Warum Greta Thunberg diesmal Recht hat

Auf besetztem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit. Yaak Pabst belegt mit bemerkenswertem Material zu Palästina, dass Greta Thunbergs These zutrifft.

Foto auf Basis von Greta Thunbergs Instagram-Post.
Foto auf Basis von Greta Thunbergs Instagram-Post.

Vorbemerkung von Peter Vlatten: In Deutschland können wir beobachten, wie die Politik eines «Grünen Kapitalismus», vornehmlich vorangetrieben durch Wirtschaftsminister Habeck, sowohl soziale Ungerechtigkeiten verschärft als auch den Kampf gegen den Klimawandel in sein Gegenteil verkehrt und in ein profitgenerierendes und Imperialistisches Projekt verwandelt. Beispielhaft hierfür steht die rigorose Durchsetzung der LNG Terminals bei Rügen. Die in die Politik der Grünen eingebundene Deutsche Fridays for Future Führung folgt diesem Kurs innen- wie aussenpolitisch, mit ein bisschen Kritik an der Oberfläche.

Fridays for Future hat sich nun endgültig in zwei Flügel gespalten. Der eine Fügel, für den repräsentativ Luisa Neubauer steht, will lediglich den Weg des «grünen Kapitalismus» reformieren und echauffiert sich als Verstärker des von der Ampel vorangetriebenen internationalen hegemonialen Konfrontationskurses. Der andere Flügel bezieht zunehmend klar Stellung: die Schaffung sozialer Gerechtigkeit sowie die Befreiung von jeglicher hegemonialer Unterdrückung sind unabdingbar für einen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel. 

 

Greta Thunberg hat bei der Klima-Demonstration mit 85.000 Teilnehmenden in Amsterdam der palästinensischen Bewegung wortwörtlich eine Stimme und Bühne gegeben. Sie hat ihre Redezeit genutzt, um der ganzen Welt zu sagen: «Auf besetztem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit».

Jetzt tobt das Establishment gegen sie, aber auch AktivistInnen aus der Klimabewegung kritisieren ihre Parteinahme im Palästinakonflikt scharf. 

Die Reihe der KritikerInnen ist beeindruckend: Von PolitikerInnen, dem Zentralrat der Juden, Luisa Neubauer – oder einem niederländischen Klimaschützer, der gar versuchte, ihr das Mikrofon abzunehmen – hacken eigentlich so gut wie alle auf der 20-Jährigen Ikone der Klimabewegung herum. «Naiv», «unanständig», «granatenmässig dumm», «antisemitisch», «Israel-Hasserin» – die Liste der negativen Eigenschaften, die ihr zugeschrieben werden ist lang. Ausserdem würde sie mit ihren Aktionen die Bewegung spalten.

Das sie völlig eindeutig gegen Antisemitismus ist, scheint niemanden zu interessieren. Auf ihrem Instagram-Profil schreibt sie: «Wir sind natürlich gegen jede Art von Diskriminierung und verurteilen Antisemitismus in allen Formen und Ausprägungen. Das ist nicht verhandelbar.» 

Es liegt in Deutschland mehr an der Tatsache, dass Parteinahme für die palästinensische Bewegung und Kritik an der Politik des Staates Israel willkürlich gleichgesetzt wird mit Antisemitismus. Diese Schieflage haben an anderer Stelle hunderte von international renommierten WissenschaftlerInnen im Bereich der Holocaustforschung, Judaistik und Antisemitismusforschung – viele von ihnen aus Israel – in der «Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus» scharf kritisiert.

Das zeigt: Es ist eben nicht Greta Thunberg, die spaltet, weil sie ein Palästinensertuch trägt, sondern die Politik der Herrschenden. Linke sollten nicht in den Chor der Bürgerlichen und Linksliberalen einstimmen: Nicht Greta Thunberg schwächt die Bewegung, sondern die Reaktion der Medien und PolitikerInnen – insbesondere in Deutschland – die auf die Aktivistin jetzt einschlagen.

Was macht das Establishment eigentlich so wütend? Greta Thunberg ist doch einfach nur konsequent Greta Thunberg! Sie macht nur das, was sie immer schon gemacht hat: Sagen, was ist – auch wenn es unbequem ist. In diesem Falle: Klimaschutz und Gerechtigkeit können nur Hand in Hand nachhaltig durchgesetzt werden. Dort wo Unterdrückung herrscht, wird es keine klimafreundliche Politik geben. 

Wer ihre Rede in Amsterdam anhört, versteht das auch sofort. Wer skeptisch ist, kann diese Einsicht beispielsweise in einer Studie der UN nachlesen, die den Zusammenhang von geopolitischen Spannungen und der sich verschärfenden Klimakrise am Beispiel der Wasserversorgung in den palästinensischen Gebieten beleuchtet.

