Die Schimäre von der ökonomischen Transformation
Eine neue Eigentumsform macht in Europa mehr und mehr von sich reden: «Unternehmen in Verantwortungseigentum».
Diese Firmen werden nicht wie üblich von «Vermögenseigentümern» gehalten, sondern von jenen, die das Unternehmen treuhänderisch auf Zeit in Verantwortung führen. Etwa 200 Firmen in Deutschland mit insgesamt rund 1,2 Millionen Mitarbeitern sind bereits in «Verantwortungseigentum», u. a. die Robert Bosch GmbH und die Carl Zeiss AG.
Zu den Prinzipien dieser Gesellschaftsform gehört zum einen die Eigenständigkeit der Unternehmen. «Die Kontrolle bleibt immer in den Händen von Menschen, die mit dem Unternehmen innerlich verbunden sind und die Werte des Unternehmens im Sinne seiner langfristigen Entwicklung tragen», lautet der Anspruch. Es gibt keine automatische Vererbung und das Unternehmen kann nicht als Spekulationsgut gehandelt werden. Es bleibt in der sogenannten «Werte-Familie» – so der eigentliche Plan.
Darüber hinaus sollen Gewinne nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck generiert werden. Unternehmensvermögen ist demnach nicht persönliches Vermögen der «Verantwortungseigentümer», vielmehr sollen die Gewinne und Vermögen weitestgehend für die Unternehmensentwicklung freigehalten werden.
Jetzt soll diese Unternehmensform ein neues juristisches Fundament erhalten: Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum (kurz: VE-GmbH). Die Initiative dafür kommt von der «Stiftung Verantwortungseigentum»; vor allem junge Unternehmer fordern darin die neue Rechtsform, um langfristig Beteiligungsmöglichkeiten und Unternehmensziele vor Investoren zu schützen. Zu den Gründungsmitgliedern der Stiftung gehören darüber hinaus äusserst potente Partner wie die BMW Foundation Herbert Quandt.
Klingt das alles wie die Verwirklichung einer Utopie? Wenn kürzlich ein Generalsekretär und zwei Vorsitzende der grossen deutschen Parteien – Lars Klingbeil (SPD), Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Robert Habeck (Die Grünen) – zu Lobgesängen angesichts dieses Projektes anheben, heisst es:
Skepsis ist angebracht!
Das Magazin Jacobin hat die kritischen Punkte der Gesetzesinitiative skizziert:
Vor allem die innerbetriebliche Mitbestimmung ist nicht geregelt: «Weder der Gesetzentwurf noch die Initiatoren machen einen gemeinsamen Vorschlag für Vorgaben, die regeln, inwiefern Mitarbeiter an einem Unternehmen bei der Mitentscheidung beteiligt werden und somit ihre Interessen wahrnehmen können.»
Weiterhin seien verdeckte Gewinnausschüttungen möglich, zum Beispiel durch die Auszahlung exorbitanter Gehälter an jene Gesellschafter, die Beteiligungen halten. Damit greift das Gewinnausschüttungsverbot nur oberflächlich und weist erhebliche Lücken auf.
Insgesamt bilanziert das Blatt: «Ein freiwilliges Verantwortungseigentum könnte einen kleinen Beitrag zu einer gemeinwohlorientierten Transformation leisten. Der Gesetzentwurf weist Fallstricke auf, die den Ansatz erheblich limitieren. Wenn aber massenhaft Betriebe in Verantwortungseigentum überführt, spürbare Mitbestimmungsrechte eingeführt, die Übertragung von Anteilen entbürokratisiert und verdeckte Gewinnausschüttungen verhindert werden würden, dann könnte das zu einer Wirtschaftsdemokratie führen.»
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