Die Kommunikationswege wieder öffnen

Viktor Orban auf Friedensmission in Moskau
Veröffentlicht: 8. Jul 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 8. Jul 2024

Der neue EU-Ratspräsident und Premierminister Viktor Orban hat am 5. Juni 2024 ein Gespräch mit Wladimir Putin geführt, um den Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu fördern. Auf seinem Rückflug aus Moskau spricht er mit Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel etwa 20 Minuten über seine Mission. Nach seinem Besuch bei Wolodymyr Selenskyj in Kiew war dies das zweite Gespräch, das Orban in Sachen Frieden führte. Orban berichtet, dass er Putin nicht das erste Mal getroffen hätte und dass ihm bewusst sei, welches Imperium Putin regiere. Ungarn hätte eine lange und auch teilweise schwierige gemeinsame Geschichte mit Russland. Als junger Oppositioneller habe er sich vor Jahren dafür eingesetzt, dass die russischen Truppen Ungarn verlassen und das Land nationale Souveränität erreicht. Orban zur Kritik, er sei ein «Putinfreund»: «Ich bin ein Freund der Ungarn und in zweiter Linie bin ich für den Frieden. Das ist sehr wichtig, ich bin ein Freund des Friedens.» Er verhandle mit Putin, weil er den kürzesten Weg zum Frieden suche. 

Köppel: «Wie bereiten Sie sich mental auf solche Friedensgespräche vor?» Frieden zu machen  ist in Orbans Augen eine christliche Handlung. Auf politisch-bürokratischem Wege lasse sich nichts erreichen. Um motiviert zu bleiben für solche Gespräche müsse man sich spirituell vorbereiten. «Das habe ich gemacht. … Überzeugt davon, dass dies die Pflicht ist, die ich jetzt zu erfüllen habe.» Von den zu erwartenden kritischen Stimmen aus der EU dürfe er sich dabei nicht ablenken lassen. «Ich bin der einzige führende Politiker aus dem Westen, der die Chance hat mit Kiew und Moskau gleichzeitig zu verhandeln.» Orban stellt sich dabei persönlich in den Hintergrund: «Wenn man so etwas persönlich nimmt, dann macht man einen grossen Fehler. Ich zähle dabei überhaupt nicht. Im Vordergrund stehen der Frieden und der Krieg.» Das Sterben in diesem Krieg ist für Orban nicht akzeptabel und trifft ihn emotional, deshalb engagiere er sich für den Frieden. Seit 2022 hätte kein einziger  führender Politiker des Westens mit Putin gesprochen: «Keiner hat direkt gefragt.» 

Orban sprach mit Putin über drei wichtige Punkte: 1. Was hält Russland von den bereits vorliegenden Friedensplänen? Darauf sagte Putin: Verhandlungen könnten nicht ohne die Beteiligung beider Parteien stattfinden. Russland habe bereits auf den ersten Friedensvorschlag der Ukraine vom April 2022 reagiert und sei bereit auf dieser Basis weiter zu verhandeln und auch andere Vorschläge mit einzubeziehen. 2. Die Frage nach einer rasch einsetzenden Waffenruhe vor Beginn der Verhandlungen sah Putin nicht besonders optimistisch. Selenskyj hatte die Befürchtung, Russland würde eine Waffenruhe gegen die Ukraine nutzen. Putin sah es umgekehrt, die Ukraine würde eine Waffenruhe gegen Russland ausnutzen. 3. Auf die Frage nach einer Vision für die Zukunft, sagte Putin, Russland hätte einen Plan, wie das friedliche Zusammenleben künftig gestaltet werden könne. Putin verhalte sich in Gesprächen mit ihm immer sehr rational und diszipliniert. Die Menschen in der Ukraine und Russland brauchten Hoffnung, dass ihre Politiker Frieden schaffen können. Orban: «Wenn ich diese Gespräche führe, kann eine gute spirituelle Atmosphäre entstehen.»

Die rotierende Ratspräsidentschaft könnten wohl noch nicht alle akzeptieren, meinte Orban, zu den ablehnenden Reaktionen aus Brüssel. Diese Rolle hätte nicht nur einen bürokratischen, sondern auch einen politischen Auftrag. «Frieden kann nicht von Bürokraten geschaffen werden. Bürokraten sind sinnvoll und nützlich, aber Frieden kommt nicht von allein, er muss gemacht werden.» 


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