Armut und Gesundheitspflege
Gesundheit ist ein hohes Gut. Kranksein ein Defizit. Wer reich ist, lebt gesünder und hat mehr Mittel zum Erhalt des Wohlbefindens. Armutsbetroffene unterliegen besonderen Krankheitsbedrohungen. Statt Verständnis wird mehr Druck aufgebaut.
“Man möge sich die Folgen ausmalen, wenn das Gesundheitssystem sich vor allem an finanziellen Kalkülen, nicht an der Gesundheit des Patienten orientiert“, schreibt Stefan Kutzner, Professor für Soziologie in der Zeitschrift SozialAktuell (Nr. 6 / 2009, S. 17).
Ungedeckte Armutskosten
Menschen aus der Unterschicht, Minderbemittelte und Armutsbetroffene sind – medizinisch gesehen – mit erhöhtem Krankheitsrisiko behaftet. Nationalrat Otto Ineichen (FDP/LU) weist jedoch auf ein ökonomisches Problem hin (News, 5.6.09): „Das Schlimmste: Hausärzte haben riesige Ausstände. Teilweise über 100 000 Franken. Die Schuldner sind Leute, die allgemein versichert und die Prämien verbilligt haben.“ Ineichen zu den Minderbemittelten: “Sie holen sich systematisch das Geld für die Arztrechnungen bei der Kasse, bezahlen aber nicht. So schaffen sie sich ein Zusatzeinkommen.“ Die Hausärzte als mittelständische EinzelunternehmerInnen müssen Zahlungs-Ausstände der Armutsbetroffenen erdulden. In der Schweiz gibt es zudem 150'000 Menschen, die wegen unbezahlten Rechnungen ohne Versicherungsschutz der Krankenkassen sind. Die eidgenössischen Räte arbeiten an einer Lösung, mit der die Kantone 85% der offenen Krankenkassen-Rechnungen übernehmen. Damit wird zumindest der obligatorische Versicherungsschutz gewährleistet.
Diskurs über Bedürfnisse
Der öffentliche Diskurs ist nun von den SchmarotzerInnen, die angeblich unrechtmässig Sozialleistungen beziehen, zu den SchmarotzerInnen in der Pflege gesprungen. Nationalrat Ineichen ortet im nichtchronischen Bereich eine übermässige Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen. 8 % der PatientInnen verursachten 60 % der Arztbesuche. Ineichen: „Sehr viele davon bekommen Prämienverbilligungen“. Damit peilt er die untersten Schichten unserer Bevölkerung an. Doch auch für diese gibt es das intensive zwischenmenschliche Bedürfnis, angehört und verstanden zu werden. Vertraulichkeit gewähren vor allem noch die HausärztInnen. Ihre mentale Zuwendung in einem PatientInnengespräch gehörte daher ebenso mit Tarmed-Punkten entschädigt wie eine allfällige Beratung und Triage zugunsten einer nicht technokratischen Sozialfürsorge. Solche Massnahmen wären die beste Gesundheitsvorsorge, besser als Diskurse über angebliche SchmarotzerInnen.
Was zu tun wäre
Pflegeexpertin Cornelia Mackuth-Wicki (BScN) weist auf besondere Krankheitsfaktoren bei Armut hin: Migration, schlechten sozialen Status, mangelnde Schulbildung, weibliches Geschlecht. Nebst der höheren Lebenserwartung unterliegt unsere Gesellschaft neuen Prozessen. Psychische und chronische Krankheiten nehmen zu, ineinander gekoppelte Krankheiten ebenso. Was genau ist an Betreuung nötig? Ist ein Medikament genau so wirkungsvoll oder wirkungsvoller als eine Entspannungsübung? Mackuth-Wicki empfiehlt ein Überdenken der Aufgabenteilung zwischen Ärzteschaft und Pflegediensten. Es sollten vermehrt niedrigschwellige Anlaufstellen auf Pflegestufe ausserhalb der normalen Bürozeiten geöffnet werden. Und zur Gesundheitspflege gehören Gesundheits-Aufklärung und mehr Bildung, damit überhaupt Eigenverantwortung wahrgenommen werden kann.
www.haelfte.ch
“Man möge sich die Folgen ausmalen, wenn das Gesundheitssystem sich vor allem an finanziellen Kalkülen, nicht an der Gesundheit des Patienten orientiert“, schreibt Stefan Kutzner, Professor für Soziologie in der Zeitschrift SozialAktuell (Nr. 6 / 2009, S. 17).
