Selbst ist die Utopie
Wenn wir echten Lebensraum wollen, müssen wir das Heft (und das Geld) in die Hand nehmen
Wer die hundert Jahre alten Utopien moderner Städte betrachtet, staunt, wie genau sie unsere heutige Welt vorweg nehmen: Strassenschluchten, phallische Türme und Wohnmaschinen vom Reissbrett, dazwischen ein paar verlorene Menschen. Kein Wunder, leiden wir heute unter «dissoziativen Störungen», der emotionalen Trennung von Zuständen, um sie besser aushalten zu können. Von da zur Schizophrenie ist der Weg kurz. Wer kann das gewollt haben? Wie konnten diese Bilder eine solche Kraft entwickeln?
Es ist leicht, mit dem Finger auf die Architekten zu zeigen, die all das entworfen haben, aber das greift nicht tief genug. Auch Corbusier, der Wegbereiter der geometrisch komponierten hellen Strenge, machte «kleine» Architektur mit menschlichem Mass. Nur fand er kaum Bauherren dafür. Die grossen Investoren wollten Wohnmaschinen, Phallus-Symbole, Kommerztempel und die dazu erforderlichen Verkehrswege, damit die Menschen zum Geldverdienen und Geldausgeben, das in ihren Wohngebieten keinen Platz mehr hatte, überall hinfahren konnten. So bauten die grossen Architekten, was das grosse Geld wollte.
Das profitorientierte Bauen als Antwort auf die Frage nach den Ursachen der gescheiterten Moderne ist vielleicht eine simplifizierende Begründung, aber sie lässt sich hundertfach verifizieren. Ein vergleichender Augenschein zwischen den Städten des deutschen Westens und des Ostens zeigt: Das viele Geld des deutschen Wirtschaftswunders hat mehr Lebensraum zerstört als der Mangel des Sozialismus. Und wer die Schweiz in den Vergleich einschliesst, erkennt, dass das Geld an manchen Orten mehr Zerstörung hinterlassen hat als der Krieg.
Ich bin überzeugt: Wenn das Bauen die Konten von ein paar wenigen wachsen lassen soll, kann nicht Lebensraum für viele entstehen. Das zeigen die Stein gewordenen Entwürfe des Industriezeitalters in den grauen Vorstädten. Hier werden in Hochregallagern Menschen versorgt, die in erster Linie als Arbeitskraft verstanden werden. Den anderen Lebenskräften fehlt der Raum zur Entwicklung: Kein Platz für die Selbstbesinnung (geschützte Aussenräume), kein Platz für die freie Entfaltung (Werkstätten), kaum Platz für die ungezwungene Begegnung (lebendige Flanierzonen) und kein Interesse an Unabhängigkeit (Energieautarkie und Selbstversorgungsmöglichkeit). Wenn der Mensch als Arbeitskraft nicht mehr gebraucht wird, wie dies jetzt der Fall ist, werden die Hochregallager zu Gefängnissen, aus denen man nur eines will: ausbrechen, wen nötig mit Gewalt.
Wer wirklichen Lebensraum will, hat, von ein paar unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, keine andere Alternative als das Einfamilienhaus. Aber auch die Minderheit mit dem dazu erforderlichen Einkommen muss dafür erhebliche Kompromisse eingehen: Hohe finanzielle Belastungen, Einschränkung der Sozialkontakte, Abhängigkeit vom Auto und schlechte Nutzung der Häuser, sobald die Kinder ausgeflogen sind. Eine erstrebenswerte Utopie ist dies nicht (mehr).
Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass sich das grosse Geld plötzlich und freiwillig den grossen Nutzen der breiten Masse auf die Fahnen schreibt. Und auf die «Philosophenkönige», die sich schon Platon für seinen idealen Staat erhoffte, dürfen wir nicht warten. Wenn wir echten und nachhaltigen Lebensraum schaffen wollen, müssen wir kräftige Bilder malen und realistische Utopien entwickeln. Und wir kommen nicht darum herum, uns zusammenzutun, unser Geld in einen gemeinsamen Topf zu werfen (z.B. in einer Genossenschaft) und Entscheidungsstrukturen für einen gemeinschaftlichen Bauprozess aufzustellen. Das Geld ist da, es sind unsere Guthaben in den Pensionskassen und Alterssparplänen. Wenn wir im Alter noch etwas davon haben wollen, müssen wir sie der Spekulation entziehen und in echte Nachhaltigkeit investieren. Dann haben wir nämlich jetzt schon etwas davon. Das ist eigentlich zu realistisch, um noch als reine Utopie, als «Nicht-Ort» in seiner ursprünglichen Bedeutung, durchzugehen. Dass sich diese Utopie in eine «Eutopie», einen Wohl-Ort verwandeln kann, dazu will dieser Zeitpunkt motivieren.
