Das Erdbeben beim Rüstungskonzern Rheinmetall in Unteriberg war vermutlich eine Explosion

Die Stärke von 4,4 auf der Richterskala erfordert eine Sprengladung von mindestens 2500 Tonnen Dynamit. Die Behörden sehen keinen Anlass für Abklärungen.

Das Erprobungszentrum des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall auf dem Ochsenboden in der Gemeinde Unteriberg/SZ, wo das Epizentrum des Erdbebens, bzw. der mutmasslichen Explosion lag. (Screenshot)
as Erprobungszentrum des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall auf dem Ochsenboden in der Gemeinde Unteriberg/SZ, wo das Epizentrum des Erdbebens, bzw. der mutmasslichen Explosion lag. (Screenshot)

Am 4. Juni um halb drei nachts fand auf dem Versuchsgelände des Rüstungskonzerns Rheinmetall in Unteriberg ein Erdbeben der Stärke 4,4 auf der Richterskala statt. Der Schweizerische Erdbebendienst lokalisiert das Epizentrum in bloss 100 Meter Tiefe, gibt aber den sechs Kilometer entfernten Pragelpass als Zentrum an.

Die angegebenen Koordinaten 707853 / 212016 führen aber auf der Karte von Swiss Topo direkt auf das Testgelände von Rheinmetall, rund 6 Kilometer vom Pragelpass entfernt.

 

Es gab einen lauten Knall und im Restaurant des nahegelegenen Golfplatzes barsten die Scheiben. Es trafen rund 130 sog. «Verspürtmeldungen» ein, die am weitesten entfernte aus 109 Kilometer. Der Erdbebendienst erwartete für die folgenden Wochen und Tage Nachbeben; es gab sechs davon, ebenfalls auf dem Gelände der Rheinmetall, jedoch auf der der anderen Talseite.

Die Weltwoche griff das Thema auf und stellte die provokante Frage: «Hat der Rüstungskonzern Rheinmetall ein Erdbeben in der Schweiz verursacht?» Die Frage stehe im Raum, ob das Beben eine natürliche Ursache hatte oder ob es womöglich durch eine Explosion auf dem Testgelände ausgelöst worden sein könnte. Darauf würden die der Weltwoche vorliegenden Seismogramme verschiedener Stationen hinweisen. Auf ihnen ist das für ein Erdbeben charakteristische schwache Ansteigen des seismischen Signals nicht festzustellen.

Die Sprengkraft muss offenbar enorm gewesen sein. Die Weltwoche spricht sogar von der Möglichkeit eines Mini-Nuke, einer Kernwaffe mit weniger als 5 Kilotonnen und verlangte Aufklärung. Doch das Militärdepartement habe «keine Kenntnis von einem solchen Vorfall» und auch «keine Übersicht über Aktivitäten der Rüstungsindustrie». Das Sicherheitsdepartement des Kantons Schwyz sieht ebenfalls «keine Anzeichen, dass es sich nicht um ein Erdbeben gehandelt hat» und will den Vorfall nicht untersuchen.

Interessant: ein Erdbeben auf dem Gelände eines Rüstungskonzerns eines NATO-Landes, das in einer Tiefe von bloss 100 Meter stattfindet und mit einem lauten Knall beginnt! Ich bin kein Geophysiker, also habe ich mich bei einem Fachmann schlau gemacht.

Erste Frage: Wie kann man anhand eines Seismogramms – der Aufzeichnung der Erschütterungen – eine Explosion von einem Erdbeben unterscheiden?

Der Geophysiker hat mir drei Seismogramme gezeigt: Eines, mit dem der norwegische Erdbebendienst NORSAR die unterirdischen Atomtests von Nordkorea nachgewiesen hat. Eines vom Erdbeben von Elm vom 25. Oktober 2020 und dasjenige von Unteriberg vom 4. Juni 2024.

Man kann aus den drei Seismogrammen die Charakteristiken erkennen. Ein Erdbeben (oberstes Seismogramm) kündigt sich mit einer schwächeren Primärwelle an und weist im Gegensatz zu Explosionen auch unmittelbar nach dem Maximum kleinere Erschütterungen auf.
Konsequenz: Am 4. Juni hat wahrscheinlich kein Erdbeben, sondern eine Explosion stattgefunden.

Zweite Frage: Wie gross muss die Sprengladung gewesen sein?

Hier gibt es offenbar Erfahrungswerte aus der wissenschaftlichen Literatur. Die sogenannte Semipalatinsk Formel – benannt nach dem Nukleartestgelände in Kasachstan – ordnet einer Explosion mit 4,4 auf der Richterskala eine Sprengladung von 2,5 Kilotonnen zu.
Die Analyse zahlreicher britischer Nukleartests ergibt für ein Erdbeben dieser Stärke eine Sprengladung von 2,5 bis 9 Kilotonnen. Zu einer ähnlichen Sprengmassenschätzung kommt auch die norwegische seismische Behörde NORSAR für die nordkoreanischen Nukleartests.