Da die Klimakrise die Niederschlagsmuster verändert, ist es schwieriger, Nutzpflanzen wie Weizen und Gerste, mit denen palästinensische Bauern ihr Vieh füttern, mit traditionellen Methoden der Bewässerung durch Regenwasser anzubauen. Indem die Besatzung den Bauern den Zugang zu alternativen Wasserquellen verwehrt, verschärft sie die Auswirkungen der Wasserknappheit. So zielt die israelische Armee gezielt auf Kraftwerke, Wasseraufbereitungssysteme und Wasserressourcen im Gazastreifen ab, wodurch ungeklärtes oder teilweise aufbereitetes Abwasser direkt in das Mittelmeer eingeleitet wird, was eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellt und die Wasserkrise verschärft. 

Aber nicht nur am Beispiel des «Besetzten Wassers» wie es Amnesty International nennt oder wie dies im Film «Die Bewaffnung des Wassers in Palästina» beleuchtet, wird dies deutlich. Auch im Westjordanland hat der israelische Siedlungskolonialismus systematisch Umweltschäden verursacht.

Fossile Konzerne unterstützen diesen Prozess: Multinationale Unternehmen wie AXA und HSBC oder auch das deutsche Unternehmen Heidelberg Materials, die in fossile Brennstoffe investieren oder selbst zur fossilen Industrie gehören, machen sich mitschuldig an der Unterdrückung des palästinensischen Volkes durch den Staat Israel. Sie investieren in Unternehmen, die Israel bewaffnen, seine illegalen Siedlungen finanzieren und palästinensisches Land und natürliche Ressourcen ausplündern. 

Israel selbst ist ein fossiles Monster: 92 Prozent der israelischen Stromerzeugung stammen aus fossilen Brennstoffen, einschliesslich Erdgas, das zum Teil durch die illegale Ausbeutung palästinensischer Gasvorkommen gewonnen wird. (Hier und hier)

Der CO2-Ausstoss der palästinensischen Gebiete ist minimal. Dagegen leiden die Menschen dort jedoch unverhältnismässig stark unter den Auswirkungen des Klimawandels: Bis 2050 wird für die palästinensischen Gebiete ein Temperaturanstieg von 3-4,5 °C erwartet.

Der andauernde Krieg Israels gegen die palästinensische Bevölkerung sowie die Architektur und Politik der Besatzung befeuern die Auswirkungen des Klimawandels in der Region und machen gleichzeitig eine Bekämpfung der Folgen so gut wie unmöglich. Diesen Zusammenhang zu sehen, ist eigentlich nicht schwer, und es gilt nicht nur für Palästina. 

Globale Ungerechtigkeiten, kolonial geprägte und fortlaufende Ausbeutungsverhältnisse sowie Menschenrechtsverletzungen sind Ausdruck des fossilen Kapitalismus, der die Zerstörung des Klimas und damit des Planeten unaufhörlich weiter treibt. Dabei stehen die Profitmaximierung multinationaler Konzerne und die Interessen der mit ihnen verbundenen Staaten an erster Stelle; vor Menschenrechten, vor Gerechtigkeit, vor dem Klima. Darauf will Greta Thunberg hinweisen! Dass dies den Mächtigen dieser Welt nicht schmeckt, ist ein Lob für die Aktivistin.

Und es gelten immer noch die Redefreiheit und die Versammlungsfreiheit. Wenn AktivistInnen die Bühne einer Klima-Demonstration nutzen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen, ist das ihr gutes Recht. Sie spalten damit nicht die Bewegung, sondern nehmen ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahr. Sie erfüllen aber damit noch eine andere wichtige Aufgabe: Sie heben das Bewusstsein der Bewegung und ziehen den gesellschaftlichen Diskurs nach links. Oder um es mit dem marxistischen Denker Georg Lukacs zu sagen: «Während das klare Herausarbeiten der höchsten Möglichkeit, die in einem bestimmten Augenblick objektiv gegeben ist, also die organisatorische Selbständigkeit der bewussten Vorhut, selbst ein Mittel ist, die Spannung zwischen dieser objektiven Möglichkeit und dem tatsächlichen Bewusstseinszustand des Durchschnitts in einer die Revolution befördernden Weise auszugleichen.» 

Greta macht als Aktivistin das, was eigentlich die Aufgabe einer linken Partei wäre. Sie verbindet Bewegungen, sie gibt den Unterdrückten eine Stimme. Sie nutzt ihre Popularität, um gegen den Strom zu schwimmen und so das Bewusstsein zu heben. Vorbildlich! 

