Versteckte Armut wächst
Das Hilfswerk Caritas führt 15 Läden mit verbilligten Angeboten für Armutsbetroffene in unserem Land. Betriebe und Umsätze nehmen zu
Von der Seestrasse in Thun weist ein Schild auf die Rückseite des Gebäudes. Neben den Rangiergleisen des Bahnhofs, diskret versteckt, liegt der Eingang zum Caritas-Markt. Armutsbetroffene können hier gegen Vorweisen einer Berechtigungskarte verbilligt einkaufen. Das Einzugsgebiet ist gross und reicht weit bis ins Berner Oberland. Die Menschen kommen zu Fuss oder per Velo, hin und wieder in Sammelfahrten per Auto aus fernen Bergtälern und decken sich mit dem Lebensnotwendigen ein. Eine kleine Cafeteria bietet soziale Kontaktmöglichkeiten an. Und eine Seelsorgerin steht für Lebensberatungen unter vier Augen zur Verfügung.
Scham für Betroffene – Schande für die Gesellschaft
Diskretion ist notwendig für die Würde der Klientele. „Den Wunsch nach Diskretion müssen wir schon respektieren“, hält Brigitte Pina, Leiterin des Thuner Caritas-Marktes fest. Erhältlich sind Grundnahrungsmittel, „immer vorhanden, sehr billig, zum Teil von Firmen gesponsert“, wie Pina sagt. Dann auch Gemüse von Bauern der Region, Brot vom Vortag. Und Dinge, die kurz vor dem Verfalldatum stehen, aber dem Lebensmittelgesetz noch genügen. Dass viele KundInnen gerne Bio-Produkte kaufen würden, dies jedoch wirtschaftlich für die Armutsbetroffenen nicht drin liegt, wird nicht verschwiegen. Der Thuner Caritas-Laden hat 2007 insgesamt 34% mehr Umsatz gemacht. Die Klientele stammt zu rund 2/5 von der einheimischen, zu 3/5 von der ausländischen Wohnbevölkerung. Pina ortet bei den Einheimischen eine grössere Schwellenangst als bei den Zugezogenen. Wäre die Scham nicht vorhanden, würde das Verhältnis einheimische / ausländische KundInnen eins zu eins aussehen oder die Zahl der einheimischen Armutsbetroffenen würde sogar überwiegen.
Fünfranken-Grenze
Der Caritas-Markt im Berner Brunnmattquartier erzielte in sechs Monaten (Herbst 07 / Frühling 08) einen Umsatzzuwachs von rund 100%. Doch über diese Zunahme kann niemand froh sein, denn sie zeigt wie sehr Armut wächst. Im Berner Caritas-Laden herrscht nach Öffnung der Türen immer ein grosses Gedränge; lange Warteschlangen bilden sich vor der Kasse. Gegen 17 Uhr treffen dann die working poor ein und decken ihren Grundbedarf. Wolfgang Neubauer, Leiter des Berner Caritas-Marktes, kennt das Kaufverhalten seiner Klientele sehr gut. Der Spielraum für Ausgaben beim Einkaufen liegt für Armutsbetroffene unter fünf Franken; für einen Durchschnittseinkauf können rund 11 Franken ausgegeben werden. Auch Neubauer stellt fest, dass KundInnen lieber Bio-Produkte auswählen, wenn, durch einen Glücksfall, solche verbilligt auch im Angebot auftauchen.
Chancen für Mindestlöhne
Nach Schätzung von Caritas Schweiz sind rund eine Million Menschen in unserem Land von Armut betroffen. Zu ihnen gehören SozialhilfeempfängerInnen, aber auch working poor. „Mindestlöhne wären einen Versuch wert“, meint Neubauer vom Caritas-Markt Bern. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (www.sgb.ch) lanciert eine neue Mindestlohnkampagne: Keine Monatslöhne unter 3'500 Franken, keine Stundenlöhne unter 20 Franken und keine Löhne unter 4'500 Franken für Gelernte. Nationalrat Paul Rechsteiner, Präsident des SGB, weist auf die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU hin: „Mit den flankierenden Massnahmen sind die gesetzlichen Möglichkeiten dafür gegeben, das schweizerische Lohnniveau mit Mindestlöhnen nach unten abzusichern.“
Mehr dazu:
www.caritas-markt.ch
Scham für Betroffene – Schande für die Gesellschaft
Diskretion ist notwendig für die Würde der Klientele. „Den Wunsch nach Diskretion müssen wir schon respektieren“, hält Brigitte Pina, Leiterin des Thuner Caritas-Marktes fest. Erhältlich sind Grundnahrungsmittel, „immer vorhanden, sehr billig, zum Teil von Firmen gesponsert“, wie Pina sagt. Dann auch Gemüse von Bauern der Region, Brot vom Vortag. Und Dinge, die kurz vor dem Verfalldatum stehen, aber dem Lebensmittelgesetz noch genügen. Dass viele KundInnen gerne Bio-Produkte kaufen würden, dies jedoch wirtschaftlich für die Armutsbetroffenen nicht drin liegt, wird nicht verschwiegen. Der Thuner Caritas-Laden hat 2007 insgesamt 34% mehr Umsatz gemacht. Die Klientele stammt zu rund 2/5 von der einheimischen, zu 3/5 von der ausländischen Wohnbevölkerung. Pina ortet bei den Einheimischen eine grössere Schwellenangst als bei den Zugezogenen. Wäre die Scham nicht vorhanden, würde das Verhältnis einheimische / ausländische KundInnen eins zu eins aussehen oder die Zahl der einheimischen Armutsbetroffenen würde sogar überwiegen.
Fünfranken-Grenze
Der Caritas-Markt im Berner Brunnmattquartier erzielte in sechs Monaten (Herbst 07 / Frühling 08) einen Umsatzzuwachs von rund 100%. Doch über diese Zunahme kann niemand froh sein, denn sie zeigt wie sehr Armut wächst. Im Berner Caritas-Laden herrscht nach Öffnung der Türen immer ein grosses Gedränge; lange Warteschlangen bilden sich vor der Kasse. Gegen 17 Uhr treffen dann die working poor ein und decken ihren Grundbedarf. Wolfgang Neubauer, Leiter des Berner Caritas-Marktes, kennt das Kaufverhalten seiner Klientele sehr gut. Der Spielraum für Ausgaben beim Einkaufen liegt für Armutsbetroffene unter fünf Franken; für einen Durchschnittseinkauf können rund 11 Franken ausgegeben werden. Auch Neubauer stellt fest, dass KundInnen lieber Bio-Produkte auswählen, wenn, durch einen Glücksfall, solche verbilligt auch im Angebot auftauchen.
Chancen für Mindestlöhne
Nach Schätzung von Caritas Schweiz sind rund eine Million Menschen in unserem Land von Armut betroffen. Zu ihnen gehören SozialhilfeempfängerInnen, aber auch working poor. „Mindestlöhne wären einen Versuch wert“, meint Neubauer vom Caritas-Markt Bern. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (www.sgb.ch) lanciert eine neue Mindestlohnkampagne: Keine Monatslöhne unter 3'500 Franken, keine Stundenlöhne unter 20 Franken und keine Löhne unter 4'500 Franken für Gelernte. Nationalrat Paul Rechsteiner, Präsident des SGB, weist auf die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU hin: „Mit den flankierenden Massnahmen sind die gesetzlichen Möglichkeiten dafür gegeben, das schweizerische Lohnniveau mit Mindestlöhnen nach unten abzusichern.“
Mehr dazu:
www.caritas-markt.ch
27. August 2008
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