Der Schwarzkünstler
B…e…a…t. Type um Type klaubt er aus dem Setzkasten und legt sie in den Winkelhaken, schliesst das Wort mit einem Spatium ab. Er weiss blind, in welchem Fach der nächste Buchstabe liegt – die häufigsten in der Mitte, selten gebrauchte Akzente ganz aussen. B…r…e…c…h…b…ü…h…l. Mit verschieden grossen Satzschliessern bindet er die Zeile in Spiegelschrift aus. Sie hält. Beat Brechbühl lacht: «Das verlernst du nie.» Er ist Jahrgang 1939, seine Lehre ist gut sechzig Jahre her. «Jeder, der einem Setzer zuschaut, kann die Wörter mühelos lesen. Unser Gehirn kann das.»
Beat Brechbühl scheint aus der Zeit gefallen, nur wenige setzen noch von Hand aus Blei und drucken von Hand. Aus Kostengründen macht auch er nicht mehr alles, nur Buchumschläge und einzelne Gedichtbände für seinen Verlag Waldgut, ebenso Poesieblätter und grossformatige Drucke im angegliederten Atelier Bodoni. Jedes Blatt ist anders gestaltet, die Texte sind poetisch bis schräg oder frech. Das jüngste Bodoni Blatt enthält ein frisches Gedicht von Jan Heller Levi: «Dear President Obama», daneben Florian Vetschs Übertragung: «Doch wie schon Sappho sagte: Was nicht gesagt werden kann, wird beweint.» Brechbühl setzt seine Texte oft in Buchschriften wie Garamond oder Bodoni, aber fast noch lieber in der nüchternen Helvetica mit all ihren unterschiedlichen Schnitten. Tausende von Bleilettern liegen säuberlich geordnet in Schränken oder schlicht in leeren Joghurtbechern.
Einmal im Jahr klinkt sich Brechbühl aus dem Atelier aus und lädt Mitstreiter der Schwarzen Kunst ein: alternierend zur Frauenfelder Buch- und Druckkunstmesse im Eisenwerk (im Keller der ehemaligen Fabrik hat er sich eingerichtet) und zu Papier & Was im Bodmanhaus in Gottlieben. An diesen Ausstellungen gibt es tausend Ideen zu sehen, wie sich Papier bedrucken und binden oder künstlerisch formen lässt, und da fühlen sich die Handwerker von aufmerksamen Besuchern geschätzt.
Beat Brechbühl verweigert sich der Hektik in der Literatur und im Verlagswesen. Und wirkt alles andere als verbissen oder gar verbittert. Der Schalk sitzt ihm im Nacken. Und auch fluchen kann er, wenn er sich über etwas aufregt. Und erzählt liebend gern: Begebenheiten von gestern oder Episoden aus seinem reichen Leben. Trotz der Bedächtigkeit, die der Berner ausstrahlt, ist er unermüdlich. Erst recht, weil er weiss, dass er einer verschwindenden Minderheit angehört. «Rasche Informationen brauchen langsame Gegenstücke», hat er einmal gesagt. Oder: «Ich will bestmögliche Lesbarkeit. Auch sogenannt schwierige Texte sollen alle typographischen Erleichterungen erfahren. Jedes Waldgut-Buch und jedes Bodoni-Blatt soll und darf ein Ereignis sein: nicht nur inhaltlich, auch optisch und haptisch.»
Ivo Ledergerber hat ihn unter anderem so genannt: «Seltener Branchensänger, Alphabetler, Poesiepan, pausenloser Satzverknüpfer, unerschrockener Klippenumsegler, Wortregisterzieher, mehrmanualiger Bleiorgler, tiefgründiger Nachsinner, inständiger Buchstabenstreichler, Bleilustdrucker, Satzspiegelakrobat.» Das war im Herbst 2012, als treue Weggefährten ihm und seinem Verlag ein Lyrik-Fest ausrichteten.
Ja, unermüdlich ist er, rastlos fast. Beat Brechbühl hat bis 2003 die Frauenfelder Lyriktage mit dem Schriftsteller Jochen Kelter organisiert, der ihn als «liebenswerten Anarchisten mit einem Herzen so gross wie ein Fussballfeld» bezeichnet. Beat Brechbühl hat Lyrikbände publiziert, von Spiele um Pan 1962 bis Farben, Farben! Schwarz mit Ohren, Weiss und alles; dazwischen das unbändige Leben, der demnächst erscheint. Legendär sind seine Jugendbücher, die er ab 1976 schrieb, einige um die Figur des Schnüff herum; legendär war schon 1970 sein Debutroman Kneuss. Preise folgten, darunter der Thurgauer Kulturpreis.
Ja, das unbändige Leben. Er war Redaktor einer Jugendzeitschrift, Setzer und Gestalter, war Herstellungsleiter bei Diogenes und Verlagsleiter von Zytglogge. Seit 1980 aber ist er sein eigener Herr und Meister. Er verlegt Bücher, um die Grossverlage einen weiten Bogen machen, weil sie auf die Zahlen schielen. Und er hat vor drei Jahren mit zoom eine neue Reihe für junge Autoren geschaffen.
