Das Filmfestival Locarno schwächelt 

Neue Präsidentin sorgte für Verwirrung
Veröffentlicht: 23. Aug 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 23. Aug 2024

Die neue Präsidentin des Filmfestival Locarno, die Roche-Erbin Maja Maja Hoffmann, fand laut Catherine Duttweiler im INFOsperber, bei der Eröffnungsfeier am 7. August 2024 schwer den Einstieg. Ihre Aussagen sorgten bei den knapp 6000 Filmfans auf der Piazza Grande, aber auch bei den Hoteliers und Tourismusfachleuten eher für Verwirrung. Sie plane einen Strategieworkshop, und sie wolle den Festivaltermin verschieben. Das Festival verschieben? In den Vorsommer oder in den Herbst? Ab wann? 

Der Auftritt Hoffmanns sei symptomatisch für die steigende Orientierungslosigkeit des traditionsreichen Festivals, das seinen Platz hinter den anderen A-Festivals von Cannes, Venedig, Toronto, Berlin sowie Sundance zu verlieren drohe, meint Duttweiler. Trotz einiger attraktiver Nischenangebote hätte Locarno in den beiden Hauptkategorien – dem internationalen Wettbewerb und der prestigeträchtigen Piazza Grande – an Bedeutung verloren, punkto Inhalt und Publikum. Noch vor zehn Jahren verfolgten gegen 80’000 Personen die Filmvorführungen auf der Piazza Grande, dem grössten Open-Air-Kino Europas. Dieses Jahr waren es noch 62’000, obwohl kein einziger Abend verregnet und das Festival um zwei Gratisabende erweitert wurde. Selbst am Wochenende blieben ganze Reihen leer. 

Hauptgrund für den anhaltenden Zuschauerrückgang seien laut Duttweiler fehlende überraschende Autorenfilme oder gelungene Entdeckungen wie etwa der Film «Das Leben der Anderen», der später einen Oscar gewann. Grosse Filmstars fehlen heute, ebenso wie bekannte Regisseure oder Filmpremieren. Die märchenhafte Kulisse der kunstvoll beleuchteten historischen Piazza von Locarno wird von den Organisatoren nicht bewusst genutzt. Hingegen gewährt Locarno den Sponsoren immer mehr Freiraum. Hauptsponsor Mobiliar hat den höchst erfolgreichen Nebenschauplatz «Rotonda» aufgebaut, in einem zubetonierten Strassenkreisel, in welchem dank einer Sprühanlage und Topfpflanzen erst nach 20 Uhr halbwegs erträgliche Temperaturen herrschen. Der Gratis-Treff hatte dieses Jahr mit 115’000 Personen fast doppelt so viele Besucher wie die Piazza. Die wummernden Bässe überschallten die Filmvorführungen auf der Piazza Grande und ruinierten die Stimmung in den hinteren Reihen.

Maja Hoffmann könne es eigentlich nur besser machen. Dazu brauche es indes keine Verschiebung des Festivals. Auch die von ihr vage angedeutete Ausweitung auf zusätzliche Kulturbereiche sollte hinterfragt werden. Locarno müsste stattdessen wieder zum Ort des Diskurses über Filmförderung und Kulturpolitik werden. Für die neue Präsidentin des Festivals von Locarno gebe es also viel zu tun. Laut Duttweiler sollte die Devise sein: Weniger ist mehr. Auch sollte der Zuschauerservice sinnvoll verbessert werden. Der Präsidentin wünscht Duttweiler bessere Berater, mehr Präsenz vor Ort und einen Crashkurs in Auftrittskompetenz. 


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