Die Schweiz will also für die Ukraine eine grosse Friedenskonferenz organisieren. Zum Zeitpunkt der Ankündigung zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski bestand diese Schweiz aus zwei Personen, aus Viola Amherd aus dem Wallis, zur Zeit Bundespräsidentin und aus Aussenminister Ignazo Cassis.
Der Bundesrat war über die Ankündigung nicht informiert, die aber weltweit Schlagzeilen machte. Viola Amherd sagte vor den Medien, für das Vorpreschen habe es keinen Bundesratsentscheid gebraucht.
Das stimmt vielleicht im streng legalistischen Sinn. Aber es sagt einiges aus über die im Bundesrat herrschende Konkordanz und das Bedürfnis einzelner Mitglieder, sich zu profilieren. Für mich ist diese Grossmannssucht ein Zeichen von Schwäche.
Die Friedenskonferenz hat natürlich einen grossen Haken, indem die wichtigste Konfliktpartei – Russland – gar nicht daran teilnehmen soll. Das war die Bedingung von Selenski, die die beiden Schweizer Magistraten offenbar akzeptiert haben.
So etwas kann kein Friedensgipfel sein, sondern – das ist meine Vermutung – eine weitere Finanzierungskonferenz, an der Geld für den Wiederaufbau der Ukraine gesammelt wird. Und natürlich gibt es ein bisschen Rampenlicht für unsere Politiker.
Beim Geldsammeln hat die Schweiz ein bisschen Erfahrung. Im Sommer 2022 fand eine Konferenz in Lugano statt, die «Ukraine Recovery Conference». Es gab eine Abschlusserklärung. Aber Konsequenzen oder sogar Taten? Ich wüsste nichts davon.
Im Juni 2023 fand eine Folgekonferenz in London statt mit deutlich kleinerem Gruppenbild. Das Ergebnis bestand aus Garantien und Zusagen, die erst nach einem Frieden eingelöst werden müssen und natürlich von der Art des Friedens abhängen.
Deutschland seinerseits hat im letzten September eine weitere Folgekonferenz für den Juni 2024 angekündigt. Wir werden sehen, in welchem Zustand sich Deutschland dann befindet.
Die Friedenskonferenz der Schweiz ist eine Erst-August-Rakete – ein kurzes Feuerwerk mit Beifall, dann ist wieder dunkel. Das hat auch die NZZ gemerkt, und die Sache in freundlichen, aber doch sehr deutlichen Worten kritisiert.
Die Regierung wird erst zehn Tage nach dem Treffen mit Selenski gemeinsam über die eingeschlagene Marschroute diskutieren», schrieb sie. «Ist das noch seriös – oder halt einfach das Schweizer System?
Die NZZ weist noch auf eine weitere Fallgrube der «Friedenskonferenz» hin: Russland soll verpflichtet werden, die von ihm angerichteten Schäden zu bezahlen. Dazu müsste die Ukraine allerdings den Krieg gewinnen.
Oder es müsste der Sieger – erstmals in der Geschichte der Menschheit – dazu verpflichtet werden, Reparationen zu bezahlen.
Dass die Idee eine Totgeburt ist, zeigt auch die Tatsache, dass sich der Ministerpräsident Chinas – ein entscheidendes Land für globale Friedenspläne – geweigert hat, Selenski am WEF überhaupt zu treffen. Selenski seinerseits sagte in einem Interview mit der NZZ, er würde nur mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping sprechen, nicht aber mit dem Ministerpräsidenten.
Die Schweiz soll eine Friedenskonferenz durchführen, ja! Aber nur als wirklich neutrales Land. Vielleicht könnte man mit etwas Bürgerdiplomatie friedenswillige Menschen aus den Konfliktländern an einen Tisch bringen und die Friedenstüre einen Spalt weit öffnen.
Ich bin überzeugt, dass Bürgerdiplomaten aus den betroffenen Staaten, Männer und Frauen, die wirklich für ihr Land einstehen und den Frieden wollen, einen gangbaren Weg aus dieser vertrackten Situation aufzeigen können.
Wenn es die Politik nicht schafft, sind wir gefragt.