Es scheint ein Wunder, dass Beat Brechbühl finanziell über die Runden kommt und idealistische Mitarbeiterinnen bezahlen kann, die den administrativen Kram von ihm fernhalten. Zumal er zwischen Frauenfeld und München pendelt. Da lebt seine Partnerin.
Beat Brechbühl scheint aus der Zeit gefallen, nur wenige setzen noch von Hand aus Blei und drucken von Hand. Aus Kostengründen macht auch er nicht mehr alles, nur Buchumschläge und einzelne Gedichtbände für seinen Verlag Waldgut, ebenso Poesieblätter und grossformatige Drucke im angegliederten Atelier Bodoni. Jedes Blatt ist anders gestaltet, die Texte sind poetisch bis schräg oder frech. Das jüngste Bodoni Blatt enthält ein frisches Gedicht von Jan Heller Levi: «Dear President Obama», daneben Florian Vetschs Übertragung: «Doch wie schon Sappho sagte: Was nicht gesagt werden kann, wird beweint.» Brechbühl setzt seine Texte oft in Buchschriften wie Garamond oder Bodoni, aber fast noch lieber in der nüchternen Helvetica mit all ihren unterschiedlichen Schnitten. Tausende von Bleilettern liegen säuberlich geordnet in Schränken oder schlicht in leeren Joghurtbechern.
Einmal im Jahr klinkt sich Brechbühl aus dem Atelier aus und lädt Mitstreiter der Schwarzen Kunst ein: alternierend zur Frauenfelder Buch- und Druckkunstmesse im Eisenwerk (im Keller der ehemaligen Fabrik hat er sich eingerichtet) und zu Papier & Was im Bodmanhaus in Gottlieben. An diesen Ausstellungen gibt es tausend Ideen zu sehen, wie sich Papier bedrucken und binden oder künstlerisch formen lässt, und da fühlen sich die Handwerker von aufmerksamen Besuchern geschätzt.
Beat Brechbühl verweigert sich der Hektik in der Literatur und im Verlagswesen. Und wirkt alles andere als verbissen oder gar verbittert. Der Schalk sitzt ihm im Nacken. Und auch fluchen kann er, wenn er sich über etwas aufregt. Und erzählt liebend gern: Begebenheiten von gestern oder Episoden aus seinem reichen Leben. Trotz der Bedächtigkeit, die der Berner ausstrahlt, ist er unermüdlich. Erst recht, weil er weiss, dass er einer verschwindenden Minderheit angehört. «Rasche Informationen brauchen langsame Gegenstücke», hat er einmal gesagt. Oder: «Ich will bestmögliche Lesbarkeit. Auch sogenannt schwierige Texte sollen alle typographischen Erleichterungen erfahren. Jedes Waldgut-Buch und jedes Bodoni-Blatt soll und darf ein Ereignis sein: nicht nur inhaltlich, auch optisch und haptisch.»
Ivo Ledergerber hat ihn unter anderem so genannt: «Seltener Branchensänger, Alphabetler, Poesiepan, pausenloser Satzverknüpfer, unerschrockener Klippenumsegler, Wortregisterzieher, mehrmanualiger Bleiorgler, tiefgründiger Nachsinner, inständiger Buchstabenstreichler, Bleilustdrucker, Satzspiegelakrobat.» Das war im Herbst 2012, als treue Weggefährten ihm und seinem Verlag ein Lyrik-Fest ausrichteten.
Ja, unermüdlich ist er, rastlos fast. Beat Brechbühl hat bis 2003 die Frauenfelder Lyriktage mit dem Schriftsteller Jochen Kelter organisiert, der ihn als «liebenswerten Anarchisten mit einem Herzen so gross wie ein Fussballfeld» bezeichnet. Beat Brechbühl hat Lyrikbände publiziert, von Spiele um Pan 1962 bis Farben, Farben! Schwarz mit Ohren, Weiss und alles; dazwischen das unbändige Leben, der demnächst erscheint. Legendär sind seine Jugendbücher, die er ab 1976 schrieb, einige um die Figur des Schnüff herum; legendär war schon 1970 sein Debutroman Kneuss. Preise folgten, darunter der Thurgauer Kulturpreis.
Ja, das unbändige Leben. Er war Redaktor einer Jugendzeitschrift, Setzer und Gestalter, war Herstellungsleiter bei Diogenes und Verlagsleiter von Zytglogge. Seit 1980 aber ist er sein eigener Herr und Meister. Er verlegt Bücher, um die Grossverlage einen weiten Bogen machen, weil sie auf die Zahlen schielen. Und er hat vor drei Jahren mit zoom eine neue Reihe für junge Autoren geschaffen.
Es scheint ein Wunder, dass Beat Brechbühl finanziell über die Runden kommt und idealistische Mitarbeiterinnen bezahlen kann, die den administrativen Kram von ihm fernhalten. Zumal er zwischen Frauenfeld und München pendelt. Da lebt seine Partnerin.
03. Juni 2017
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