Der dritte Ort: Privileg der Innenstädte


Innenstädte und Shoppingcenter haben eines gemeinsam: Beide sind auf einen vitalen, stationären Detailhandel angewiesen. Und ausgerechnet dieser scheint seine bis heute berechenbare Grösse zu verlieren. Auch wenn das Geschäftsmodell des stationären Detailhandels nicht grundlegend in Frage gestellt wird, so wird sein Beitrag zur Versorgung doch deutlich abnehmen.
Den Wandel eingeleitet hat der Onlinehandel, der sich langsam, aber sicher ein immer grösseres Stück vom Kuchen sichert. Dieses geht dem stationären Detailhandel und somit den traditionellen Einkaufsorten verloren.
Entwickler und Betreiber von Shoppingcenternsind daher herausgefordert, neue Umsatzanreize zu suchen. Und sie scheinen fündig geworden zu sein: Der sogenannte «dritte Ort» (Third Place) scheint die neue Erfolgsgarantie zu bieten.Es handelt sich dabei um Orte, an denen die Menschen ausser zu Hause und am Arbeitsplatz einen grossen Teil ihrer Zeit verbringen. So sollen Shoppingcenter in Zukunft nicht mehr nur zum Einkaufen besucht werden, eine steigende Aufenthaltsqualität soll vielmehr zu einem grösseren Einkaufserlebnis führen die KundInnen veranlassen, hier auch ihre freie Zeit zu verbringen.

Aber genau dieser «dritte Ort» ist eigentlich das Privileg der Innenstädte. Orte, die von vielen Menschen aufgesucht werden, zeichnen sich durch Öffentlichkeit und Vielfältigkeit aus. Sie dienen nicht ausschliesslich dem Konsum und haben keine fixen Öffnungszeiten. Innenstädte weisen einen hohen Grad an Interaktionen auf und bieten individuelle Entfaltungsräume an. So entwickelt sich eine Identifikation, die wiederum Engagement, Verbundenheit und oft auch Gemeinschaftssinn fördert.
Das sind typische Merkmale der Innenstädte. Der stationäre Detailhandel ist dabei zwar ein unerlässlicher, schlussendlich aber doch lediglich einer von mehreren Erfolgsträgern, die diesen «dritten Ort» und damit die urbane Qualität ausmachen. Bei Shoppingcentern hingegen ist das Detailhandelsangebot das einzige Betriebsmotiv. Dem Mehrvorteil einer Innenstadt und den Ansprüchen an den «dritten Ort» können diese Einkaufszentren ganz einfach nicht gerecht werden.
Wenn sich zukünftig der stationäre Detailhandel mit dem Onlinehandel vernetzt und Umsatzanteile an diesen verliert, wird dies die Shoppingcenter deutlich einschneidender treffen, als dies bei den Innenstädten der Fall sein wird. Bei Shoppingcentern werden die Erlebnis- und Wertedefizite hoch sein, die Innenstädte haben genügend Potenzial, neue zu schaffen.



Der Autor ist Geschäftsführer der InterUrban AG in Zürich, die sich als Kompetenzträger für Stadt- und Ortskerne, Zentrums- und Altstadtgebiete versteht. Er veröffentlicht einen regelmässigen Newsletter, der hier bestellt werden kann: www.interurban.ch