Menschen aus dem Leben – Hans-Ulrich Jakob wurde sogar verdächtigt, ein russischer Agent zu sein. Aber ihm ging es nur um Strahlung in seiner Region: Er kämpfte gegen den Kurzwellensender Schwarzenburg – riskierte dabei sein Leben – und gewann.

Sommer 2019: Hans-Ulrich Jakob bei seiner Rede anlässlich der Stopp-5G Demonstration in Bern. / zvg

«Jetzt geht es in den Abgrund» sagt nach der Begrüssung Hans-Ulrich Jakob lachend. Damit meint der humorvolle und stattliche Mann sein Büro im ausgebauten Keller seines Einfamilienhauses in der bernischen Gemeinde Schwarzenburg. Neben Messgeräten, einem Fax, einem Drucker und einem grossen Bildschirm reihen sich in den Holzregalen viele verschiedenfarbige Ordner. «Das sind alles Akten von Einsprachen gegen Mobilfunkantennen», sagt Jakob.

Trotz seines hohen Alters von 82 Jahren befasst er sich noch immer täglich mit mobilfunktechnischen Fragen. Früher führte er als Segelfluglehrer eine eigene Flugschule in Thun. Und heutzutage, wenn er mal Zeit hat, was selten vorkommt, liest Jakob am liebsten Krimis vom US-Autor John Grisham.

Der gelernte Elektrotechniker war schon als Kind ein Fan der Elektronik. Vor 62 Jahren arbeitete er als erster in der Schweiz mit einem CAD-Programm, einer rechnergestützten Technologie zur Erstellung von Konstruktionen. Im Jahr 1980 machte sich Jakob mit der Firma «Prevotec» schliesslich selbständig: «Ich spezialisierte mich auf Steuerungs- und Regeltechnik für den Maschinenbau und musste nie einen Franken für Werbung ausgeben, es lief prächtig», erzählt Jakob.

«Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, wie gefährlich Strahlung ist.»

Eine Orientierungsversammlung wegen des Kurzwellensenders Schwarzenburg im Jahr 1987 sollte Jakobs Leben nachhaltig verändern. Der Sender strahlte in der Zeit des kalten Krieges seine westlichen Programme von Schwarzenburg aus in die ganze Welt hinaus. Anwohner berichteten an der Versammlung von Musik machenden Dachrinnen, Herdplatten und singenden Trommeln in Waschautomaten, die wegen der Strahlung zu schwingen begannen. Von vielen Krebsfällen, von Schlaflosigkeit und Depressionen aus der bäuerlichen Nachbarschaft hörte er. «Ich weiss, was es gestandenen Bauersleuten für eine Überwindung kostet, an einer Versammlung aufzustehen und von ihren Leiden zu erzählen.»

Genau das passierte an jenem Abend. Das gab Jakob zu denken. «Ich wusste bis dahin gar nicht, wie gefährlich diese Strahlung für die Gesundheit ist», sagt er. Als die Betroffenen von Vertretern der PTT (Heute Swisscom) ausgelacht und als eingebildete Kranke betitelt worden seien, so Jakob, habe für ihn der Entschluss festgestanden: Ein Messgerät musste her, um festzustellen, was da eigentlich los ist. Er bestellte ein Gerät aus Deutschland, das aber aus dem Zollfreilager im Flughafen Zürich verschwand. «Der Bundesnachrichtendienst schickte es kurzerhand an den Absender zurück. Erst die dritte Bestellung erreichte schliesslich Schwarzenburg, nachdem ich sie beim Generalimporteur in Frankfurt am Main persönlich abholte», erzählt Jakob.
 

Kurzwellensender Schwarzenburg

 

«Im Dorf hiess es, ich sei ein russischer Agent des KGB.»

Doch das Messen gestaltete sich gar nicht so einfach wie gedacht. Als er mit seinen Nachforschungen begann, wurde er im Dorf schräg angesehen. «Es wurde in den Medien gezielt das Gerücht gestreut, ich sei ein Agent des russischen Geheimdienstes KGB und ich sei extra in Schwarzenburg stationiert worden, um den Kurzwellensender in Verruf zu bringen.» Erst Jahre später erfuhr Jakob, dass die Bundespolizei, die Unterabteilung Nachrichten und Abwehr UNA, und der Nachrichtendienst der Geheimarmee P27 in den Kurzwellensender involviert waren. «Es war schon sonderbar, morgens zwischen zwei und drei Uhr waren regelmässig Mountainbiker, Jogger und Liebespaare rund um den Sender unterwegs, die vorher nie dort waren», erinnert sich Jakob.
 

