, wonach wir mit anonymen Informanten gemeinsame Sache gemacht hätten, um den Kurator Mörgeli «aus dem Verkehr zu ziehen». Erstens ist es falsch, dass mein Kollege Iwan Städler sein Wissen von anonymen Informanten hatte. Er hat im gesamten wissenschaftlichen Umfeld von Prof. Mörgeli recherchiert und mit möglichst allen Beteiligten geredet. Dass er in der Berichterstattung danach seine Quellen schützte, gehört zum journalistischen Handwerk. Andernfalls wäre eine journalistische Recherche um vieles schwieriger. Mörgeli als Kurator zu entlassen, war ein Entscheid der Uni. Entscheidend dafür scheinen die fachliche Leistung und die Klagedrohung gegen den Vorgesetzten gewesen zu sein. An beiden Gründen waren wir unbeteiligt.
Zu Ihrem zweiten Punkt, dass wir den Konflikt mit der SVP zu stark befeuern. Das mag sein, aber in nahezu allen europäischen Ländern beschäftigt die Bruchstelle zwischen nationalistischem, traditionellem Gedankengut versus Öffnung Richtung Ausland/Welt die Medien stark. Und die SVP ist nun mal die wichtigste Exponentin auf der nationalistischen Seite, spätestens seit der erfolgreichen Bekämpfung des EWR 1992, den Kampagnen gegen die Zuwanderung (inklusive Freizügigkeit) und dem steten Liebäugeln mit dem Bruch mit der Konkordanz. Themen, Stil und Exponenten dieser Partei scheinen mehrheitlich unsere Leser auch stark zu interessieren, wie die Nutzung der entsprechenden Beiträge zeigt. Wir versuchen dabei eine kritische Haltung einzunehmen, ohne allerdings voreingenommen zu sein.
Ich hoffe Ihnen, mit diesen Angaben gedient zu haben – eine Veröffentlichung auf Ihrem Infoportal steht Ihnen frei.
Bester Gruss
Andreas Strehle
Chefredaktor
Res Strehles Brief im Original (pdf)
12. Oktober 2012
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