Vorschlag des deutschen Gesundheitsministers: Mehr Medikamente statt Präventionsprogramme zur Herzgesundheit  

Statine für die Kleinen zur Vorbeugung
Veröffentlicht: 21. Jul 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 21. Jul 2024

In der letzten Sitzung des Deutschen Bundestags vor der Sommerpause legte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach seinen Entwurf zum sogenannten „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) vor. Kai Rebmann auf reitschuster.de dazu: Experten verschiedener Fachdisziplinen haben das Papier schon im Vorfeld zerrissen, ihre Einwände werden im Bundesgesundheitsministerium aber weitgehend ignoriert.

Lobenswertes Ziel des Gesetzes ist die Reduzierung der Herz-Kreislauferkrankungen. Diese sind in Deutschland nach wie vor die mit Abstand häufigste Todesursache und machen jährlich knapp die Hälfte (rund 350.000) aller Sterbefälle aus. Rauchen, Alkohol, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung gehören dabei zu den wichtigsten Risikofaktoren. Die Präventionsprogramme, die Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen sollen, werden aber jetzt ausgedünnt. Stattdessen will der Minister verstärkt auf die vorbeugende Verschreibung von Statinen setzen. Statt wie bisher auf Prävention durch Aufklärung zu setzen, will Karl Lauterbach künftig schon im frühesten Kindesalter mit der lebenslangen Gabe von Medikamenten beginnen, insbesondere von Statinen und anderen Medikamenten zur Senkung des Cholesterinspiegels – zur Vorbeugung, wie es in seinem Entwurf heißt.

Die bisher zur Verfügung stehenden Mittel für die präventive Aufklärung sollen entsprechend umverteilt werden. Ein Großteil dieses Geldes soll künftig in die Kassen der Pharma-Industrie fließen, falls sich Karl Lauterbach mit seinem Entwurf durchsetzt. Deutliche Kritik äußern Vertreter der Kassenverbände in einem offenen Brief: „Wenn aus diesem Budget nun auch Arzneimittel zur Cholesterinsenkung sowie erweiterte Leistungen der Gesundheitsuntersuchungen und ärztliche Honorare finanziert werden sollen, stehen für die Bekämpfung der lebensstilbedingten Ursachen nur noch wenige bis keine Mittel mehr zur Verfügung.“ Andreas Gassen, Stefan Hofmeister und Sybille Steiner, die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stören sich vor allem daran, dass mit der Behandlung schon im frühesten Kindesalter begonnen werden soll: „Abzulehnen ist es, dass Ärztinnen und Ärzte breiten Bevölkerungsschichten Statine als Cholesterin- beziehungsweise Lipidsenker ziemlich unkritisch anbieten sollen, vor allem auch schon Kindern. Das sind sehr wirksame Medikamente, aber mit teils erheblichem Nebenwirkungspotenzial.“ 

Die Kinder scheinen, laut reitschuster.de, geradezu eine Zielgruppe des Ministers zu sein: Im Laufe der Fachanhörung im Bundestag wurde deutlich, dass Kinder im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U9, also im Alter von 5 bis 6 Jahren, auf die seltene Erbkrankheit „Familiäre Hypercholesterinämie“ gescreent werden und dabei zur Vorbeugung möglicher Herzinfarkte auch Statine verschrieben bekommen sollen. Ursprünglich hätte dieses Screening bereits bei Neugeborenen im Rahmen der U1 (am ersten Lebenstag) erfolgen sollen. Damit konnte sich der Gesundheitsminister aber offenbar nicht durchsetzen.


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