Die Linke in Deutschland – klein wie gross geschrieben – sollte sich solidarisch an ihre Seite stellen und es wie Greta tun: Sagen was ist – auch wenn es unbequem ist! Wie das möglich wäre? Abgeordnete der LINKEN könnten sich alle ein Palästinenser-Tuch umwerfen und vor dem Bundestag eine Kundgebung der Solidarität organisieren: mit Greta Thunberg, der Jüdischen Stimme für einen Frieden in Nahost, Palästina Spricht, linken GewerkschafterInnen, WissenschaftlerInnen, ÄrztInnen ohne Grenze und anderen. Sie könnte aufklären über die Zusammenhänge und der Klimagerechtigkeitsbewegung den Rücken stärken. Das würde zur so dringend benötigten Erneuerung der Partei beitragen und AktivistInnen, die gerade zu Tausenden auf der Strasse sind, eine Stimme und neue Perspektive geben. 

Oder um es mit Südafrikas erstem schwarzen Präsident und Träger des Friedensnobelpreises Nelson Mandela zu sagen: «Wir wissen nur zu gut, dass unsere Freiheit ohne die Freiheit der Palästinenser unvollständig ist.»

Kommentare

Sagen was ist. Dann soll…

von renekueng
Sagen was ist. Dann soll das auch nicht zur Spaltung beitragen, sondern zur Klärung: zuerst die Masken abnehmen, bevor das Halstuch umgebunden wird. Es gab selten was idiotischeres als eine (fast komplette) Linke, Gross und klein geschrieben, die ihren kapitalistischen Kollegen sowas auf den Leim gingen. Ansonsten viel Gutes im Bericht, ich hoffe die Linke lernt wieder, kritisches Denken, elementaren Anstand und den ursprünglichen Sinn von solidarisch im wirklichen Leben umzusetzen. Und 'ihre' Antifa zu mässigen.

Warum kriechen die Klima-Kinder PALIWOOD auf den Leim?

von Roland Knecht
Ich habe selten einen Artikel gelesen der so weit entfernt ist von dem „was ist“ wie dieser. Dieser Text enthält so viele falsche NARRATIVE pro Zeile, wie zur besten CORONA-BLÜTE ARD und SRF zusammen zu fabrizieren vermochten. Besetztes (Wasser) Land, eben gerade nicht! war Gaza besetzt. Und es ist die HAMAS die die Wasserrohre aus dem Boden reist um daraus Raketen zu bauen.  https://youtu.be/TzkhNwwCdr4?si=clQj3Pcp3Ioxb_Ig Die Klima-Kinder kriechen der HAMAS PROPAGANDA auf den Leim, weil es der Mainstream im Westen seit Jahrzehnten tut. Aber warum schreibt der Erwachsene Mainstream solch selbstzerstörendes Zeug? Ich verstehe es nicht. Schau dir diesen Clip an eines offen und kritischen Israeli an, er demaskiert die Fakes am besten.  https://youtu.be/YTwQh72XUZo?si=_q1DXFKR82kWGLrD

Warum Greta Thunberg diesmal Recht hat

von Peter M. Schneider
Nicht die scheinheilige Greta, sondern Roland Knecht hat völlig Recht! Ich habe selten so einen Schwachsinn gelesen, wie diesen Artikel. Wenn der Zeitpunkt weiter solchen Stuss und nun auch noch das Dogma der Klimareligion verbreitet, dann verzichte ich liebend gerne auf ihn.

Streiten ja, aber

von MS
Mir kommt es etwas seltsam vor, wenn hier weisse Männer aus wohlhabenden Ländern darüber streiten, wer recht hat und dies in einer doch recht kindlichen Art: "Ich habe recht&du bist doof!" Ich finde, man soll sehr wohl Artikel und Meinungen kritisieren können. Schön wäre, wenn dies konstruktiv und nachvollziehbar geschähe und zwar am besten so, dass man zuerst auf ein Argument eingeht, bevor man dieses zu entkräften versucht. Wer regelmässig im Zeitpunkt liest, sollte eigentlich genug Inspiration bezüglich Gesprächskultur, Respekt, und dergleichen erhalten haben. So viel ich weiss, hat hier niemand die Hamas schön geredet, sondern es wurde auf die Unterdrückung des palästinensischen Volkes hingewiesen. Manchmal kommt es mir vor, dass Grautöne von vielen Menschen leider nicht gesehen werden (können?). Um des Friedens Willen braucht es aber genau das, sowohl in den Kommentarspalten, als auch überall im Leben. Wie man(n) mit Wut und Hass umgehen könnte, um daraus konstruktive Kräfte zu mobilisieren zeigt Vivian Dittmar im Buch "Gefühle&Emotionen - eine Gebrauchsanweisung" sehr gut verständlich auf, ich kann es wärmstens empfehlen. Bezüglich der Kritik am Zeitpunkt sei noch darauf hingewiesen, dass dieser hier einen Artikel von Pressenza übernommen hat. Auch dies darf man natürlich kritisch hinterfragen...