Ein Prozent auf Hexenjagd
Motto dieser Kolumne ist ein Zitat von Lichtenberg: «Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.»
Wie kann Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London gerettet werden? Seit über sechs Jahren lebt er dort unter Hausarrest, seit einigen Monaten ohne Kontakt zur Aussenwelt und seine Gesundheit ist so schlecht, dass er in einem Spital behandelt werden müsste. Dies sagt sein Freund, der preisgekrönte englische Journalist und Dokumentarfilmer John Pilger. In Erwartung eines US-Kredits scheint Ecuador gewillt, seinen Bürger den britischen Behörden zu übergeben, die ihm in den zynischen Worten des neuen britischen Aussenministers Jeremy Hunt «einen warmen Empfang» bereiten wollen.
Nachdem ein schwedisches Gericht vor Jahresfrist die letzte Klage gegen Assange als gegenstandslos fallengelassen hat, bestehen keinerlei rechtlichen Vorwürfe mehr. Er ist – theoretisch – ein freier Mann. Umso schärfer schiessen jetzt die Mainstream-Medien gegen ihn, allen voran der Guardian, der sich selbst als die aufgeklärteste Zeitung Grossbritanniens bezeichnet. Bekannte US-Journalisten haben sogar Attentate gegen Assange vorgeschlagen – für Pilger nichts als «Vichy-Journalismus». Falls Assange an die USA ausgeliefert und vor Gericht gestellt wird, müsste auch die New York Times angeklagt werden, die Wikileaks-Dokumente veröffentlichte, sagt der Rechtsvertreter des New Yorker Verlags.1
Die freie Welt darf eine solche Hexenjagd gegen den wichtigsten Journalisten der letzten 20 Jahre nicht zulassen. Und es gibt auch Vorschläge, wie Julian Assange befreit werden könnte. Kim Peters, der frühere Mitherausgeber des Newsletters «Dissident Voice» schlägt eine grosse Kundgebung vor der ecuadorianischen Botschaft vor mit tausenden von Demonstranten in Kapuzenpullis, mit Schirmen und Guy Fawkes-Masken. Sobald Julian Assange die Botschaft verlässt, verschwindet er mit Pullover und Maske in der uniformen Masse. Das klingt zumindest interessant und wäre mir auf jeden Fall ein Ticket nach London wert. Es wäre an der Zeit, dass die 99 Prozent dem einen Prozent endlich die Stirn bieten.2
Noch immer keine gerichtsfesten Beweise hat Robert Mullers Team von Topjuristen hervorgebracht, das seit über einem Jahr eine mögliche Einmischung der russischen Regierung in die US-Präsidentschaftswahl untersucht. Dafür hat Muller wenige Tage vor dem Treffen zwischen Putin und Trump vom 16. Juli zwölf russische Geheimdienstler wegen Hackens der Server der demokratischen Parteizentrale angeklagt. Das Timing war ideal, um das Gipfeltreffen noch zu belasten. Zudem konnte Muller sicher sein, den Beweis nicht liefern zu müssen. Denn ohne die Angeklagten vor einem US-Gericht kann das Verfahren gar nicht geführt werden.3
Schon im Frühjahr deponierte Muller Klagen gegen 13 russische Individuen und Firmen. Drei von ihnen hatten jedoch genug Geld, um sich teure US-Anwaltskanzleien zu leisten, die umgehend die Herausgabe der Beweismittel verlangten. Mullers Team verlangte Aufschub, was jedoch das Gericht verweigerte. Und so wurden die Klagen zurückgezogen.
Von solchen Details erfährt der brave Konsument der Mainstream-Medien nichts. Er muss mit den aufregenden aktuellen Schlagzeilen Vorlieb nehmen, die Fortsetzung bleibt ihm vorenthalten. Die Beweise sind u.a. dünn, weil das FBI darauf verzichtet hat, die gehackten Server der Demokraten selbst zu analysieren, sondern die Untersuchung der privaten Firma eines russischen Expats überliess.4
Apropos Einmischung in Wahlen: Gemäss der Doktorarbeit des Politologen Dov H.
Levin vom «Institute for Politics and Strategy» der Carnegie-Mellon Universität in Pittsburgh haben die USA seit dem Zweiten Weltkrieg in mindestens 81 Fällen bei Wahlen im Ausland interveniert, der Kreml in 36 Fällen.5
Das krasseste Vorkommnis war die Wiederwahl Jelzins 1996. Die Umfragewerte des alkoholkranken Brockens lagen im Keller (die tiefsten bei 6 Prozent) und das Vertrauen war nach dem Crash der russischen Wirtschaft und dem gescheiterten Tschetschenienkrieg dahin. Aber der Mann war als Liberalisierer für den Westen wichtig und musste an der Macht gehalten werden. Sechs US-Politberater gingen also nach Moskau, organisierten den Wahlkampf mit rund 500 Millionen Dollar und sicherten Jelzin in letzter Minute den Sieg. Das Time-Magazin widmete der Kampagne eine Titelgeschichte, in der u.a. diese beiden bemerkenswerten Sätze stehen: «Die Demokratie triumphierte und mit ihr hielten Instrumente der modernen Kampagnenführung Einzug, inklusive der Tricksereien, die den Amerikanern so bekannt sind. Auch wenn diese Instrumente nicht immer bewundernswert sind, ist es doch sicher das Ergebnis, das sie zu erzielen halfen.»
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Quellen:
1: http://www.informationclearinghouse.info/49988.htm
2: www.informationclearinghouse.info/49917.htm
3: www.globalresearch.ca/fbi-chief-mueller-drops-indictments-against-russi…
4: www.redstate.com/streiff/2018/05/05/robert-mueller-facing-humiliating-e…
5: www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Einmischung-in-andere-Lander-USA-geg…
6: deutsch.rt.com/international/45284-russland-boris-jelzin-manipulation-usa/
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