Windkraft: Neun europäische Staaten beschliessen «massive» Industrialisierung der Nordsee.

Bis 2050 sollen Offshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 300 Gigawatt errichtet werden. Meeresschutzmassnahmen ausgehebelt.
Veröffentlicht: 26. Apr 2023 - Zuletzt Aktualisiert: 26. Apr 2023

Die Regierungschefs von neun Staaten der Nordatlantikregion bei ihrer Nordsee-Offshore-Konferenz Anfang dieser Woche im belgischen Ostende haben ambitionierte Ziele beschlossen. Sie unterzeichneten eine Erklärung, die die Nordsee zum «grünen Kraftwerk Europas» erklärt.

Dieselben Staaten hatten vor 30, 40 Jahren auf Internationalen Nordseeschutzkonferenzen (INK) um Möglichkeiten gerungen, das Meer angesichts schwerster ökologischer Schäden zu sanieren und zu schützen, ohne dabei die eigenen Nutzungsinteressen aus dem Auge zu verlieren. Nun aber beschliessen sie nicht einfach nur eine ausufernde Industrialisierung des Meeres, sondern unterfüttert diese zugleich durch Begleitmassnahmen: «massive Investitionen in Infrastruktur sowohl an Land als auch auf See» sollen getätigt werden. Man könne dabei auch «nicht jahrelang auf Genehmigungsprozesse warten». Angeblich um die »Sicherheit der Infrastruktur auf See und unter Wasser zu erhöhen«, wird die Militarisierung des Meeres und seiner Küsten in Kooperation von EU und NATO angedacht. 

Bis 2050 sollen Offshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 300 Gigawatt (GW) errichtet werden. Aktuell sind im deutschen Seegebiet knapp acht Gigawatt Leistung installiert, mit denen 2022 rund 24,7 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt worden sind. Eine Leistung von 300 GW läuft damit auf eine Stromproduktion im Bereich von 900 TWh hinaus. Davon könnten 300 Millionen Haushalte mit Energie versorgt werden, wird Belgiens Regierungschef Alexander De Croo zitiert. Laut Eurostat hatte die EU Ende 2021 knapp 197 Millionen Haushalte. 

Handwerk und Industrie warnen, es gäbe für solche Pläne gar nicht die Fertigungskapazitäten. Auch die Rohstofffrage sei ungeklärt, ebenso die Verfügbarkeit von Häfen, Spezialschiffen oder Netzausbau. 

Das Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht fordert vor einem drastischen Ausbau von Offshore-Windkraft sorgfältige Risikobewertungen. Folgen für die Entwicklung von Fischbeständen seien ebenso ungenügend erforscht wie die Auswirkungen von Luftverwirbelungen durch die Rotoren auf die Meeresströmungen und daraus sich ergebende Klimaveränderungen.