Die Richter kommen darin zu dem Schluss, dass die Schweiz die Menschenrechte der Seniorinnen verletze, weil sie nicht genug gegen die fortschreitende Klimaerwärmung unternommen habe. Konkret habe die Eidgenossenschaft Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt, die das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Die Rentnerinnen hatten in der Beschwerde ins Feld geführt, dass der Bund seine Schutzpflichten ihnen gegenüber ungenügend wahrnehme und damit ihre Rechte verletze.
Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin des Vereins KlimaSeniorinnen vor dem Urteil:
Wir fühlen uns mit unserer erwiesenen besonderen Verletzlichkeit als ältere Frauen vom Bundesrat nicht genügend geschützt vor der Klimakatastrophe. Er ging nicht einmal ein auf das von der Bundesverfassung und den Menschenrechten garantierte Recht auf Leben und Gesundheit. Wenn wir mit unserer Klage in Strassburg gewinnen, nützt dies letztlich allen.
Im Urteil wird diese Argumentation über weite Strecken bestätigt. Die Rede ist darin etwa von «kritischen Lücken im nationalen Rechtsrahmen». So hätten es die Behörden versäumt, die nationalen Ziele für die Reduktion des Treibhausgasausstosses durch ein Kohlenstoffbudget oder auf andere Weise zu quantifizieren. Hinzu komme, dass die Schweiz ihre Klimaziele in der Vergangenheit nicht erreicht habe. Das Land habe es damit unterlassen, seinen Beitrag zu leisten, damit die globale Erwärmung 1,5 Grad Celsius nicht übersteige.
Obwohl sich die Beschwerde der Rentnerinnen nur gegen die Schweiz richtet, dürfte das Urteil internationale Strahlkraft besitzen: Es ist das erste Mal, dass ein länderübergreifendes Gericht direkt einen menschenrechtlich begründeten Anspruch auf Klimaschutz gutheisst. Entsprechend weitreichend könnten seine Auswirkungen sein. Denn indem die Richter die Klimaklage gutheissen, schaffen sie einen Präzedenzfall für alle 46 Staaten des Europarates. Diese könnten nun von ihren Bürgern aufgefordert werden, ihre Klimapolitik zur Wahrung der Menschenrechte zu überprüfen und nötigenfalls zu verstärken.