Die Grenzen ethischen Konsums

Neue Konsumstrategien sind wichtig, können aber globale Verteilungs- und Machtfragen nicht lösen. Caspar Dohmen bietet in seinem Buch »Otto Moralverbraucher« Denkansätze und Argumente.


Spiegel, Schirme, Uhren oder Keramik sind heute Alltagsgegenstände. Das ist darauf zurückzuführen, dass es eine Massenproduktion von Konsumgütern gibt und der Anteil des Einkommens, der für Nahrung ausgegeben wird, seit Ende des 19. Jahrhunderts stetig sank. Die Schattenseiten sind ebenfalls bekannt: Der Verbrauch der Privathaushalte hat sich seit 1960 vervierfacht, in Deutschland gibt es 60 Millionen Plätze in Hühnerställen und die Produktion von 100 Gramm Rindfleisch verbraucht 35 Badewannen Wasser. In Folge der Sozialrevolte der 1960er hat sich eine Konsumkritik etabliert, deren hauptsächliche (Gegen-)Strategien der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen in seinem Buch »Otto Moralverbraucher« historisch herleitet und kritisch debattiert: Boykott und fairer Handel.

Boykott entstand bereits im Kampf gegen Sklaverei. Und Buykott - den gezielten Einkauf bestimmter Produkte aus politischen Gründen - gab es schon in der Frühzeit der Arbeiter- und Genossenschaftsbewegung. Dohmen berührt mit seinem Buch ein hochaufgeladenes Feld: Was ist Politik? Wie setzt sie sich im Alltag um? Ist ethisch motiviertes Einkaufen resignativer Ersatz für Politik oder zeitgemäßer Ausdruck und Bestandteil politischen Handelns? Sind fairer Handel und Ökonahrung nur eine Variante im bunten Allerlei einer Gesellschaft, deren Mitglieder ihre Identität über Konsummuster definieren?

Dohmen weist darauf hin, dass ethischer Konsum Grenzen hat und dass zivilgesellschaftlicher Protest sowie staatliche Regulierung heute genauso wichtig sind. Beim Wählen habe jeder eine Stimme, beim Einkauf dagegen gehe es um Geld, das eben ungleich verteilt sei. Einem Gewinn von 41 Milliarden Euro, wie ihn Apple 2012 erzielt habe und der bei Produktionskosten von 18 Euro je iPhone 5 (Ladenpreis ca. 900 Euro) nicht verwundere, könne mit ethischem Konsum nicht begegnet werden. Hier stellten sich angesichts globaler Konzerne und Banken Verteilungs- und Machtfragen. Ethischer Konsum dürfe nicht zur grün aufgehübschten Variante klassisch neoliberaler Ansichten werden. Er sei bereits vielfach Ausdruck für das entpolitisierte, individuelle Gesundheitsstreben und auch Statussymbol geworden.

Dohmens Buch liefert Argumente für Debatten, regt zum Nachdenken an und versucht sich - etwas hilflos - an Appellen für staatliche Regulierung und »klassisches« politisches Engagement in Initiativen und Parteien. Es zeigt, dass anderer Konsum materiell nur geringe Bedeutung hat und nicht die Lösung vieler Probleme ist, aber trotzdem integraler Bestandteil einer sozial-ökologischen Transformation sein wird. Dafür muss das noch funktionierende Bündnis zwischen geizigen Konsumenten und profitorientierten Konzernen immer wieder angegriffen werden.

Caspar Dohmen: Otto Moralverbraucher. Vom Sinn und Unsinn des ethischen Konsumierens, Orell Füssli Verlag, Zürich 2014, 224 Seiten, Fr. 25.90.

03. Juni 2014
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