Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag Teile des hessischen und des hamburgischen Polizeigesetzes für verfassungswidrig erklärt. Die Regelungen erlaubten der Polizei die automatisierte Auswertung personenbezogener Daten zur Vorbeugung schwerer Straftaten. Dieses Data Mining, so urteilen die Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts, erfordert jedoch höhere Eingriffsschwellen als bislang vorgeschrieben. Sie begründen ihre Entscheidung mit dem im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Verbindung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die hessische Polizei verwendet seit 2017 die Software »Hessendata« des US-Anbieters Palantir. Sie ermöglicht es, die Daten zahlreicher polizeilicher Datenbanken und weiterer Quellen wie Soziale Medien, Mobilfunkanbieter oder Meldebehörden zu verknüpfen, um Beziehungen, Muster und andere Auffälligkeiten zu erkennen. Jährlich macht die Polizei tausendfach von dem Analysewerkzeug Gebrauch.
Aufseiten der Klägerparteien gibt es Erleichterung. Die Bürgerrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatte mit weiteren Organisationen 2019 und 2020 die Verfassungsbeschwerden eingereicht. Laut der Urteilsbegründung griffen die Regelungen, insoweit personenbezogene Daten zusammengeführt und zur Generierung neuen Wissens verwendet würden, in die informationelle Selbstbestimmung ein. Ein solcher Eingriff müsse aber verhältnismäßig bleiben. Die Regelungen erlaubten es der Polizei, «mit einem Klick umfassende Profile von Personen, Gruppen und Milieus zu erstellen und auch zahlreiche unbeteiligte Personen weiteren polizeilichen Maßnahmen zu unterziehen», so das Gericht. Zudem werde ein weites Spektrum an Analysemethoden zugelassen, die von Data-Mining über selbstlernende Systeme Künstlicher Intelligenz bis hin zu maschinellen «Gefährlichkeitsaussagen» über Personen reichen könnten. Das Gericht verwendet dafür den Begriff «Vorhersagende Polizeiarbeit» («Predictive Policing»).
Es ist davon auszugehen, dass das Urteil nicht nur in Hessen und Hamburg Wirkung zeigt. Denn auch in Nordrhein-Westfalen hatte die GFF Beschwerde gegen eine fast identische Befugnis eingereicht, in Bayern droht ebenfalls der Einsatz von polizeilichen Big-Data-Analysen mit Palantir-Software.