Auf deutsch: 2500 bis 9000 Tonnen Dynamit. Das würde 125 bis 450 Lastwagen mit je 20 Tonnen Dynamit erfordern. Eine solche Kolonne wurde aber in Unteriberg nie gesichtet und sie hätte in den Stollen der Rheinmetall vermutlich auch keinen Platz.
Konsequenz: Explosion ja, konventionell nein.

Nicht unbedeutend: Der Sihlsee und der Wägitalersee, beides Stauseen, liegen in wenigen Kilometern Entfernung. Staumauern müssen in der Schweiz einem Erdbeben standhalten, wie es nur alle zehntausend Jahre stattfindet. Ein Bebenv on der Stärke 4,4 kann ihnen nichts anhaben. Schäden an normalen Gebäuden sind erst aber einer Stärke von 5 zu erwarten.

Dritte Frage: Eine Atomexplosion müsste doch radioaktiven Niederschlag produzieren. Warum hat man offenbar nichts festgestellt?

Antwort: Im Gegensatz zu atmosphärischen Atomtests gibt es bei unterirdischen Atomtests extrem geringen radioaktiven Fall-out, der sich mit den ohnehin bereits existierenden atmosphärischen Radioisotopen vermischt.
Allerdings baut sich ein Teil der Radioaktivität unter der Erde erst in Millionen von Jahren ab und kann gemäss den Ärzten für die Verhinderung eines Atomkriegs auch das Grundwasser kontaminieren.
Konsequenz: Unterirdische Atomexplosionen sind schwer nachzuweisen, allenfalls durch geringfügige Radioaktivität in Wasser und Luft

Die Explosion eines Mini-Nuke in den Innerschweizer Bergen – man kann eine solche Geschichte kaum glauben. Aber noch weniger glaubhaft ist die offizielle Version eines Erdbebens auf dem Testgelände eines internationalen Rüstungskonzerns, das von einem riesigen Knall begleitet ist und dem die geophysikalischen Charakteristiken eines Erdbebens fehlen.

Die Schwyzer Behörden sind gefordert. Just am Tag des «Erdbebens» veröffentlichte der Schwyzer Regierungsrat seine Antworten auf eine Interpellation von drei Mitgliedern des Kantonsrates zu 13 Fragen.

Die Betriebsbewilligung für das Testgelände auf dem Ochsenboden geht offenbar auf einen Vertrag zurück, den die Schwyzer Regierung 1954 mit der damaligen Oerlikon-Bührle abschloss und die 1961 und 1967 revidiert wurde. 1999 ging sie mit der Übernahme der Rüstungssparte von Bührle an den Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall über.

Eine Frage der Interpellanten betrifft den Transport der offensichtlich gefährlichen Güter. Die Antwort des Regierungsrates:

Die kantonale Verwaltung hat keine Kenntnisse darüber, von wo und wie die Güter transportiert werden, da es sich um ein privatrechtliches Unternehmen handelt. Allfällige Strassentransporte müssen gemäss den gesetzlichen vorgegebenen Sicherheitsvorschriften durchgeführt werden.

Ob und wie das kontrolliert wird, dazu gibt es keine Angaben.

Eine andere Frage betrifft die Umweltbelastungen als Folge der Tests mit Uran-Munition, die Bührle in den 1960er Jahren durchführte. «Umfangreiche Untersuchungen in den Jahren 2001 und 2002 zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit, der SUVA und der ETH Lausanne» hätten ergeben, schreibt der Schwyzer Regierungsrat, «dass keine Rückstände von abgereichertem Uran aus den damaligen Schiessversuchen gefunden werden konnten». Ob nach 2002 Uran-Munition getestet wurde oder ob sonstwie nukleares Material auf dem Testgelände gelagert oder erprobt wurde – keine Angaben.

Die Geschichte ist also noch keineswegs zu Ende. Interessant ist zum Beispiel der Vertrag zwischen dem Kanton und Rheinmetall, Dauer und Kündigungsfristen und die Natur der Waffen, die dort getestet werden dürfen. Nach dem Erdbeben, bzw. der wahrscheinlichen Explosion hat die Bevölkerung ein Recht auf schrankenlose Aufklärung.

Am 26. Juli hat Kantonsrat Adolf Fässler (SVP) aus Unteriberg den Regierungsrat des Kantons Schwyz angefragt, ob er bereit sei, die Rechtsgrundlagen des Erprobungszentrums in vollem Wortlaut zu publizieren, wie die rechtskonforme Einhaltung der Auflagen geprüft werde und ob dies je von einer parlamentarischen Kommission behandelt worden sei.

Die Unteriberger, die Einwohner des Kantons Schwyz und die interessierte Öffentlichkeit sind gespannt auf die Antwort.

Hier Video dazu, etwas weniger ausführlich.


Quellen:

Über

Christoph Pfluger

Submitted by admin on Do, 07/13/2017 - 08:33

Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".

032 621 81 11

Kommentare

Wenn Worte töten

von juerg.wyss
Es ist wie überall, Die Medien unterstützen die Fakes. So auch dieser Bericht. Denn es war eine Explosion, und nicht ein Erdbeben. Wie kann man nur von dieser Tatsache ablenken. respektive wie kann man von einem Erdbeben schreiben, wenn kein Erdbeben stattgefunden hat?