Es ist leicht, mit dem Finger auf die Architekten zu zeigen, die all das entworfen haben, aber das greift nicht tief genug. Auch Corbusier, der Wegbereiter der geometrisch komponierten hellen Strenge, machte «kleine» Architektur mit menschlichem Mass. Nur fand er kaum Bauherren dafür. Die grossen Investoren wollten Wohnmaschinen, Phallus-Symbole, Kommerztempel und die dazu erforderlichen Verkehrswege, damit die Menschen zum Geldverdienen und Geldausgeben, das in ihren Wohngebieten keinen Platz mehr hatte, überall hinfahren konnten. So bauten die grossen Architekten, was das grosse Geld wollte.
Das profitorientierte Bauen als Antwort auf die Frage nach den Ursachen der gescheiterten Moderne ist vielleicht eine simplifizierende Begründung, aber sie lässt sich hundertfach verifizieren. Ein vergleichender Augenschein zwischen den Städten des deutschen Westens und des Ostens zeigt: Das viele Geld des deutschen Wirtschaftswunders hat mehr Lebensraum zerstört als der Mangel des Sozialismus. Und wer die Schweiz in den Vergleich einschliesst, erkennt, dass das Geld an manchen Orten mehr Zerstörung hinterlassen hat als der Krieg.
Ich bin überzeugt: Wenn das Bauen die Konten von ein paar wenigen wachsen lassen soll, kann nicht Lebensraum für viele entstehen. Das zeigen die Stein gewordenen Entwürfe des Industriezeitalters in den grauen Vorstädten. Hier werden in Hochregallagern Menschen versorgt, die in erster Linie als Arbeitskraft verstanden werden. Den anderen Lebenskräften fehlt der Raum zur Entwicklung: Kein Platz für die Selbstbesinnung (geschützte Aussenräume), kein Platz für die freie Entfaltung (Werkstätten), kaum Platz für die ungezwungene Begegnung (lebendige Flanierzonen) und kein Interesse an Unabhängigkeit (Energieautarkie und Selbstversorgungsmöglichkeit). Wenn der Mensch als Arbeitskraft nicht mehr gebraucht wird, wie dies jetzt der Fall ist, werden die Hochregallager zu Gefängnissen, aus denen man nur eines will: ausbrechen, wen nötig mit Gewalt.
Wer wirklichen Lebensraum will, hat, von ein paar unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, keine andere Alternative als das Einfamilienhaus. Aber auch die Minderheit mit dem dazu erforderlichen Einkommen muss dafür erhebliche Kompromisse eingehen: Hohe finanzielle Belastungen, Einschränkung der Sozialkontakte, Abhängigkeit vom Auto und schlechte Nutzung der Häuser, sobald die Kinder ausgeflogen sind. Eine erstrebenswerte Utopie ist dies nicht (mehr).
Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass sich das grosse Geld plötzlich und freiwillig den grossen Nutzen der breiten Masse auf die Fahnen schreibt. Und auf die «Philosophenkönige», die sich schon Platon für seinen idealen Staat erhoffte, dürfen wir nicht warten. Wenn wir echten und nachhaltigen Lebensraum schaffen wollen, müssen wir kräftige Bilder malen und realistische Utopien entwickeln. Und wir kommen nicht darum herum, uns zusammenzutun, unser Geld in einen gemeinsamen Topf zu werfen (z.B. in einer Genossenschaft) und Entscheidungsstrukturen für einen gemeinschaftlichen Bauprozess aufzustellen. Das Geld ist da, es sind unsere Guthaben in den Pensionskassen und Alterssparplänen. Wenn wir im Alter noch etwas davon haben wollen, müssen wir sie der Spekulation entziehen und in echte Nachhaltigkeit investieren. Dann haben wir nämlich jetzt schon etwas davon. Das ist eigentlich zu realistisch, um noch als reine Utopie, als «Nicht-Ort» in seiner ursprünglichen Bedeutung, durchzugehen. Dass sich diese Utopie in eine «Eutopie», einen Wohl-Ort verwandeln kann, dazu will dieser Zeitpunkt motivieren.
01. März 2007
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Christoph Pfluger
Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".
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