Jakob bei einer Messung im Jahr 1989.


Als Kommunist, Landesverräter und Rechtsextremer sei er schon von den Medien beschimpft worden. «Meine Frau und meine zwei Töchter haben im Dorf besonders darunter gelitten, mir machte das weniger aus.» Auch in Moskau soll er schon gewesen und extra für seine Mission ausgebildet worden sein, hiess es. Im Herbst 1991 wurden gar die Radmuttern an seinem Auto gelockert. «Damit hätte es nach rund 400 Kilometern zu einem schrecklichen Unfall kommen können», erinnert sich Jakob. «Mein gutes technisches Gehör machte mich zum Glück auf den Defekt aufmerksam.» Er erstattete Anzeige gegen Unbekannt wegen Mordversuchs. Der damalige Untersuchungsrichter habe auf eine Strafverfolgung verzichtet und sei später zum Gerichtspräsidenten befördert worden.

Als der Kurzwellensender wegen zu vieler Klagen in der Bevölkerung doch in Verruf geriet, lancierten die Betreiber ein neues Projekt und behaupteten, der Sender sei nun sanierungspflichtig. «Diese Sanierung hätte eine fünffach höhere Sendeleistung mit 1,2 Millionen Watt bedeutet, damit wäre es für die Anwohner noch viel schlimmer geworden als vorher», sagt Jakob. Die Betreiber behaupteten auch, dass der neue Sender nun nicht mehr ins Dorf strahle. Um das Gegenteil zu beweisen, mietete Jakob kurzerhand einen Helikopter und machte Fotos auf 80 Meter Höhe, knapp über dem Baugespann – kein ungefährliches Unterfangen. Seine Fotos zeigten eine hervorragende Sichtverbindung – die Strahlen erreichten also doch das Dorf.

Jakob liess sich nie beirren. Er kämpfte und mahnte weiter. Endlich, Anfang der 90er-Jahre, begannen sich auch die Schwarzenburger zu wehren und gründeten einen Verein. Eine Studie der Universität Bern konnte die schädlichen Auswirkungen der Strahlung nachweisen, und so wurde der Sender 1998 geschlossen – nach elf Jahren. Ein einzelner Mast in der Landschaft erinnert noch als Mahnmahl an die Vergangenheit. Ein freudiger Moment im Leben von Jakob, könnte man denken, doch wirklich freuen konnte er sich nicht: «Es gab zu viele Schäden, zu viele kranke Menschen und sogar Tote. Dem Wald sieht man es heute noch an.»

Mit dem Abriss des Kurzwellensenders sei die Sache nun erledigt, dachte sich Jakob – doch er irrte sich. Die Ruhe dauerte nur ein halbes Jahr, bis die ersten Mobilfunkantennen überall im Land aufgebaut wurden. Im Jahr 2000 gründete er den Verein «Gigaherz». Unermüdlich kämpfte Jakob weiter gegen schädlichen Mobilfunk, sass 15 Stunden im Büro, und wenn er nicht dort sass, so reiste er durch die Schweiz, hielt Vorträge und organisierte Kongresse. «Meinen ersten öffentlichen Vortrag hielt ich für die Schweizer Demokraten am Bodensee. Danach hiess es, ich sei ein Rechtsextremer. Einmal wurde ich von den Naturisten in Thielle am Neuenburgersee zu einem Vortrag eingeladen. Anschliessend war ich ein Flitzer. Ich bin zwar schon 82 Jahre alt, aber ich müsste zweimal so alt werden, um all das zu sein, was mir schon nachgesagt wurde», sagt Jakob lachend.

Der Humor ist dem unermüdlichen Kämpfer nie ausgegangen. Dies findet sich auch in der Schreibart auf seiner Webseite «Gigaherz.ch» wieder, die pointiert bis ironisch daherkommt. Trotz seines hohen Alters steht er Hilfe suchenden EinsprecherInnen gegen Mobilfunkantennen noch immer mit technischem Rat zur Seite. Jakob: «Ich mache das alles, weil es Menschen gibt, denen es wirklich schlecht geht, und da muss ich einfach helfen.»