Hunderte Mobilfunkantennen in der Schweiz rechtswidrig

Das Bundesgericht hielt am 23. April 2024 fest, dass es für adaptive Antennen mit einer automatischen Leistungsbegrenzung einer Baubewilligung bedarf
Veröffentlicht: 15. Jun 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 15. Jun 2024

Der Bundesrat erlaubt seit dem 1. Januar 2022 per Verordnung, dass adaptive Antennen den Grenzwert für kurze Zeit um das Dreifache überschreiten und so ihr nahes Umfeld stärker belasten dürfen, mit Hilfe des sogenannten Korrekturfaktors. Dafür müssen adaptive Antennen mit einer automatischen Leistungsbegrenzung ausgestattet sein. Diese sorgt dafür, dass die für die Berechnung verwendete Sendeleistung gemittelt über eine Zeitspanne von sechs Minuten nicht überschritten wird. Jetzt aber hielt das Bundesgericht am 23. April 2024 fest, dass es dafür einer Baubewilligung bedarf. Nur so sei das rechtliche Gehör und der Rechtsschutz der betroffenen Personen in zumutbarer Weise gewährleistet. Das Gericht hielt fest:

«Die Anwendung des Korrekturfaktors bedeutet […] den Wegfall (bzw. die Abschwächung) einer bisher geltenden, vorsorglichen Emissionsbegrenzung».

Das Urteil betrifft unzählige Rechtsfälle und mehrere hundert möglicherweise sogar über tausend Antennen schweizweit. Alleine im Kanton Bern wurden 387 Anlagen mit Korrekturfaktor betrieben, ohne dass vorgängig ein Baugesuch eingereicht wurde. 

Indem der Bundesrat mittels Korrekturfaktor eine punktuelle Überschreitung des Anlagegrenzwertes erlaubte, übernahm er eine Idee der Anbieter, die bereits 2018 auf dem Tisch lag. Auch eine vom Branchenverband Asut favorisierte Handlungsoption im wichtigen Bericht „Mobilfunk und Strahlung“ von 2019 sah eine entsprechende Mittelwertberechnung vor. Doch im Bericht wurde bereits damals gewarnt: Aufgrund fehlender Transparenz des Verfahrens sei mit vielen Anfragen aus der Bevölkerung zu rechnen. Zudem finde «eine gewisse Aufweichung der Vorsorge statt, resultierend in einer Erhöhung der Exposition der Anwohnenden von Antennen».


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