Ungedeckte Armutskosten
Menschen aus der Unterschicht, Minderbemittelte und Armutsbetroffene sind – medizinisch gesehen – mit erhöhtem Krankheitsrisiko behaftet. Nationalrat Otto Ineichen (FDP/LU) weist jedoch auf ein ökonomisches Problem hin (News, 5.6.09): „Das Schlimmste: Hausärzte haben riesige Ausstände. Teilweise über 100 000 Franken. Die Schuldner sind Leute, die allgemein versichert und die Prämien verbilligt haben.“ Ineichen zu den Minderbemittelten: “Sie holen sich systematisch das Geld für die Arztrechnungen bei der Kasse, bezahlen aber nicht. So schaffen sie sich ein Zusatzeinkommen.“ Die Hausärzte als mittelständische EinzelunternehmerInnen müssen Zahlungs-Ausstände der Armutsbetroffenen erdulden. In der Schweiz gibt es zudem 150'000 Menschen, die wegen unbezahlten Rechnungen ohne Versicherungsschutz der Krankenkassen sind. Die eidgenössischen Räte arbeiten an einer Lösung, mit der die Kantone 85% der offenen Krankenkassen-Rechnungen übernehmen. Damit wird zumindest der obligatorische Versicherungsschutz gewährleistet.
Diskurs über Bedürfnisse
Der öffentliche Diskurs ist nun von den SchmarotzerInnen, die angeblich unrechtmässig Sozialleistungen beziehen, zu den SchmarotzerInnen in der Pflege gesprungen. Nationalrat Ineichen ortet im nichtchronischen Bereich eine übermässige Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen. 8 % der PatientInnen verursachten 60 % der Arztbesuche. Ineichen: „Sehr viele davon bekommen Prämienverbilligungen“. Damit peilt er die untersten Schichten unserer Bevölkerung an. Doch auch für diese gibt es das intensive zwischenmenschliche Bedürfnis, angehört und verstanden zu werden. Vertraulichkeit gewähren vor allem noch die HausärztInnen. Ihre mentale Zuwendung in einem PatientInnengespräch gehörte daher ebenso mit Tarmed-Punkten entschädigt wie eine allfällige Beratung und Triage zugunsten einer nicht technokratischen Sozialfürsorge. Solche Massnahmen wären die beste Gesundheitsvorsorge, besser als Diskurse über angebliche SchmarotzerInnen.
Was zu tun wäre
Pflegeexpertin Cornelia Mackuth-Wicki (BScN) weist auf besondere Krankheitsfaktoren bei Armut hin: Migration, schlechten sozialen Status, mangelnde Schulbildung, weibliches Geschlecht. Nebst der höheren Lebenserwartung unterliegt unsere Gesellschaft neuen Prozessen. Psychische und chronische Krankheiten nehmen zu, ineinander gekoppelte Krankheiten ebenso. Was genau ist an Betreuung nötig? Ist ein Medikament genau so wirkungsvoll oder wirkungsvoller als eine Entspannungsübung? Mackuth-Wicki empfiehlt ein Überdenken der Aufgabenteilung zwischen Ärzteschaft und Pflegediensten. Es sollten vermehrt niedrigschwellige Anlaufstellen auf Pflegestufe ausserhalb der normalen Bürozeiten geöffnet werden. Und zur Gesundheitspflege gehören Gesundheits-Aufklärung und mehr Bildung, damit überhaupt Eigenverantwortung wahrgenommen werden kann.
www.haelfte.ch
23. Dezember 2009
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