Unter dem Kennwort Triage hat der Deutsche Bundestag am 10. November 2022 nichts anderes als ein neues Selektionsgesetz verabschiedet. Damit werden Ärzte erstmals nach Ende der Nationalsozialistischen Diktatur (1933 - 1945) vom Staat angehalten, über Leben oder Tod ihrer Patienten selbst zu entscheiden. Bei dem vom Bundestag beschlossenem Gesetz handelt es sich um nichts anderes als den makabren Mechanismus der Kostensenkung - den der eine oder andere Patient in Zukunft mit dem Leben bezahlen wird. Sam Hawkins analysiert die Hintergründe auf dem US-Portal Mittelstand-BRICS:
Der Bundestag selbst verkündete die Abstimmung vom 10.11.2022 wie folgt:
«Über eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), um der sogenannten Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, entscheidet der Bundestag am Donnerstag, 10. November 2022, nach knapp 70-minütiger Debatte. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/3877, 20/3953, 20/4145 Nr. 4) soll die bestehende Schutzpflicht, die sich aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes ergibt, umgesetzt werden. Zur Abstimmung liegt den Abgeordneten eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vor (20/4359). Entschieden wird außerdem über einen Entschließungsantrag, den die Unionsfraktion zu dem Gesetzentwurf eingebracht hat (20/4368).
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf diene dazu, das Risiko einer Benachteiligung insbesondere aufgrund einer Behinderung bei der Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten zu reduzieren, heißt es in der Vorlage. Demnach darf die Zuteilungsentscheidung nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten getroffen werden.
Mit der Neuregelung werde klargestellt, dass bei der Zuteilungsentscheidung niemand benachteiligt werden dürfe, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Der Entwurf enthält ferner Regelungen zum Verfahren bei der Zuteilungsentscheidung.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entschieden, dass sich aus dem Grundgesetz für den Staat der Auftrag ergibt, Menschen mit Behinderung bei knappen intensiv-medizinischen Kapazitäten vor Benachteiligung zu bewahren.
Bestehe das Risiko, dass Menschen bei der Zuteilung knapper Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden, verdichte sich der Schutzauftrag zu einer konkreten Schutzpflicht, heißt es unter Verweis auf die Gerichtsentscheidung in der Vorlage. Entscheidend sei es, dass eine gesetzliche Regelung hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen Behinderung bewirke.
Der Gesundheitsausschuss beschloss in seinen Beratungen drei Änderungsanträge. So wird konkretisiert, wann überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten in einem Krankenhaus nicht ausreichend vorhanden sind. Ferner sollen Krankenhäuser dazu verpflichtet werden, eine Zuteilungsentscheidung unverzüglich der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen. Zudem ist eine Evaluation der Neuregelung geplant.»
Versagen der Politik: Schließungen statt Erhalt sind Ursache der Krise
Soweit der offizielle Teil. In Wirklichkeit darf man sich über das Gesetz mehr als nur wundern. Denn die immer wieder benannte Knappheit der Intensivverordnung ließe sich einfach umgehen - indem Bund und Länder Gelder für den Erhalt von Krankenhäusern zur Verfügung stellen würden. Das Gegenteil aber ist der Fall, wie Statista erklärt:
«Im Jahr 2020 wurden deutschlandweit 1.903 Krankenhäuser gezählt und damit 161 Häuser weniger als noch zehn Jahre zuvor. Trotz stetig steigender Fallzahlen ist die Gesamtzahl der Krankenhäuser seit Jahren rückläufig. Der Trend wird vor allem durch die Schließung von freigemeinnützingen und öffentlichen Krankenhäusern bestimmt. Auch die Anzahl verfügbarer Krankenhausbetten ist seit dem Jahr 2000 um über zehn Prozent auf bundesweit rund 487.800 Betten zurückgegangen, wobei die privaten Klinikbetreiber ihre Kapazitäten im gleichen Zeitraum deutlich ausbauen konnten (allgemeine Krankenhäuser). Im Zuge intensiver Rationalisierungsbemühungen hat sich unabhängig von der Trägerschaft die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten in den letzten Jahren stetig reduziert und belief sich zuletzt auf 7,2 Tage. Der größte Kostenfaktor in deutschen Krankenhäusern sind die Personalkosten, die mit rund 74,2 Milliarden Euro mehr als 70 Prozent der Gesamtkosten von 104,7 Milliarden Euro (2020) ausmachten».
Selektion als Kostensenker
Das bittere Fazit: Bei dem vom Bundestag beschlossenem Gesetz handelt es sich um nichts anderes als den makabren Mechanismus der Kostensenkung - den der eine oder andere Patient in Zukunft mit dem Leben bezahlen wird.
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